Versuch über schlechte Lyrik ;)

[Sufnus]

Zum Geleit

Ein Mensch versucht zu dichten
und dichtet ziemlich schlicht,
bemerkt jedoch mitnichten
sein Sein als Lyrikwicht.

Strunzdämlichkeit befreit
von Selbstbeschau und -zweifel,
Das Gernegrößchen schreit:
"Ich dichte wie der Teufel!".

Und um ihn her die Leute
sehn sich betroffen an:
Der Blödheit fette Beute -
jetzt rette sich, wer kann!


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Wie wäre es mal mit einem Faden, in den wir absichtlich so richtig schlecht gemachte, selbstverfasste Gedichte reinstellen? Also wohlgemerkt: Eigene Produktionen, bewusst unterirdisch abgefasster Lyrik. Demnach kein Faden, in dem zum Behufe der Denunziation fehlgeleiteter Lyrikglimmer von fremder Feder eingestellt wird - vielmehr ein Ort, an dem wir das guilty pleasure austoben können, die Abgründe der Unterirdischkeit mittels der eigenen Schaffenskraft auszuloten.
Ich glaube, es könnte das Bewusstsein für inhaltliche Banali- und Abstrusitäten und formale Car Crashs schärfen und nebenbei durchaus Spaß machen! 

[hans beislschmidt]

Gute Idee ....
Aus Eilandstränden komme ich hierher.
Die Tiefenluft hat mir sehr gut getan.
Kein Sauerstoff, nur Schwefel und Butan.
Ich kacke dafür flach gepressten Teer
.
Läuft bei dir

[Sufnus]

 

Ein großartiges Einstandsbeispiel, lieber Hans! "Schwefel und Butan" sowie (admirabel!) "flach gepresster Teer" sind so originelle Einfälle, das hinter den hinkenden Zeilen der einfallsreiche Lyriker deutlich durchschimmert! 
Es wäre schön, wenn sich mancher naturbegabte Schlichtdichter hieran ein Beispiel nähme. 

LG!

S.

[Sufnus]

Ich dünge meine Dichterwiese
am liebsten mit frischem Mist,
denn als schlauer Lyrikriese
weiß ich, solche Pflege ist

unerlässlich für das Keimen
und gedeihliche Gedeihen
von prasseldummen Reimen
wie einst im Maien.

 

[Erich Kykal]

Mir ist gar so absunderlich -
ich glaub, ich möchte dichten!
Und klingt es auch recht wunderlich,
ich will nicht drauf verzichten!

Man sagt mir, meine Reimchen
sein krud und sehr verquer!
Ich kocht mit Sud und Seimchen
rezeptfrei mir die Sprache her!

Das soll mich nicht abschrecken,
ist es auch falsch betont!
Ich dichte ums Verrecken -
und keiner wird verschont!

[Sufnus]

Hi eKy!
Du bist als Malpoet auf eigene Weise ein Klasse für sich! 
Anhand Deiner Zeilen kann man hervorragend die gängigen Fehler von Schnellschussdichtern nachvollziehen, die dem Leser unzureichend bearbeitete Rohfassungen zumuten und Schlampigkeit mit Authentizität verwechseln. 
- Sprachverbiegungen des Reimes wegen (absunderlich - wunderlich)
- Schreibfehler (sein krud statt seien krud oder wenigstens sei'n krud)
- Metrische Irregularitäten (unmotivierte Wechsel von der Drei- zur Vierhebigkeit)
- Betonungsfehler (abschrecken)
Didaktisch sehr schön aufbereitet - wobei Du letztlich trotzdem eine gar nicht so schlechte Qualität nicht vermeiden konntest.
LG!
S.

[Erich Kykal]

Hi Suf!

Meine Crux! Mir wurde schon von mehreren Seiten attestiert, dass es mir aufgrund meines sprachaffinen und musikalischen Gehörs per se gar nicht möglich sei, ein gewisses lyrisches Niveau zu unterschreiten! Hier musste ich mich wirklich um die Irregularitäten bemühen - ordentlich zu dichten wäre mir leichter gefallen! Nach fast 20 Jahren in den Foren wohl mittlerweile Übungssache - oder fixierte Konditionierung ... 

Mit Freude mitgepatzt! 

LG, eKy

[Erich Kykal]

Hrrrschftzttn!

Hrrrschftzttn!
Mrs schlcht!
Cht jtzt! Soooooo schlcht!
Kpfwwwää - Kpfwwwää -
Ch hb ssso Kpfwwwääää!
Hrrrschftzttn!
Gibmarapuiva!

[Sufnus]

Hi eKy! 
Mit Deinem letzten Posting bestätigst Du überzeugend die von Dir zitierte These aus Deinem vorletzten Beitrag
Als Verfasser schlechter Lyrik zeigst Du - ich muss das leider so sagen - keine natürliche Begabung - Du wirst noch hart an Dir arbeiten müssen, um wirklich überzeugend schlechte Verse zu verfassen!

Dein letzter Beitrag ist eine wirklich wunderbare Persiflage von Jandls Antikriegsgedicht schtzngrmm (z. B. hier zu finden: https://www.lyrikline.org/de/gedichte/schtzngrmm-1230)

Die "Erfindung" Jandls war es, durch weglassen von Vokalen und leichte Verfremdungen Kunstwörter zu generieren, die sich aber (teilweise mehrdeutig) in normale Wörter rückübersetzen lassen und dabei zusätzlich eine lautmalerische Komponente entfalten.

Das Titelwort "schtzngrmm" steht z. B. für "Schützengraben", könnte aber auch des "Schützen Grimm" bedeuten. Die lautmalerische Komponente kommt besonders gut bei dem t-t-t-t von Jandls dritter und vierter Zeile zu tragen - hier sind natürlich Maschinengewehrsalven gemeint. Zugleich können die t für Kreuze stehen. grmmmmm in Zeile 5 könnte z. B. das Motorengeräusch eines Tanks (Panzers) sein; dieses Kriegsgerät tauchte ja zumindest gegen Ende des Schützengrabenkriegs im 1. Weltkrieg auf den Schlachtfeldern auf.

Nun zu eKys Parodie.
Hier lässt sich recht unaufwändig eine Reinschrift herstellen:

Herrschaftszeiten!

Herrschaftszeiten!
Mir is schlecht!
Echt jetzt! Soooooo schlecht!
Kopfweh - Kopfweh -
ich hab so Kopfweh!
Herrschaftszeiten!
Gib mir ein Pulver! (entweder ein Anti-Erkältungsmittelchen oder ein letales Gift, um dem schrecklichen Leiden der männlichen Todesgrippe ein gnädiges Ende zu bereiten )

Und ich finde, durch die gelehrte Meta-Ebene der Anspielung auf Jandl und die kreative, schon akrobatisch zu nennende, Kreation origineller Neologismen, ist das hier ein Super-Gedicht, das ob seines Augenzwinkerns wohl am ehesten in einer humoristischen Ecke zu beheimaten wäre. Sicher keine schlechte Lyrik!

Meine einzige Kritik wäre, dass ich dem LI auch noch einen Schnnnpfn (Schnupfen) hätte angedeihen lassen, um das Hrrrschaftzttn auch als Lautmalerei für einen herzhaften Nieser  - Hattschiii!!!! - nutzen zu können. Im Kontext von Covid gewinnt dabei dieses Gedicht, neben seiner humoristischen Ebene durchaus auch einen grimmigen Nebenaspekt.  Gelungener Humor deutet ja sehr häufig auch noch Abgründiges zumindest an.

Sehr gerne gelesen!

S.

[hans beislschmidt]

Regentropfens Sonnenbogen:
Da liegt Güldenes an Wurzeln.
Bucheckern und Eicheln purzeln,
voll mit Sommerkraft gesogen.
.
Hehe

[Erich Kykal]

Hi Suf!

Das Werk ist tatsächlich eine Persiflage auf Jandl und das genannte Gedicht, das ich - aus meiner persönlichen Sicht - eben nicht für gute Lyrik halte. Es ist ein interssantes Sprachexperiment, lautmalerisch durchaus überzeugend, aber für mich eben nicht das, was ich als lyrisch im Sinne harmonischer Sprachkunst verstanden wissen will. Daher meine "Version".
An den "Schnpfn" habe ich nicht gedacht - das hätte natürlich gut gepasst ... 

Ich werde mich aufrichtig bemühen, hier in Zukunft authentischer "schlecht" zu schreiben! (Kann aber nix garantieren ...  )


Hi Hans!

Du hast sicher auf den pathetischen Kitsch angespielt, den dein Bild zu generieren versucht. Allerdings - sooooo schlecht finde ich es gar nicht ...

Wenn es deine Intention war, möglichst schwülstige Natur- oder Emotionslyrik zu schaffen, müsstest du unbedingt noch ein paar Schäufelchen zulegen!

zB so:

Herbstlamento

Ach weh, wie ist mir weh zumut!
Der Sommer geht, und war so gut!
Der grimme Herbst stockt mir das Blut!
O jemineh!

Wie garstig kommt der Winter nah,
und ist schon beinah gänzlich da!
Wie kann es sein, dass dies geschah?
O jemineh!

Wie lechz ich nach des Lenzes Gunst,
der Wärme schafft aus kaltem Dunst
und Farbenpracht aus Blütenkunst!
O jemineh!

O Graus, o graus, das Jahr geht aus!
Mir wird kein frohes Wort daraus!
Es bleibt mir nur das warme Haus.
O jemineh!

[hans beislschmidt]

Ein junges Reh steht dort am Wald.
Man nennt es Kitz, es ist sehr knitz
und wohl nicht alt; da steht es halt.

[Erich Kykal]

Vaterändisch völkisch treu

O süßes Weh, dem Vaterlande
an den Altar der Pflicht gelegt,
dass ich der Mutter keine Schande,
des Vaters Stolz bin, der mich trägt!

Wenn ich den Stutzen fester packe,
geht's auf den Feind, gestählt voran!
Ich stürme treu mit der Attacke
als guter, braver Untertan.

Für Kaiser, Führer, Heimatkrume,
für Ruhm und Rasse, allezeit
erblüht im Herzen mir die Blume
des Reinen, und ich bin bereit!


Dies als Exempel dafür, dass miese Lyrik nicht unbedingt eine Frage des Stils ist, sondern nicht minder auch eine des Inhalts!

[hans beislschmidt]

Da Franzl aus Groß Piesenham
Der hod an Bandwurm in sein Darm
Er schreit, du Jud geh aussa do
Und olle Windischen genau-a-so

[Rocco]

Hallo zusammen!

Mich wundert, was ihr alle für einen Geschmack habt! Eure Beispiele sind vielleicht durchschnittlich, aber nicht richtig schlecht.

Ich habe mal geschrieben:


Glück

Ich passe nicht hinein,
dein Herzchen bleibt darum rein.


Das fanden richtig viele zum kotzen. Kein Inhalt, keine "lyrische" Sprache usw.

Als ich dann noch sagte, ein Gedicht bräuchte kein Versmaß und Reim, Halbreim und Rhythmus tätens auch, war richtig Party angesagt.

Aber ich gebe zu, dass (viele) andere mehr Ahnung von Gedichten haben als ich.

Rocco