Autor Thema: Giovanni (Sonett)  (Gelesen 649 mal)

Agneta

  • Gast
Giovanni (Sonett)
« am: Oktober 09, 2019, 12:47:42 »
Giovanni

Drei Wochen ist er da, im Kindergarten
und schaut sich jenen Laden skeptisch an.
So viele Kinder, ein paar Frauen und kein Mann
und ein paar Mütter, die beobachten und warten.

Nein, seine Mutter hat doch niemals Zeit,
und so gesehen ist ihm das ganz recht.
Ihm reift der Plan: Ein paar mach ich mir hier zum Knecht.
Er schubst und schlägt und wächst mir deren Angst und Leid.

Die Kindergärtnerin mahnt stets nur: Du, du, du.
Giovanni lächelt, hört ihr gar nicht zu.
Schon zwei Mal trat er Max das Schienbein blau.

Und nun steht vor ihm dessen Oma. Diese Frau
packt grob ihn am Pullover und holt aus.
Giovanni lächelt, denn das kennt er von zuhaus.
« Letzte Änderung: Oktober 12, 2019, 12:42:58 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Giovanni (Sonett)
« Antwort #1 am: Oktober 09, 2019, 14:47:20 »
Hi Agneta!

Inhaltlich eine sogenannte Doppelbombe!  >:D Sehr gut gemacht! Alle sind böse auf das kleine Arschloch - bis zur letzten Zeile, und dann: BOUM! Die zweite Exposion! Er ist auch nur ein hilfloses kleines Opfer! Dominoeffekt! Superb! Chapeau!
Ganz meine Rede: Für jeden kleinsten Scheißdreck (bitte entschuldige meine "wütende" Ausdrucksweise) braucht man heute schon ein Diplom oder eine Ausbildungsbestätigung - nur Kinder "erziehen" darf jeder ohne jegliche Ausbildung oder Schulung, wohl in der Annhame, "Liebe" für das Kind wäre selbstverständlich und würde schon dafür sorgen, dass mit dem empfindsamen kleinen Leben sorgsam umgegangen werde! Tja - und sowas kommt dann zuweilen dabei heraus!  :o ::) >:(

Interessant das Experiment mit den Hebern: 5566 - 5566 - 655 - 656
Mutig, denn zuerst glaubt man als Leser natürlich an einen Schnitzer, ehe man bemerkt, dass der Wechsel einem klaren Rhythmus folgt.

Nicht ganz konsequent durchgehalten ist dieser allerdings in den Terzetten: Hier solltest du entweder Zeile drei des ersten Terzetts verlängern oder Z3 des 2. Terzetts verkürzen, damit der Rhythmus des Wechsels im Gleichtakt bleibt.

Auch bei den Kadenzen gibt es ein Ungleichgewicht: alles bis auf die Zeilen 1 und 4 im ersten Quartett ist männlich. Allerdings fällt das sicher kaum jemandem auf (ich bin leider etwas pingelig bei sowas ... sorry).


Schön mit der Form gespielt und inhaltlich eine Wucht! Sehr gut mit Sternchen im Fach "Sonett für gereifte Semester"!  ;) :)
Sehr gern gelesen!

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Giovanni (Sonett)
« Antwort #2 am: Oktober 09, 2019, 19:23:04 »
du hat es genau erfasst, lieber Etich.
Auf den ersten Blick ein Gedicht über Aggression, beim näheren Hinschauen aber, und das hast du getan, eine Gedicht über Ohmacht aller, Überforderung,Hilflosigkeit.
Und man beachte: Oma holte aus... das sagt nicht , dass sie auch zuschlug.
Das Lächeln ist noch einmal ein Stilmittel.
Als Lehrer wirst du, ebenso wie ich, alle Arten von Kinderlächeln dieser Welt kennen...und sie entschlüsseln können
Diese Reaktion ist das Bindeglied und zugleich der Wendepunkt im Symbol.
Es freut mich, dass du meine handwerkliche Ausarbeitung erkannt hast und sie zu schätzen weißt.
Die Terzett-Zeilen waren, ohne zu stricken und ich wollte es klar halten, nicht auf dieselben Heber zu bringen. Hab es schon versucht, aber dann verwässert es. Darum habe ich mich entschieden, diese kleine Erdnuss hinzunehmen.

Oder fällt mir gerade ein:
letzte Zeile: Giovanni lächelt, kennt dasvon zuhaus.
Besser?
Ganz lieben Dank für deine Begeisterung und lG von Agneta
« Letzte Änderung: Oktober 09, 2019, 19:25:34 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Giovanni (Sonett)
« Antwort #3 am: Oktober 09, 2019, 20:53:56 »
Hi Agneta!

Ich persönlich würde ja eher Z3 des ersten Terzetts verlängern, sodass sich ein 656 - 656 Schema ergibt:

"Schon zwei Mal trat er Adrian das Schienbein blau." - Du kann natürlich auch jeden anderen dreisilbigen Eigennamen verwenden, falls dieser dir nicht zusagt - denn muss es unbegingt ein "Max" sein? Meines Erwachtens wäre das die einfachste und zugleich eleganteste Lösung deines Problemchens.

Und sollte es doch unbedingt ein Max sein müssen: "Schon zwei Mal trat er Max das linke Schienbein blau." - Und schon haben wir wieder einen 6-Heber!  ;) ;D

Gern geschehen!  :)

LG, eKy


PS: Ich hab sicher noch ein paar unkommentierte Werke im Archiv - wenn du dich mal revanchieren möchstest ...  ;)
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Agneta

  • Gast
Re: Giovanni (Sonett)
« Antwort #4 am: Oktober 12, 2019, 12:42:23 »
naja, Max wegen der Lautmalerei. GGG
Ich hatte in den Terzetten 6-5-5,6-5-6 zwar nicht regelmäßig im Wechsel, aber es kommen eben 5 und 6 je drei Mal vor. Jetzt weiß ichs wieder.
LG von Agneta