Autor Thema: Verschneiter Schlossparkbrunnen  (Gelesen 1417 mal)

Erich Kykal

Verschneiter Schlossparkbrunnen
« am: Januar 25, 2017, 13:07:53 »
Durch tiefen Schnee muss man zum Brunnen steigen,
die Schalen ragen reglos in den Winter,
die Marmorfische sprudeln nicht, und hinter
den leeren Mäulern nistet kaltes Schweigen.

Der lichte Vorhang steigender Fontänen,
wie traurig fehlt er dem ergrauten Bilde,
und ihrer blauen Wasser weiche Milde
der harten Stille solcher Winterszenen!

Man stapft vorbei und zieht den Kragen enger,
vermisst die Tropfenspiele der Kaskaden,
das helle Zwitschern trauter Minnesänger -

und sehnt sich fröstelnd weiter nach den Zeiten,
da Kinder wieder ihre Füße baden
und Paare Arm in Arm vorüberschreiten.
« Letzte Änderung: August 05, 2021, 10:03:59 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Verschneiter Schlossparkbrunnen
« Antwort #1 am: Januar 26, 2017, 21:21:32 »
Hallo Erich,

wundervolle Zeilen. Rilke hätte es nicht vollendeter schreiben können. Beim Lesen fröstelt es mich . Doch erwecken deine Zeilen  auch die Vorfreude auf den Frühling in mir.
Ich lese und erlebe es. Dafür mein Dank,

LG. Copper

Erich Kykal

Re: Verschneiter Schlossparkbrunnen
« Antwort #2 am: Januar 26, 2017, 21:39:00 »
Hi Copper!

Vielen Dank für das Kompliment mit Rilke - eine besondere Ehre für mich!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Verschneiter Schlossparkbrunnen
« Antwort #3 am: Januar 29, 2017, 01:03:47 »
Hallo Erich,

das Gedicht weckt wieder die Gefühle, die ich sie neulich im Bayreuther Schossgarten hatte, als Schnee um die schweigenden Brunnen lagerte. Der Bogen zu den Bildern im Sommer ist wirkungsvoll gespannt.

Toll gemacht.

LG gummibaum


Erich Kykal

Re: Verschneiter Schlossparkbrunnen
« Antwort #4 am: Januar 29, 2017, 10:22:06 »
Hi Gum!

Nicht mein erstes Brunnengedicht, und nicht mein erstes über Winterbrunnen. Möglicherweise aber das erste in Sonettform ...

Das Bild hat mich immer schon fasziniert. Im Gegensatz zur nur schlafenden Natur erscheint der verschneite Brunnen dysfunktional und tot, all seines Zaubers beraubt. Die Illusion der natürlichen Quelle funktioniert nicht mehr - nur ein von Menschen gemachtes Ding, ein der Natur aufgezwungener Fremdkörper, der ohne ihn nicht existent sein kann, keine Daseinsberechtigung hat. Was bleibt, sind seltsam deplatziert wirkende Relikte, die unter dem Schnee der Zeit verschwinden ...

Nur so lange es Menschen gibt, erwacht auch der Brunnen wieder zu behauptetem Leben, tröstet das Bild wie die immer neu erwachende Natur. Ein Faszinosum!

Vielen Dank für deine lobenden Worte!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 29, 2017, 13:17:52 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Verschneiter Schlossparkbrunnen
« Antwort #5 am: Januar 29, 2017, 11:42:30 »
Deine Gedanken um das artifizielle Leben und Sterben des Brunnens gefallen mir.

LG g