Autor Thema: Fremdbestimmt  (Gelesen 1504 mal)

Aspasia

  • Gast
Fremdbestimmt
« am: Oktober 23, 2014, 12:53:45 »
Die andern sind’s! Ich bin nicht schuld,
dass ich an dürren Fäden hänge
in Duldung der Bewegungsenge,
im Hochmut ihrer eitlen Huld.

Ich bin ein Opfer der Dressur,
Erfüller gnadenlosen Willens,
der Stiefelknecht des Wünschestillens
im Reich brutalster Diktatur.

Ich bin für sie nur ein Stück Holz,
geschnitzt, der Macht und Gier zu dienen
auf endlos langen, schmalen Schienen,
ein Untertan ganz ohne Stolz.

Ich bin nicht schuld! Die andern sind’s,
die meinen Lebensweg bewachen,
dagegen kann ich gar nichts machen:
Man gab mir das Gemüt des Rinds.
« Letzte Änderung: Oktober 23, 2014, 14:29:59 von Aspasia »

Erich Kykal

Re:Fremdbestimmt
« Antwort #1 am: Oktober 23, 2014, 14:15:39 »
Hi, Aspasia!

Gut gedichtet - die Feigen, die Kleingeistigen, die Spießer: Gut portraitiert!

Tipps:

S1Z3 - "in peinlicher Bewegungsenge," (bei dieser Version Komma am Ende der Vorzeile streichen). Dein Satz ist inversiv und klingt gespreizt.
Z4 - "im Hochmut ihrer eitlen Huld." Diese Zeile muss dann nur ganz leicht angepasst werden.

S3Z3 - "kalten" statt "schmalen" ergibt für das Bild mehr Sinn.

S4Z2 - "die über mein Erleben wachen,". Es sollte entweder "die über meinem Leben stehen" heißen oder "die über mein Leben wachen". Mein Angebot passt metrisch.


Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Aspasia

  • Gast
Re:Fremdbestimmt
« Antwort #2 am: Oktober 23, 2014, 14:42:17 »
Danke, Erich. Aufgrund Deiner Monierungen habe ich einige Änderungen gemacht.

"... in peinlicher Bewegungsnot ..." finde ich allerdings metrisch und inhaltlich nicht passend. Das LI weist alle Schuld von sich, sein Zustand ist ihm nicht peinlich, sondern ein Zwang von außen, dem er aus Bequemlichkeit gar nicht entfliehen will.

Auch will ich es bei "schmal" belassen, denn dieses Wort soll noch einmal das Bild von der eingeengten Bewegungsfreiheit aufgreifen.

Zum Inhalt:

Mir geht im Augenblick mal wieder das Gemecker und die chronische Unzufriedenheit einiger Zeitgenossen auf den Wecker, die meinen, immer noch nicht genug von der "Gesellschaft" und vom "Staat" gehätschelt zu werden, obwohl es ihnen irre gut geht. Statt ihr Glück zu erkennen und sich darüber zu freuen, tun sie so, als seien sie nur von Feinden umzingelt.

Lieben Gruß
Aspasia

Erich Kykal

Re:Fremdbestimmt
« Antwort #3 am: Oktober 23, 2014, 18:26:55 »
Hi, Aspasia!

Die andern sind's! Ich bin nicht schuld,
dass ich an dürren Fäden hänge
in peinlicher Bewegungsenge,
im Hochmut ihrer eitlen Huld.


Entschuldige, aber metrisch stimmt das exakt! Sowas lass ich mir nicht nachsagen, dass ich kein "Takt"gefühl hätte! ;) :D Keine Ahnung, wieso du auf "Bewegungsnot" kommst - das habe ich nie geschrieben!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 23, 2014, 18:29:00 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Aspasia

  • Gast
Re:Fremdbestimmt
« Antwort #4 am: Oktober 23, 2014, 18:38:03 »
Stimmt, Erich, "Bewegungsnot" hast Du nicht geschrieben, das ist mein Fehler. Mangelnde Aufmerksamkeit meinerseits - sorry.

Metrum: Ich lese "peinlicher" mit einer betonten Anfangssilbe und zwei folgenden unbetonten Silben. Das ist für mich kein Jambus, sondern ein Daktylus. Aber vielleicht stimmt mit meinem Taktgefühl etwas nicht.

Nicht böse sein, ich habe ja versucht, Deine Kritik aufzugreifen und nach Lösungen zu suchen. Vielleicht ist es nicht meine letzte Überarbeitung. Ich muss ohnehin an fast alle meine Gedichte nochmal ernsthaft ran.

Danke nochmal, Du bist grundsätzlich eine große Hilfe, weil Du es verstehst, den Finger an Wunden zu legen, die ich im ersten Moment gar nicht spüre.

LG
Aspasia

cyparis

Re:Fremdbestimmt
« Antwort #5 am: Oktober 26, 2014, 17:55:00 »
Hallo, Aspasia -


da ich ein ziemlich zufriedener und obendrein genügsamer Mensch bin und die von Dir geschilderten Miesepeter so gut wie nicht kenne, ist Dein Gedicht für mich ein interessantes Experiment - auch von der Wortwahl her.


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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