Autor Thema: II  (Gelesen 578 mal)

Eisenvorhang

  • Gast
II
« am: April 30, 2020, 09:25:52 »
II

erinnerungen...
wie der fluss des regens einer gewitternacht:
in ein lächeln mündet, alles nie zu vergessen
das schaurig-schöne flimmern und vergehen
am horziont
ein sich-verändern von zeit und ego,
des himmels rose aus dampf, elektrizität
und zärtlichkeit, 
der preis warst d u im wind
der schwarzen göttin.

aufgebrochen, zart
entließen wir unsere Liebe
in die seiten
der poesiebücher.

ich gab der dunklen
sehnsucht ferne
mich hin
fast ungeheuerlich.

dein lächeln legte sich
an meiner wangen
letzten händedrucks

wir wurden jugend.

noch rauscht dein duft
im jasminweißen meer
in mein verletztes kinderlachen,
das dich durch gotische fenster liebt.

« Letzte Änderung: April 30, 2020, 17:11:18 von Eisenvorhang »

Erich Kykal

Re: II
« Antwort #1 am: April 30, 2020, 10:45:25 »
Hi EV!

Schöne Bilder in lyrisch weicher, klangvoller Sprache.

Sehr wahrscheinlich hast du dies als (Gegen)Reaktion auf meine Bemerkungen zur modernen Lyrik in einem anderen Faden hier verfasst, um zu beweisen, dass ich irre - und mir das auch deutlich unter die arrogant-verstiegene Nase zu reiben.  ;) >:D

Ich schätze das Engagement als solches sehr.

Dennoch bleibe ich dabei: Lyrische Prosa bleibt lyrische Prosa, auch wenn man auf Satzzeichen wie Rechtschreibung verzichtet und sie abteilt und häppchenweise untereinander schreibt, damit sie aussieht wie ein Gedicht.  ;)

Aber für lyrische Prosa sehr schön geschrieben!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: II
« Antwort #2 am: April 30, 2020, 12:23:34 »
Ich mags! Ein anregendes und spannendes Sprachexperiment! :)
Als Erfolgs-orientierter Beitrag für eine auf moderne Lyrik ausgerichtete Ausschreibung (jetzt nur mal als Gedankenexperiment) müsste aber m. E. die Poetologie der Zeilen noch etwas geschärft werden
Ich erkenne mindestens zwei poetische Ansätze, einer (z. B. Z.1-5) folgt einer gemäßigten Innerlichkeit (nicht im Sinne einer extremen Ich-Lyrik der 80er Jahre, sondern eher auf der Linie der Gedichte von Lisel Müller) und ein anderer (z. B. Z.7-10) gibt sich expressiv und erinnert tatsächlich ein bisschen an expressionistische Gedichte aus der Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg. Diese Mischung würde einen Kritiker wahrscheinlich eher irritieren als überzeugen.
Und dann würde ich (wie gesagt: ist jetzt mal nur ein Gedankenexperiment), wenn ich einen professionellen Gedichte-Leser überzeugen wollte, etwas zurückhaltend mit nicht bewusst eingesetzten wie-Vergleichen sein. Es gibt ein ganz berühmtes Statement von Gottfried Benn, dass ein "wie-Vergleich" Ausdruck tradierter, also nicht zeitgemäßer Lyrik ist (er hat das in den späten 40er oder frühen 50er-Jahren so geäußert). Benn hat demgegenüber z. B. die Verwendung von Genitiv-Metaphern bevorzugt. Also nicht: "Dein Lippen leuchten wie rote Rosen" sondern "Die Rosen Deiner Lippen... " Genitivmetaphern sind von Celan zu hoher Blüte gebracht worden, so sehr, dass sie sich dann schon wieder abgenutzt haben und heute, in der postmodernen Zeit, selbst wieder mit Vorsicht zu genießen sind (Jan Wagner macht aber z. B. nach wie vor unbekümmert Gebrauch von ihnen).
Nur ein paar Gedanken... die waren jetzt wirklich eher theoretischer Natur... davon unbenommen - freue ich mich über diese Zeilen sehr! :)
LG!
S.

Eisenvorhang

  • Gast
Re: II
« Antwort #3 am: April 30, 2020, 12:40:49 »
Hallo Erich,

bewusst als Gegenwind war es nicht gemeint. Ich schreibe viele "solcher" Texte, kenne aber die vorherrschende Antihaltung.
Ich versuche immer andere Meinungen und Einstellungen zu respektieren, dafür kann ich andere Dinge nicht ab. Wie Intriganz, Scheinheiligkeit, Manipulation, generell Toxisches.
Da werde ich selbst zum Arsch...

Trotzdem freue ich mich, wenn du etwas damit anfangen konntest! Für mich sind Werke dieser Art wie ein Sandkasten: Etwas zum Austoben.

Hallo Sufnus,

das ist sehr interessant und nun reizt es und drängt es mich die Feile anzusetzen!
Das mit den Wie-Vergleichen war mir nicht bekannt, werde mich danach richten.

Eine Frage aus Unwissenheit und mangelnder Ahnung: Sind Genetiv-Metaphern sind auch Genetivgebunden?
Bsp: "»des Wahnsinns sanfte Flügel" Trakl, "des Hauses zarte Wangen"?
Vielleicht sollte ich in solchen Texten vermehrt mit kühne Metaphern arbeiten.

Ich danke Dir für Deine Hilfe! Ohne Mist, so was hilft mir wirklich mich weiterzuentwickeln.

Als Anmerkung: Die schwarze Göttin ist die Göttin der Vergänglichkeit.

vlg

EV

PS: Ich habe das Expressionistische entschärft und das Innerliche geschärft, bin aber noch nicht zufrieden, werde weiter daran feilen...
« Letzte Änderung: April 30, 2020, 17:13:45 von Eisenvorhang »