Autor Thema: Renegaten  (Gelesen 10485 mal)

Seeräuber-Jenny

Renegaten
« am: Januar 15, 2010, 06:52:21 »
Früher gab es Bäume dort,
die keck in die Landschaft ragten.
Doch man schaffte sie bald fort,
weil sie immerzu nur fragten.

Einer durfte im Palast
von den goldnen Tellern essen.
War er einst ein lieber Gast,
ist er heut verfemt, vergessen.

Einem wies man gleich die Tür.
Als er seinen Namen nannte,
sah man ihn nur als Satyr,
ach, wie wenig man ihn kannte.

Auch ein Prinzlein war dabei,
konnte mit dem Herzen sehen.
Kriegte Haue eins, zwei, drei,
zog es daher vor zu gehen.

Von der längst vergangnen Zeit,
von dem Erbe unsrer Väter
sang die Lyra, auch im Streit,
wurde so zum Übeltäter.

Ein ganz junger Mann war er,
wandelte auf Grodeks Wegen.
Kleine Reimer hatten’s schwer,
ihnen schlug sein Spott entgegen.

Kaiser, König, Edelmann
waren ernste, strenge Richter,
proklamierten Acht und Bann,
zeigten eherne Gesichter.

Still schwieg es, das Publikum,
grollend wetzte es das Messer.
Ist man erst ergraut und krumm,
weiß man manches vielleicht besser.

Nein, die Windsbraut fand’s nicht gut,
sah das Ungewitter kommen.
Flog dahin auf hoher Flut
mit den Fragenden und Frommen.

Übers weite blaue Meer
segeln nun die Renegaten.
Und sind alle Fässer leer,
gibt es Sprit und Satansbraten.
« Letzte Änderung: Januar 28, 2010, 20:39:33 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

a.c.larin

  • Gast
Re:Der werfe den ersten Stein
« Antwort #1 am: Januar 15, 2010, 07:26:22 »
hallo amazone,
da bin ich doch mal froh, hier auf dem großen ozean noch mal in dein fahrwasser zu kommen!
bist ja so plötzlich losgesegelt!
(da ging ja einiges ganz plötzlich los, denke ich)

ist doch immer derselbe käse. und was die jungen männer anlangt: die sind (wie auch in der natur die jungen männchen) vor allem kämpfer ums revier! und wenn mal das testosteron zuschlägt, leidet darunter alles andere.

messer zu wetzen - was sollte es bringen?
nur zuzusehen deprimiert genau so.

da ist ins ungewisse zu segeln vielleicht wirklich noch die beste lösung....
leibe, nachdenkliche grüße,
larin


cyparis

Re:Der werfe den ersten Stein
« Antwort #2 am: Januar 15, 2010, 10:50:35 »
Liebe Hoppa, pardon!
Amazone!


Sehr treffend! Hast Du jemand Bestimmten gemeint oder ist das eher allgemein gedacht?
Ich jedenfalls nehm mir Dein ausgezeichnetes Oeuvre zu Herzen.
Wäre doch gelacht....!


Lieben Gruß
von
cyparis :-*
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #3 am: Januar 15, 2010, 19:27:49 »
Hallo larin,

und so segeln wir über die sieben Weltmeere und gehen da an Land, wo es uns am besten gefällt: auf der Lyrik-Wiese!

Aye, die Ereignisse überschlugen sich - und doch wieder nicht.
Wenn ich nur an die Verfemten denke, die hier vertreten sind:  Cyparis, Alive, Mike S, Waldbaum und meine Wenigkeit.

Ich beurteile die jungen Männer anders als du. Sie sind große Idealisten.
Vielleicht schlägt eher bei dem einen oder anderen Platzhirsch das Testosteron zu?
Das gewetzte Messer gilt nämlich den jungen Männern.

Habe meinem Gedicht den ursprünglichen Titel zurück gegeben: Renegaten. Habe den Text auch erheblich überarbeitet.

Lieben Gruß
Amazone

« Letzte Änderung: Januar 16, 2010, 02:19:24 von Amazone »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #4 am: Januar 15, 2010, 19:34:44 »
Liebe cyparis,

ich freue mich, dass du mein Gedicht hier kommentieren kannst.

In die Charaktere kann sich der Leser bestimmt gut hineindenken.

Aye, nimm es dir zu Herzen, aber ärgere dich nicht. Betrachte die Dinge lieber mit dem lachenden Auge des Satirikers.
Wäre doch gelacht!  ;D

Lieben Gruß
Amazone

« Letzte Änderung: Januar 16, 2010, 00:32:50 von Amazone »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

a.c.larin

  • Gast
Re:Renegaten
« Antwort #5 am: Januar 16, 2010, 07:48:50 »
hallo amazone,
ich glaube , so unterschiedlich beurteilen wir die lage gar nicht.

junge männer - große idealisten - haben testosteron als motor. seh ich auch so.
einen antrieb und motor zu haben: gut
für sich selber ideale zu haben : auch gut
diese ideale anderen aufsetzen zu wollen um jeden preis, den es kostet : aua!

(da steht zumindest einmal fest, dass die sache ziemlich teuer wird)
natürlich kann man sich dann als "held" fühlen.
ich persönlich halte aber nur wenig vom heldentum.
helden werden meistens nur benützt - und dann rasch vergessen.

wieso du dich zu den "verfemten" rechnest, kann ich nicht nachvollziehen.
ich sehe überhaupt keine "verfemten" - nur menschen mit unterschiedlichen bedürfnissen , woraus manchmal heftige konflikte resultieren. die können sehr belastend sein und dazu führen, dass sich gruppen neu ordnen oder neue gruppierungen  bilden.
die eine gründen eine insel, die anderen nehemn platz auf der grünen wiese.
das menschliche maß ist aber immer ein maß des fehlerhaften sein, da  wie hier (weil der teufel ja bekanntlich niemals schläft)

die menschheit drängt zu neuen taten,
zu neuen ufern, kurz entschlossen.
so mancher schreit: "rehvolution!"
(und hat doch nur nen bock geschossen).


realistisch, aber nicht ohne zuversicht
larin

« Letzte Änderung: Januar 16, 2010, 08:53:37 von a.c.larin »

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #6 am: Januar 16, 2010, 14:18:01 »
Hallo larin,

hier bekommst du eine Langfassung der Renegaten zu lesen. Ich will damit deutlich machen, dass dieses Gewitter nicht aus heiterem Himmel gekommen ist, jedenfalls nicht für mich. Es hatte sich vielmehr schon länger zusammengebraut. Vorher waren auch schon andere gegangen (worden). Das fand ich nicht immer gut, und ich habe diesen Dichtern jeweils eine Strophe zugedacht.

Warum ich mich zu den Verfemten zähle? Ich habe ich immer versucht, den Standpunkt der Unbequemen zu hinterfragen und zu vertreten und wurde dadurch manchmal selbst zur Verfemten. Als ich jüngst aus Protest gegen den in meinen Augen ungerechtfertigten Rauswurf der cyparis jenes Dichterforum verließ, bekam ich als Abschiedsgruß ein süffisantes "Bon voyage" hinterher gerufen. Nur ein Einziger brachte sein Bedauern öffentlich zum Ausdruck. Wem also sollte ich dankbar sein außer diesem Einzigen?

Meine Meinung zu den Vorfällen, die zum Rauswurf von cyparis geführt haben: Früher vertrat ich in der Debatte über explizite Lyrik einen toleranten Standpunkt. In jüngster Zeit habe ich jedoch viel über die sog. Zoophilie, also den sexuellen Missbrauch von Tieren, gelesen und auch über die Verantwortung der Künstler, die diesen Missbrauch verharmlosend darstellen und salonfähig machen. Der Tabubruch beginnt für mich schon mit Schmuddel-Lyrik, die sich von niederen Motiven leiten lässt. Und ich habe Hochachtung vor cyparis, die in dieser Frage niemals locker lässt - insbesondere, wenn diese Art von Kunst in Foren ungeniert und unwidersprochen präsentiert wird.

Was die jungen Männer betrifft, so beurteile ich die Lage anders. Nein, sie wollten ihre Ideale nicht anderen aufsetzen. Sie haben nur mal genauer hingesehen, wie es in Gedichteforen durchaus üblich ist. Was soll an dezidierter Kritik falsch sein? Sie kann doch nur nützlich sein.

Über all diese Fragen war eine Debatte nur sehr schwer möglich. Mehrheit und Minderheit vertraten gegensätzliche Standpunkte und konnten sich darüber nicht verständigen. Darüber kam es zum Zerwürfnis.
Der Versuch eines herrschaftsfreien Diskurses ist erst mal misslungen.

Lieben Gruß
Amazone

« Letzte Änderung: Januar 20, 2010, 16:12:34 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

a.c.larin

  • Gast
Re:Renegaten
« Antwort #7 am: Januar 16, 2010, 14:33:02 »
hallo amazone,
ich schreib dir ne mail!

lg, larin

cyparis

Re:Renegaten
« Antwort #8 am: Januar 17, 2010, 00:59:11 »
Liebe Amazone - Seeräuber-Jenny!

Welch eine gute Erweiterung des Originalgedichtes!
Hier werden - wenn auch nicht namentlich -
Roß und Reiter genannt.

Dein Mut ist aller Ehren wert, denn wer will (und es wollen wohl viel Neugierige!),
kann sich erkennen,

die Gewürdigten werden sich wiedersehen.
Darüber freuen.


Mein dankbares Erstaunen gilt
Deiner so impulsiv-raschen Dichtkunst!

Bereicherten Gruß
von
cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Waldbaum

  • Gast
Re:Renegaten
« Antwort #9 am: Januar 17, 2010, 01:19:01 »
Dazu möchte ich zitieren:  :)



Zitat von: Waldbaum
Dieses Gedicht sei dem edlen Prinzen Nevis gewidmet, der andernfors mutig gegen die finsteren Mächte der Doppelpost-Feinde zu Felde zieht. :)


-------------------------------------------------


Ihr kennt Prinz Eugen und seine Brücke?

Gut.

Nun höret also die Geschichte von Prinz Nevis und seinem Faden


----------------------------------------------------




Prinz Nevis, der edle Ritter

Zelte, Posten, Werdarufer
dunkle  Nacht am Forumsufer
User stehn im Kreis umher

angebunden an den Pflöcken
An den engen Sattelböcken
hangen Federhalter schwer.

Neben seinem müden Schecken
ruht auf einer woll´nen Decken
ein Karls-Ruher ganz allein:

"Lasst die Verse, laßt die Reime!
Ist doch alles nur Geseime.
Und nun höret meinen Reim.

Vor drei Tagen die Affäre
hab'ch zu Nutz der ganzen Herde
in gehör´gen Reim gebracht

Loewe hat  gesetzt die Noten
drum, ihr User:  Still die Pfoten!
Merket auf und gebet acht!"

Und er singt die neue Weise
einmal, zweimal, dreimal leise
denen Forumsleuten vor

und wie er zum letzten Male
endet, bricht mit einem Male
los der volle, kräft´ge Chor:

Prinz Nevis, der edle Ritter;
wollt dem Forum wiedrum kriegen
Doppel- und auch Dreifach-Posts.
 
Er ließ öffnen einen Faden,
dass man kunnt die Sach beraten,
und er fragte  nit: "Was kost's?"
 
Als der Faden nun war offen,
und man kunnt zu Rechte hoffen,
dass die Freiheit sei nit weit,
 
doch viel Volks wollt nit die Gaben,
lieber streng' Verbote haben,
war zur Freiheit nit bereit.
  :???:
 

Prinz Nevis, der edle Ritter!
Hei, das klang wie Ungewitter
weit ins Admin-Lager hin.

Der Karlsruher tät den Schnurrbart streichen
und sich auf die Seite schleichen
zu  ner netten Userin. :)

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #10 am: Januar 17, 2010, 01:51:13 »
Lieber Waldbaum!

Mit einem Schmunzeln erinnere ich mich an dieses majestätsbeleidigende Gedicht, das damals für viel Empörung sorgte!
Die Doppelpost-Regel ist eben ein ehernes Gesetz, da gibt es nix dran zu rütteln.

Lieben Gruß
Amazone
« Letzte Änderung: Januar 17, 2010, 01:57:07 von Amazone »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #11 am: Januar 17, 2010, 01:56:27 »
Liebe cyparis,

auf dass Ross und Reiter niemals in Vergessenheit geraten!

Lieben Gruß
Amazone
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Waldbaum

  • Gast
Re:Renegaten
« Antwort #12 am: Januar 17, 2010, 01:58:45 »

Seeräuber-Jenny

Re:Renegaten
« Antwort #13 am: Januar 17, 2010, 02:07:44 »
Danke, edler Ritter!  :)
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Renegaten
« Antwort #14 am: Januar 17, 2010, 02:18:26 »
Hei, Seeräuber-Jenny -Amazone!

Hie sieht man Roß uund Reiter...
da wurde manche Schlacht geschlagen.
Doch die wahren Dichter, Streiter,
blieben bei dem wahren Wagen.

Die feingespitzen Sporen stechen nicht,
sie bleiben, wie bei Hähnen, stecken
und wenn sich Richters Zähne blecken:
W i r  halten anderes Gericht!

Wir lassen hinter uns Gemeines.
Wir lieben Lyrik und Gedicht.
Und weil uns Niedres hier nicht ficht,
bleibt Reines uns, den Reinen.



17.01.2001
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte