Autor Thema: Wohlwollen  (Gelesen 1262 mal)

a.c.larin

  • Gast
Wohlwollen
« am: Dezember 06, 2010, 18:40:26 »
Wir machen uns mitunter viel zuwenig Gedanken darüber, wie wir auf einander wirken. Zu sehr sind wir beeindruckt von unseren eigenen Emotionen und Überlegungen, und darüber, wozu wir andere ( unbewusst ) einladen.

Ein Abend im November vergangenen Jahres gab mir Gelegenheit, manches
„Altbekannte“ wieder ganz neu zu erfahren und für mich in ein sinnvolles Resümee zu bringen.

Wir, mein Mann und ich, hatten überraschend Karten bekommen für die Veranstaltung einer örtlichen Kleinkunstbühne. Geschichten von Roda-Roda sollten da gelesen werden, mir nicht ganz unbekannt, daher erhoffte ich mir angenehme Unterhaltung und war bereit, meine spätherbstliche Abendmüdigkeit zugunsten kultureller Aktivität zu überwinden.

Schließlich kann man im vorgerückten Alter nicht mehr einfach so aus dem Haus gehen, wie man ist – die weibliche Eitelkeit ruft da sofort gewisse Restaurationsmaßnahmen auf den Plan. Also: Ab unter die Dusche und – her mit der Traumfrisur! Die Frage  nach dem richtigen Dresscode war natürlich auch noch zu lösen, und es versteht sich von selbst, dass mein Mann bald die sattsam bekannte Klage hörte. „Ich habe doch gar nichts anzuziehen…!“ Nackt bin ich aber dann doch nicht losgezogen – und auch er sah ganz respektierlich aus. Die Mühe hatte sich also gelohnt.

Nach kurzer Fahrt erreichten wir das Kellerlokal, in dem das künstlerische Ereignis stattfinden sollte – und wir fühlten uns gleich ein bisschen einsam im Foyer. Viel war da nicht los, und viel mehr sollte es auch nicht werden.
Wir gingen trotzdem tapfer in den Zuschauerraum und harrten der Dinge, die da kommen sollten, schließlich gehörten wir doch zu einem auserwählten Kreis von etwa acht oder neun Personen, da konnte sich jeder Anwesende schon als etwas Besonderes betrachten.
Schließlich betrat der Künstler die Bühne: ein älterer Mann, der irgendwie so aussah, als hätte er seine beste Zeit schon lang hinter sich ( wenn es diese jemals gegeben hatte). Wir warteten artig, und die Lesung begann.
Sie war wirklich außergewöhnlich: So grottenschlecht hatte ich noch nie jemanden Roda  Roda lesen hören: Verhaspelt, nicht gut intoniert, von der Aussprache her so undeutlich, dass man beim Zuhören schon fast ins Schwitzen kam, vor lauter Anstrengung. Das Publikum keuchte unhörbar – der Vortragende hingegen immer deutlicher. Ja, er keuchte nicht nur, er begann bald darauf, sich zu räuspern, zu husten und vehement um Atem zu ringen. Er war wohl sehr erkältet und man litt bald mit ihm körperliche Schmerzen- allein schon beim Zuhören. Eigentlich hätte man diese Veranstaltung aufgrund seiner Indisponiertheit absagen müssen.
Es muss gravierende Gründe gegeben haben, warum dies anders war.
Die Lesung nahm ihren Verlauf, immer wieder unterbrochen durch heftige Hustenanfälle mit anschließender Atemnot. Roda –Roda wurde mehr und mehr zur Nebensache, denn jeder Zuhörende rätselte wohl insgeheim darüber nach, ob er
a)   noch zuwarten
b)   davon laufen    oder
c)   lieber gleich die Rettung holen sollte.

Schließlich, nach einer besonders heftigen Hustenattacke sagte der Vortragende von der Bühne her ins Dunkel des Zuschauerraumes:

„Sie dürfen gerne etwas dazu sagen: Buh! oder Pfui! oder Ojeoje!“
Atemlose Stille im Raum. Welche entsetzliche Erniedrigung und Demütigung
fügte sich da ein Mensch vor den Augen der anderen selber zu, welche Demontage an Selbstwert und Würde!
Nicht nur, dass er sich körperlich bedingt, elend fühlte, er wusste auch, dass er heute künstlerisch nichts zu bieten hatte und bat – um das Maß seines Elends voll zu machen, auch noch öffentlich um Abwertung!

Das Entsetzen im Raum war überdeutlich spürbar – es war mehr, als ich ertragen konnte. Und da niemand etwas sagen wollte, sagte plötzlich ich in die lastende Stille des Raumes:
                                         „Baldige Besserung!“

Das wirkte wie ein Zauberspruch. Der geschundene Mensch vor mir auf der
Bühne merkte auf (denn er hatte eine Rückmeldung erhalten, aber anders, als er es sich erwartet hatte), danach sagte er “Danke!“ und las weiter.
Er las immer noch nicht gut, aber doch weitaus besser.
Er las immer noch nicht deutlich, aber zumindest verständlicher.
Ja, er hustete sogar weniger – und konnte schließlich seinen Abend ohne weitere große Pannen zu Ende bringen.

Mein Herz schlug bis zum Halse, als ich an diesem Abend nach Hause fuhr, denn ich hatte nicht gewusst, dass Wohlwollen so viel bewirken konnte.

Aber nun weiß ich es, ein für alle mal:
Eine Tat der Liebe verändert die Welt, im Großen wie im Kleinen.
Und nichts und niemand ist zu gering, diese zu vollbringen oder sie zu empfangen.
Es ist eine Frage des Gefühls, dass man für einander haben muss.

Grundsätzliches Wohlwollen ist wie ein Schlüssel, der viele Türen öffnet.
Und manchmal geschehen dabei sogar kleine Wunder.
« Letzte Änderung: Dezember 09, 2010, 19:39:43 von a.c.larin »

cyparis

Re:Wohlwollen
« Antwort #1 am: Dezember 07, 2010, 06:53:38 »
Liebe larin,

ich konnte nicht weiterlesen, nachdem ich über Roda-Roda gestolpert bin.
Bitte nicht!

Er hieß Roda Roda. Das erste als Vorname, das zweite als Nachname zu verstehen.
Er hatte sich extra einen Stempel anfertigen lassen:
Ich werde ohne Bindestrich geschrieben!

Von ihm gefiel mir besonders gut
"Wilde Herren - Wilde Liebe".

Vorerst lieben Gruß!

Später les ich weiter.


cyparis :)

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

a.c.larin

  • Gast
Re:Wohlwollen
« Antwort #2 am: Dezember 09, 2010, 19:40:46 »
na, wenn dieser arme mensch sich noch im grabe umdreht.....
dann sei er doch sofort ohne bindestrich geschrieben!

lg, larin