Autor Thema: Das Kind namens Welt  (Gelesen 918 mal)

Erich Kykal

Das Kind namens Welt
« am: Oktober 03, 2020, 11:25:18 »
Die Welt ist heute irgendwo dazwischen,
noch nicht im Neuen und nicht ganz mehr dort,
wo etwas wurde, doch nun ist es fort.
Um anderswie ins Leben sich zu mischen?

Vielleicht verging es auch wie ein Verwischen
von Spuren, wie der Hall von einem Wort,
das nichts mehr hielt als nur noch alten Tort,
ihn immerzu auf's Neue aufzutischen.

Man schmeckt es noch gerade so im frischen
Erheben eines unbewussten Windes,
dass etwas war, das nicht mehr bei uns ist.

Die Welle tilgt die Lebensspur von Fischen,
und ohne Urteil ist der Geist des Kindes,
das lernt und wächst und atmet – und vergisst.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Das Kind namens Welt
« Antwort #1 am: Oktober 04, 2020, 07:33:22 »
hi erich,

ich denke, das, was wir "die welt" nennen , war nie woanders als "dazwischen":
zwischen dir und mir, zwischen heut und morgen, zwischen tod und leben....
corona macht uns letzteres wieder mal schmerzlich bewusst, rückt es in die mitte unserer aufmerksamkeit, nachdem die westliche welt den tod in den letzten jahrzehnten gekonnt an den rand drängen durfte....
war aber nie anders: mitten im leben, vom tode umgeben!
nur: so kann mann deinen sonntag-morgen-kaffee auch nicht wirklich gut trinken.(und wozu soll ich überhaupt noch die fenster putzen?sinnloses unterfangen!)
nein, ganz ohne verdrängung gehts wohl auch nicht.🙄
da werden wir uns ab und an schon mit ein paar "zwischen"-lösungen und provisorien begnügen müssen.

wie du ja auch anderswo schon angedacht hast:  dinge in der schwebe zu lassen, weil ja alles leben zumeist nur " work in progress" ist....

dieses sonett ist aber fertig -
und hiermit auch mein kommentar!

lg, larin

Erich Kykal

Re: Das Kind namens Welt
« Antwort #2 am: Oktober 04, 2020, 13:10:59 »
Hi larin!

du hast, im Großen besehen, natürlich völig recht. Im großen Rahmen mittelt sich jegliche Sinnhaftgkeit heraus. Indes, der Mensch als Einzelindividuum, bis hin zum kulturellen Konglomerat, dem er sich angehörig fühlt, gefällt sich darin, seine Existenz in Sinneinheiten zu gliedern. Ein Aufgabe, ein Tagwerk, ein langfristiges Vorhaben, ein Lebensplan, ein göttlicher Plan, ein Welterklärungsmodell. Diesen "Blöcken" geistig anhängig denkt sich der Mensch die Welt, "seine" Welt eben auch so: Es ist immer etwas zu tun, etwas zu vollenden. Und dann gibt es natürlich auch dieses "Dazwischen", dieses "In-der-Luft-Hängen-Gefühl", wenn etwas bewältigt wurde und noch kein neues Ziel im inneren Raum steht.
Und manchmal fühlt man sich einfach so mal eben genau so und weiß nicht warum. Ein Ahnung des "größeres Bildes"? Wer weiß. Und dieses Ahnen ergießt sich dann auch in die wahrgenommene Welt, lässt alles undefiniert und vage, ohne tieferen Plan und Willen erscheinen. Die gereiften Geister wissen: Man sieht es endlich, so wie es halt ist. Aber dem ängstlichen, unreifen, im Täglichen befangenen Geist erscheint diese Sicht beängstigend, verunsichernd - im wesentlichsten Sinne: gottlos.
Und ihn, der das erlebt, beschleicht dieses seltsame Gefühl dabei, die Briten nennen es "eery", man könnte es grob mit "gespenstisch" oder "anderweltlich" übersetzen. Eine scheinbar vertraute und doch fremd wirkende Welt ...

Mein Gedicht versucht, den unreifen Geist hier abzuholen und ihm "das größere Bild" zu erklären, ohne ihn zu ängstigen und zu verscheuchen. Das Werk will den Leser an den Gedanken der Sinnlosigkeit allen Seins gewöhnen, ohne ihn zu verschrecken, denn es lässt sich durchaus gut leben in einer Welt, die - wie ein Kind - nicht wertet, nur hinnimmt, was wird und ist - vorausgesetzt, man ist seiner selbst sicher genug, um sich dauerhaft darin zu definieren, und das ohne die Hilfe fiktiver, angenommener Konstrukte wie Götter oder deren "höhere Pläne" für uns als "Erschaffene".
Der reife Geist erschafft sich selber, denn er weiß, dass sein Gefährt, der Körper, nur ein zufälliges Ergebnis von Zeit und Anpassung, sprich Evolution ist. Und er, das Bewusstsein, erwuchs diesem Stofflichen als Metaebene ohne göttliches Zutun, einfach, weil so ein Fleischberg mit Metaebene des eigenen Bewusstseins bessere Selbsterhaltungschancen hatte als einer ohne.  ;)

Vielen Dank für deine interessanten Einlassungen!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 15, 2022, 18:08:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.