Freitag, 3. Mai
Den ganzen Vormittag über konnte ich meine Aufregung kaum in Grenzen halten. Seltsam, dachte ich, ich bin doch schon des Öfteren verreist, woher kommt nur diese plötzliche Nervosität - so, als ginge es das erste Mal in eine anderes Land....
Nach einigem Bitten und Betteln hatte ich meine bessere Hälfte dazu überredet, sich auch einmal mit mir auf ein Schiff zu wagen. Mit dem Hinweis: Jetzt, oder nie - wer weiß, wann sich uns wieder einmal im Frühling dazu die Gelegenheit bietet? - hatte es dann auch geklappt.
Überpünktlich, um 15 Uhr betraten wir das Schiff, das in Nussdorf bei Wien vor Anker lag. Ich hatte rosige Wangen und ein gewisses Kribbeln im Bauch.
In etwa anderthalb Stunden sollte es losgehen!
Mittlerweile hatte sich der Wettergott auf unsere Seite geschlagen und ein frischer Wind fegte die Wolkendecke, die am frühen Morgen noch als dichter Nebel über Wien gehangen hatte, einfach fort. Sonne!
Wer hätte das noch vor drei Stunden gedacht?
Nach einer kurzen Inspektion der kleinen Kabine (9 Quadratmeter- aber sehr geräumig eingerichtet, mit großem Fenster) setzten wir uns in die Lounge und tranken Kaffee. (Also, ich trank Kaffee - und der Liebste bekam erst Mal ein Küsschen, das konnte jetzt nicht schaden, gewissermaßen als Vorschuss für alle weiteren Wünsche, deren Erfüllung noch in den Sternen steht...)
Ein Blick auf das mitreisende Publikum zeigte uns, dass der Altersschnitt etwa bei 70 Jahren, also deutlich über dem unseren lag, was aber keineswegs die Stimmung trübte. Die Mitfünfziger waren hier die Jugendlichen unter den Seefahrern.
Eine halbe Stunde später wurden die Sitzplätze im Speisesaal verteilt.
Auch dabei hatten wir Glück, denn das Ehepaar, das fortan mit uns den Tisch teilte, war etwa in unserem Alter.
Folgsam hörten wir uns die Sicherheitshinweise an, ließen uns den Tagesablauf erklären und begaben uns dann aufs Sonnendeck.
Das Schiff legte pünktlich um 17 Uhr ab, vorbei am Milleniumstower, am Donauturm und an der mehr und mehr futuristisch anmutenden Skyline von Kaisermühlen. Dieser einstmals eher provinziell verschlafene Teil des 22. Wiener Gemeindebezirkes ist in dem letzten 20 Jahren zum modernsten Stadtteil mutiert. Der Bau der Donauinsel, der Copa Cagrana (ein Vergnügungsviertel an den Ufern des Entlastungsgerinnes) und die vielen neuen Büro -und Wohntürme am linken Donauufer haben wesentlich dazu beigetragen.
Wien - und damit meine ich das Zentrum der Stadt - liegt ja eigentlich nicht an der Donau, nicht dort, wo jetzt der Hauptverlauf des Stromes ist, sondern am Donaukanal.
Die Donau wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts begradigt.
Davor floss sie in vielen Verzweigungen nordöstlich der Stadt vorüber, was hier auch immer wieder zu verheerenden Überschwemmungen geführt hat.
Der heutige, in ein enges Bett gezwängte Donaukanal, war früher einmal einer der Hauptarme. Er berührt auch heute noch den Stadtkern, also den ersten Bezirk. Wer diesen sehen will, muss sich also auf jeden Fall erst Mal ausschiffen.
Nach dem Begrüßungstrunk auf dem Oberdeck genießen wir noch eine Weile den Blick auf die uns wohl vertraute Stadt. In der Schleuse Freudenau (eine der vier Schleusen, die wir auf unserer Fahrt durchqueren ) heißt es erstmals : Warten!
Um 19 Uhr wird im Speisesaal das viergängige Abendessen serviert. Man kann wählen zwischen zwei Vorspeisen, zwei Suppen, vier Hauptspeisen und drei Nachspeisen! Weil wir nicht zerplatzen wollen, beschließen wir gleich, dass wir einen Gang weglassen und entscheiden uns für Tomatencremesuppe, Kabeljaufilet mit schwarzen Nudeln und "Donauwellen" (einer Fruchtschnitte).
Zum Glück haben wir heute das Mittagessen ausgelassen!
Danach genießen wir den Rest des Tages auf dem Sonnendeck. Mittlerweile zieht ein empfindlich kalter Wind über das Wasser, ein recht frisches Lüfterl bläst uns um die Ohren.
Daher bin ich über meine etwas dickere, winddichte Jacke und das breite Schaltuch sehr froh.
Am linken und rechten Donauufer ziehen die Bäume des "Nationalparks Donauauen" an uns vorbei. In den frühen Achtziger -Jahren des vorigen Jahrhunderts haben Naturschützer darum gekämpft, dass diese Landschaft nicht dem Bau eines Kraftwerkes zum Opfer fällt. In der Au bei Hainburg haben sie sich an Bäume gekettet und sich vor die anrollenden Bulldozer gelegt.....Mit Erfolg, was ihre sache angeht.
Nach und nach kriecht die Dämmerung über den Himmel.
Die Grenzstadt Petronell/ Deutsch Altenburg passieren wir bereits bei beginnender Dunkelheit. Hier gab es schon zur Zeit der Römer ein Befestigungslager. Die Donau, als Nordgrenze des römischen Imperiums, wurde immer gut bewacht!
Zur Zeit des Ansturmes türkische Heere wurde Hainburg, die jetzigen Grenzstadt, fast völlig von den Türken entvölkert. Nur 8 Einwohner überlebten das Gemetzel. Einer davon war der Vater von Joseph Haydn. Er hatte sich in einem Schornstein versteckt.
Ja, unser Reiseleiter Dieter weiß eine Menge interessanter Geschichten zu erzählen!
Als wir an der Einmündung der March vorbeifahren, ist es schon ganz dunkel geworden.
Leise verschwindet sie und die Befestigungsanlage, die sich am Nordufer befindet, in der Dunkelheit. Ein Bild, das sich mir tief einprägen wird, weil mich plötzlich eine seltsame Wehmut erfasst: Das Land in dem ich geboren und aufgewachsen bin, entgleitet hinter einer Flussbiegung in die Nacht……..
Zum Heimweh haben bleibt aber weder Zeit noch Anlass:
Um ca. 21. Uhr erreichen wir Bratislava, das sich uns in Festbeleuchtung zeigt.
Wir kennen es schon von einem Tagesausflug mit dem Twin-City-Liner, den wir vor ein paar Jahren gemacht haben. Damals waren noch rege Renovierungstätigkeiten im Gange - mittlerweile ist die Burg von Bratislava vollständig neu hergerichtet und zeigt sich nächtens von ihrer schönsten Seite.
Jetzt wird es Zeit für ein kurzes Telefonat mit daheim: Ja, alles in Ordnung, uns geht’s auch prächtig. Wir sind gut versorgt und die internationale Crew kümmert sich bestens um uns.
Morgen werden wir Budapest erreichen. Wir freuen uns schon drauf!
Fortsetzung folgt!
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