Autor Thema: Hohle Tage  (Gelesen 584 mal)

Erich Kykal

Hohle Tage
« am: Juni 24, 2020, 12:05:40 »
Verhaltener sind weiland meine Töne,
bescheidener, in Demut fast gewandet,
als wäre plötzlich sterblicher das Schöne,
das an die Ufer meiner Augen brandet.

Als würde ich des Hässlichen gewahrer,
das unter zarten Oberflächen lauert,
als raste jedes Fahrzeug ohne Fahrer
auf Wände zu, die jedes Schicksal mauert.

Verworrener sind heute meine Träume,
und gehen ungeschlacht, wie heimlich trunken.
Erinnerung näht meinem Leben Säume
und wirkt doch seltsam lautlos und entsunken.

Als ahnte ich in allem die Verwesung,
die unaufhaltsam ihre Nahrung sammelt,
und hörte meinen Willen zur Genesung,
der hilflos seine letzten Worte stammelt.

Wer bin ich, dass ich anderswo mich fände
als alles, was den Gang der Dinge findet?
Ich atme noch - und ahne doch die Hände
des Diebs auf mir, der mir den Stab entwindet.

Verhaltener sind weiland meine Schritte
wie Suchende, die keine Richtung wissen.
Verloren wispernd krümmt sich eine Bitte,
verwelkten Lippen wie im Schmerz entrissen.
« Letzte Änderung: Februar 13, 2022, 18:21:17 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Hohle Tage
« Antwort #1 am: Juni 24, 2020, 12:23:24 »
Lieber Erich,


das finde ich einen sehr starken Text. Nicht weinerlich äußert sich das lyrische Ich, aber doch erfüllt von tiefer Trauer und auch von einem resignativen Mut, der weiß, dass er nichts ausrichten kann, aber doch seinen Stolz zu wahren weiß. Besonders die vierte Strophe spricht mich sehr intensiv an.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Hohle Tage
« Antwort #2 am: Juni 24, 2020, 13:03:28 »
Hi AL!

Vielen Dank für das Lob!  :)

Wir alle sind ja Teil und Opfer einer unausweichlichen Entropie des Verfalls, und meistens vermögen wir dies ja zu verdrängen, aber an gewissen Tagen, hohlen Tagen eben, drängt sich einem der aktuelle Faktenbestand der eigenen Endlichkeit doch eisern auf, und man kann ihm mit nichts als gefasster Würde und Hingegebenheit entgegentreten.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Hohle Tage
« Antwort #3 am: Juni 24, 2020, 14:58:52 »
als wäre plötzlich sterbicher das Schöne... ja, so ist es an manchen Tagen. Starke, emotionale Verse, die demütig machen, Erich.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Hohle Tage
« Antwort #4 am: Juni 24, 2020, 19:07:24 »
Hi Agneta!

Schön, dass du wieder da bist! Ich hoffe, du hast mir meinen heftigen "Ausbruch" vergeben. Als zuweilen selbst recht rasch entflammbarer Charakter stand es mir kaum zu, euch zu rügen, schon gar nicht in einer Form, die implizierte, ich wäre in dieser Hinsicht irgendwie erhabener oder gereifter als ihr. Ich war nur traurig und frustriert, dass ihr euch derart sinnlos zerfleischtet, weil ich selbst schon des öfteren in solch eine Falle gegangen war und unnötig Porzellan zerdeppert hatte, und weil ich euch beide mag und es mir wehtat, wie ihr übereinander herfielt, und das nur wegen eines leidigen Kommunikationsknotens auf der Basis unterschiedlicher Wahrnehmungsfilter!

Vielen Dank für die zustimmenden und lobenden Worte zum Gedicht.  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.