Autor Thema: Der neue Weg  (Gelesen 1914 mal)

Agneta

  • Gast
Der neue Weg
« am: September 28, 2017, 20:06:16 »
Der neue Weg


So lange Wege weist doch jeder Morgen,
der unsichtbare Schatten in sich trägt.
Von einer schwarzen Nacht ihm auferlegt,
umfängt er dich mit zweifelnd süßem Sorgen.

So schwere Wege bist du schon gegangen
und immer kämpftest du die Schatten nieder.
Im bunten Kleide kommen sie nun wieder,
im Alter birgt ein neuer Weg auch Bangen.

So wird dein Weg dein letzter kühner Schritt,
der deinem Leben frische Farben leiht,
das ruhelose Ich der Freiheit weiht

im letzten, mutig selbst gewählten Schnitt.
Den Duft der trauten Bäume nimmst du mit.
Längst weiß die Seele: Es ist an der Zeit.

« Letzte Änderung: September 29, 2017, 00:13:34 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Der neue Weg
« Antwort #1 am: September 28, 2017, 21:17:56 »
Hi Agneta!

Schönes Sonett!

S1Z1 - Wäre "So lange Wege weiß dir jeder Morgen," nicht verständlicher?

S1Z3 - Nach Komma klein am Zeilenanfang. Allerdings wäre ich ohnehin dafür, am Ende von Z2 einen Punkt zu setzen.

S1Z4 - Das "fängt" am Zeilenanfang ist problematisch, da es betont sein möchte. Mit "umfängt er dich mit ..." wäre das wunderbar gelöst.

S2Z1 - Klanglich schöner: "und kämpftest immer jene Schatten nieder."

S3Z1 - Wortwiederholung "Weg" mit Vorzeile. Für einen der Wege solltest du ein anderes Wort finden.


Ist von Schatten des Todes die Rede? Aber welche bunten Kleider sind gemeint, in denen die Schatten wiederkehren? Ein Weg, der Farben leiht? Die Terzette sprechen von einem Aufbruch ins Neue - ein Übergang, ein Sterben - oder nur ein neuer Lebensabschnitt? Der "letzte kühne Schnitt" könnte ein Suizid sein oder eine Abnabelung.

Ich muss gestehen, die wahre Bedeutung der Zeilen bleibt mir verborgen, so schön formuliert sie auch sind.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Der neue Weg
« Antwort #2 am: September 29, 2017, 00:11:38 »
Lieber Erich,

ich danke dir für deine intensive Befassung mit meinem Werk.
"Die Terzette sprechen von einem Aufbruch ins Neue - ein Übergang, ein Sterben - oder nur ein neuer Lebensabschnitt? Der "letzte kühne Schnitt" könnte ein Suizid sein oder eine Abnabelung." Inhaltlich hast du ihm gut nachgespürt. Manche lesen, je nach Leser und Gemütslage in der Tat einen Tod heraus, was ich nicht beabsichtigt hatte und interpretieren die bunten Kleider als die des Herbstes. Hätte ich es so gemeint, hätte ich es unter "Finsteres" gestellt. :). Dennoch überlasse ich es jedem Leser, was er sich aus einem Werk mitnimmt.

In der Tat aber steckt ja in jedem neuen Weg ein Abschnitt, ein Ende des Vorherigen, was nicht leicht fällt, besonders im Alter nicht. Dennoch verspricht dieser Weg auch neue Farben, wenn man ihn freiwillig geht und nicht ins Altenheim abgeschoben wird. :)
Inspiriert war dieses Werk hier von meinen Gedanken, noch einmal umzuziehen, damit meiner Nomadenseele noch einmal nachzugeben und doch auch wirtschaftlich vorteilhaften und familiären Bedürfnissen zu folgen. Insofern kommst du mit der Abnabelung schon hin.

Von einem Haus auf eine Wohnung umzusteigen, wenn man das Haus auch liebt, ist  nicht leicht. dennoch habe ich schon eine Idee( neue Farben),mir ein Schrebergärtchen zu mieten. ;D.Die Aussicht, meinen Enkel jeden Tag zu sehen, tut ihr Übriges.

Deine formalen Tipps überdenke ich gerne. Der Weg ist wichtig und tragend, darum soll er drei Mal bleiben.
Umfängt ist besser als fängt, ursprünglich hatte ich umhüllt.
Das weisen ist mir schon wichtig, obwohl wissen etwas poetischer wäre...

Ich habe es nun ein wenig abgeändert...

Danke dir und lG von Ageta

« Letzte Änderung: September 29, 2017, 00:18:26 von Agneta »

cyparis

Re: Der neue Weg
« Antwort #3 am: September 29, 2017, 11:59:25 »
Oh, Agneta -

wie traurig stimmt dieses vollendete  Sonett!
Es fließt ins Herz und macht mich vor Wehmut beinahe verstummen.

Man möchte Der Dichterin zurufen: Halt ein, halte ein!
Aber wer bin ich, daß ich zurufen dürfte?
Der letzte Vers verbietet jegliche Einmischung.

Melancholischen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Agneta

  • Gast
Re: Der neue Weg
« Antwort #4 am: September 29, 2017, 14:38:32 »
Liebe Cyparis,

dein empathischer Kommentar berührt mich zutiefst und vielleicht hast du mich da ganz kalt erwischt…. :) Letztendlich schreibt oft ja in unseren Gedichten das Unterbewusstsein mit. Dein „Halt ein“ trifft mich irgendwo ganz tief drinnen. Und alle geneigten Leser spürten eine große Wehmut in den Zeilen, die ich eigentlich gar nicht so extrem beabsichtigt hatte. Das macht mich sehr nachdenklich.
Dies bringt mich zu dem Gedanken, dass man vielleicht in der „Umtriebigkeit“ des Handelns oder des „Meinens, handeln zu müssen“ seine Seele zu manipulieren versucht und sich etwas einredet, was man eigentlich doch nicht will.
Ich hänge sehr an diesem Haus. Wohne seit 30 Jahren hier.  Es war immer meine „Burg“ mit seinen dicken Backsteinmauern und seinem weiten, uneinsehbaren, stillen Garten, angrenzend an das Naturschutzgebiet. Ich liebe das Land, in der Stadt fühle ich mich falsch. Nach dem Tod meines ersten Mannes habe ich wie eine Blöde geschuftet, habe mich selbstständig gemacht, um es halten zu können. Nun müsste ich es für den neuen Weg verlassen.
Ich liebe aber auch meinen Enkel und möchte viel Zeit mit ihm verbringen. Da meine Tochter allein erziehend ist, braucht sie meine Hilfe. Oft ist er hier, aber so 3-4 Tage und Nächte ist einem mit 60 zu viel auf Dauer, da er nachts mit knapp 2 Jahren schlecht schläft. Das mache ich nun seit 1 Jahr. Sie muss ja arbeiten.
Es gibt viele Argumente dafür und dagegen. Wohnungsknappheit in der Stadt, unbezahlbare Preise. Die Wohnanlage, wo meine Tochter wohnt, ist schön, aber da stehen 150 Leute für eine Wohnung auf der Warteliste. In Eigentumswohnungen darf ich meinen geliebten Hund nicht mitnehmen. Ich muss mich aber auch wohl fühlen dort, kann nicht irgendwas nehmen, was gerade frei ist. :-\
Diese schon fast frenetische Suche mag übertünchen, was meine Seele wirklich zu einem Auszug und Hausverkauf sagt…- da hast du wohl sehr empathisch gelesen.
Danke dafür. Deine Worte werden mich nochmals nachdenken und in mich gehen lassen.
Ich bin dir sehr dankbar, liebe Cyparis.
LG von Agneta




« Letzte Änderung: September 29, 2017, 14:45:05 von Agneta »

wolfmozart

Re: Der neue Weg
« Antwort #5 am: Oktober 07, 2017, 11:56:21 »
Ein sehr melancholisch stimmes Gedicht, Agenta.
Sehr lyrisch und man merkt persönliche Herausforderungen dahinter.

Ich wünsch dir in deinem Weg viel Mut und Kraft, dass sich alles zum Besten wendet.

LG wolfmozart

Agneta

  • Gast
Re: Der neue Weg
« Antwort #6 am: Oktober 07, 2017, 19:37:16 »
Lieber Wolf,
ich danke dir für deine netten Zeilen und freue mich darüber. Ja, Mut und Kraft wird es brauchen und etwas Gottesfügung vielleicht...
LG von Agneta

cyparis

Re: Der neue Weg
« Antwort #7 am: Oktober 09, 2017, 09:39:46 »
Liebe Agneta,

meine Gefühle führen mich nur ganz selten in die Irre. Und bei Deinem Gedicht habe ich gefühlt, daß der neue Weg nicht der richtige ist.
Gibt es keinen Kita-Platz für den Sohn/Enkel? Wäre es dann nicht förderlicher, Mutter und Großmutter legten zusammen, um eine "Kinderfrau" zu engagieren. Du brauchtest dann nicht Dein geliebtes Universum zu verlassen.
Ich selbst mußte nach dem frühen Tod meines ersten Mannes ebenfalls alles verlassen, aber das fiel nicht schwer, da ich zum Elternhaus zurückkehren konnte. Nicht  i n  das Haus, aber sehr nahebei, tägliche Besuche inbegriffen.

Ich rufe der Dichterin wieder zu: Halt ein, halte inne!

Besorgte Grüße
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Agneta

  • Gast
Re: Der neue Weg
« Antwort #8 am: Oktober 11, 2017, 20:01:38 »
habe dir eine PM geschrieben, liebe Cyparis.
LG von Agneta

cyparis

Re: Der neue Weg
« Antwort #9 am: Oktober 12, 2017, 12:31:58 »
Danke, liebe Agneta!

Ich hab sie gerade beantwortet.

LG
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Günter

Re: Der neue Weg
« Antwort #10 am: Oktober 14, 2017, 13:38:59 »
Liebe Agneta,
auf mich wirkt Dein Gedicht nicht als traurig oder düster. Es ist einfach nur weise!
Von vorn bis hinten gefällt mir jede einzelne Aussage bis auf die Zeile
"das ruhelose Ich der Freiheit weiht" ,
diese schein mir nicht klar?
Du kannst es mir sicher erläutern.
Sehr gern gelesen!
LG Günter