Autor Thema: Sternenlichtsonett  (Gelesen 1577 mal)

Meishere

  • Gast
Sternenlichtsonett
« am: August 22, 2014, 10:40:33 »
In jeder düstren Nacht und dunklen Stunde
erleuchtet deinen Weg ein Stern dort oben.
Hat dich das Leben auch so oft belogen,
das Sternenleuchten heilt dir jede Wunde.

Zu jeder finstren Zeit in meinem Leben
gibt es ein Licht, das weist mir meine Richtung.
So finde ich im Trauerwald die Lichtung,
die mich erfüllt in allem meinem Streben.

Und treffen diese Lichter dann zusammen
verschwindet auch die letzte dunkle Stelle.
Es lodern nur noch all die hellen Flammen.

Sie sind für uns des Lebensglückes Quelle.
Sobald sie jede Dunkelheit verdammen,
entfliehen wir zu zweit ins Sternenhelle.



[Metrische Korrektur dank Gummibaum. "Während" -> "Sobald"]
« Letzte Änderung: August 23, 2014, 17:31:26 von Meishere »

horstgrosse2

Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #1 am: August 22, 2014, 14:06:34 »
@Meishere


Grüße.

Metrik:

Sonnet: These, Antithese, Synthese. Ist ok.

Vorschläge:
gibt es ein Licht, das weist mir jede Richtung.
gibt es ein Licht, das weist mir meine Richtung.

So finde ich im Trauerwald die Lichtung,
So find ich auch im Trauerwald die Lichtung,
verlier auch nicht im Trauerwald die
so spüre ich im Trauerwald



Zitat:
Zu jeder finstren Zeit in meinem Leben
gibt es ein Licht, das weist mir jede Richtung


„finstren“ Zeile eins.
 Ist zwar logisch und richtig. Aber bezogen auf das heilende oder führende Licht, wäre „kalten“ vielleicht besser.

 
Und ebenfalls (zurück zur ersten Zeile): „düster“ und „dunkel“ sind vom Empfindungsgrad nah beisammen. Es wäre möglich eines zu ändern. Möglich kein muss.

Zitat: Es leuchten nur noch all die hellen Flammen.

Zu bieder, warum nicht kraftvoller?

Dann brechen Gluten aus,/ die Liebesflammen/ die heißen Flammen


Return und Fazit:

Das Sonett ist metrisch ok, auch die Bilder funktionieren. Aber das Feuerchen ist ne Spur zu anständig.
Und ich glaube, die Fantasie und das "Feuer" wurden etwas gebremst, durch die Metrik. Ich kenne das auch manchmal, aber ich kenne auch die Lösung.
Erst druckvoll, und frei schreiben, dann versuchen das Metrum zu glätten. Oder es belassen.

 Tschüss.

« Letzte Änderung: August 22, 2014, 14:14:49 von horstgrosse2 »

Meishere

  • Gast
Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #2 am: August 22, 2014, 15:33:34 »
Grüße zurück horstgrosse,

immmer wieder bin ich überrascht und beeindruckt, wie ausführlich man sich hier mit den Werken beschäftigt.

Deinen ersten Vorschlag nehme ich dankend an, da mir diese Stelle selbst nicht gefiel ("jede" Richtung ist leicht missverständlich). Manchmal muss es das Auge eines anderen sein, das das richtige Wort findet.

Nachtrag: Jetzt ist mir wieder eingefallen, was für mich gegen "meine" sprach. Jetzt habe ich eine dreifache Wiederholung dieses Wortes im Quartett. Wie sind die Meinungen dazu?

Deine anderen Vorschläge finde ich nachvollziehbar, aber möchte sie nicht übernehmen. Ich bin grundsätzlich eher dagegen allzu viel zu ändern. Auch Fehler gehören zum Leben dazu, gerade zur Liebe ;)
Allerdings muss ich auch sagen, dass es mir nicht um die "Hitze", sondern eben um das "Licht" ging. Der platonische Teil einer Liebe?

Was das bremsende Metrum angeht, hast du sicherlich recht.
Wenn ich vorhabe ein Sonett zu schreiben, so fällt es mir sehr schwer nicht automatisch in 10- bzw. 11-silbigen Versen zu denken.
Das sollte ich wohl überwinden, ein sehr interessanter Ansatz. Danke auch dafür!

LG,
Meishere
« Letzte Änderung: August 22, 2014, 15:35:44 von Meishere »

cyparis

Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #3 am: August 23, 2014, 11:11:34 »
Lieber Meishere,


horstgrosse2 hat ja schon ziemlich erschöpfend kommentiert, sicher auch hilfreich.
Ich selbst finde das Gedicht überhaupt nicht saft- und kraftlos bzw. zu unleidenschaftlich, denn ich hatte ebenfalls die eher platonische als die hochsinnliche Liebe vor Augen.

Was Sonette betrifft >(die ich nicht "kann") -
Deines finde ich höchst gelungen, aber ich falle den Meistern der Metruk-Analyse nicht ins Wort.
Und haben sich die strengen Sonettregeln nicht in den letzten Jahren gelockert? (Das käme mir sehr entgegen!).
Für mich ist viel wichtiger, wie schön ein Text geschrieben ist und wie wortgewandt der Inhalt sich präsentiert.

Für mich (ich bin analytisch unbegabt) ist das Gedicht sehr schön.


Lieben Gruß
von
Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #4 am: August 23, 2014, 14:27:52 »
Hi, Mei!

HG hat ja schon sehr gut kommentiert. Auch mir gefällt das Sonett ebenso wie Cypi.

Woran es liegt, dass es ein wenig brav wirkt? Mag sein, die kurzen Sätze wirken etwas bieder - in längeren Konstrukten lässt sich eindrucksvoller mit Sprache spielen.

In diesem Sinne möchte ich auch anraten, den Punkt am Ende von S3Z2 durch ein Komma zu ersetzen und die Folgezeile als nunmehrigen Satzteil klein zu beginnen, sowie das "leuchten" durch ein intensiveres "lodern" zu ersetzen. Oft macht nämlich auch die richtige Wortwahl erst den Unterschied zwischen brav Heruntergeschriebenem und einem furiosen Feuerwerk innigst vermittelter Gefühle! ;)

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #5 am: August 23, 2014, 14:58:00 »
Ja!


Auch platonische Liebe kann lodern!!!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

wolfmozart

Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #6 am: August 23, 2014, 15:40:10 »
Gefällt gut, dieses klassiche kleine Werk.

Besonders schön: So finde ich im Trauerwald die Lichtung

LG wolfmozart

Meishere

  • Gast
Re:Sternenlichtsonett
« Antwort #7 am: August 23, 2014, 17:29:52 »
Oh, solch Kommentarflut! :)

@Cyparis: Ich danke dir. Es freut mich, dass es dir gefällt :)
Was die Sonettregeln angeht: Es ist ja immernoch Kunst, also wird es wohl niemanden ernsthaft stören, wenn du dir deine eigenen Sonettregeln zurechtlegst! Gerade in unserer modernen Welt sollte das möglich sein. Solange grundlegendes erkennbar ist (2 Quartette, 2 Terzette bspw.? Da gibt es ja schon das englische Sonett! Wer möchte Shakespeare vorwerfen ein schlechter Dichter gewesen zu sein?) würde ich dir immer die Bezeichnung Sonett zugestehen. Aber auch ich bin kein Experte und demnach wohl aufgeschlossener als so mancher Analytiker ;)
Sicherlich kann man da eine Grundsatzdebatte draus machen!

@eKy: Ich danke für deine Vorschläge. "lodern" gefällt mir tatsächlich auch sehr gut! Ich hoffe ich stoße horstgrosse nicht vor den Kopf, wenn ich diesen übernehme.
Zum Komma statt Punkt: Selbstverständlich möglich. Ich habe aber gefallen an der Form der beiden Terzette gefunden. Ein Satz, zwei Verse. Zwei Sätze, je ein Vers. Ein Satz, zwei Verse.
Das ist aber tatsächlich nur eine kleine Spielerei, daher überlege ich das Komma einzufügen. Danke dir!

@wolfmozart: Auch dir mein Dank. Und auch mir gefällt dieser Vers sehr. :)

LG,
Mei  (<- Warum nicht? :P)
« Letzte Änderung: August 23, 2014, 17:32:30 von Meishere »