Autor Thema: Die Frau mit den 5 Elefanten  (Gelesen 1847 mal)

Koollook

Die Frau mit den 5 Elefanten
« am: Dezember 07, 2014, 04:59:49 »
Die Frau mit den 5 Elefanten

Müde Träume lernen fallen
und die Landung schmerzt gewohnt.
Die Enttäuschung schmeckt nach Galle,
unverdaut und unverschont.

Was erwartet man im Herzen,
wenn das Auge südwärts flieht
und zu Boden, nur zu Boden
Enden ohne Anfang sieht?

Wärme, mehr ein leiser Funke,
voller großer Poesie –
und für sie lohnt sich zu atmen.
Was sie flüstert, ist Magie.

Wie, bloß wie, dem Wahn entfliehen?
Es scheint alles ungereimt.
So barbarisch, so fanatisch,
so verlogen gut gemeint.

Warten, es bleibt nur das Warten,
und genesen nach dem Fall.
Glück zeigt sich in vielen Arten.
Ungereimt? Nie ungereimt!

Zum Bild: http://ichschreibueberdich.tumblr.com/post/104547475077/bild-116-ist-ein-besonderes-es-ist-ein-foto-von#notes

Erich Kykal

Re:Die Frau mit den 5 Elefanten
« Antwort #1 am: Dezember 07, 2014, 10:50:52 »
Hi, Koollook!

Gefällt mir, sowohl sprachlich wie inhaltlich!

2 Details:

Es gibt pro Str. nur 2 Reime, aber in S1 reimt sich auch "fallen/Galle" beinahe, wodurch man erst glaubt, es wäre bloß ein unreiner Reim und weiters alle Zeilen gereimt. Bei S2 kommt man dann erst mal ins Stutzen.

In der letzten Strophe ändert sich der Rhythmus der Reime: Sind in den Str. zuvor die Zeilen 2 und 4 gereimt, sind es hier die Zeilen 1 und 3. Absicht? Zudem würde ich - sprachlich gediegener - schreiben: "... auf viele Arten".


Ich denke, die Übersetzerin würde sich über diese Hommage sehr freuen, auch wenn mir als literarisch eher Unbelecktem weder der Titel etwas sagt noch die Anspielungen im Text. Hat alles sicher mit Dostojewski zu tun ...

Sehr gern gelesen - natürlich gefiele es mir als ollem Reimefan vierzeilig gereimt noch besser! ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Koollook

Re:Die Frau mit den 5 Elefanten
« Antwort #2 am: Dezember 08, 2014, 22:34:01 »
Hallo Erich,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Ich frage mich, wie du auf Dostojewski kommst, weil es genau stimmt. Es geht um Swetlana Geier, die bedeutendste Dostojewski-Übersetzerin in die deutsche Sprache. Leider ist sie 2010 verstorben.
Ich lese gerade "Der Idiot" in ihrer wunderbaren Übersetzung und habe mich auch ein wenig mit Dostojewskis Leben beschäftigt. So bin ich auch auf die Dokumentation "Die Frau mit den 5 Elefanten" gekommen, die man übrigens in voller Länge in der 3sat-Mediathek schauen kann. Ich weiß nicht, ob sie dir gefallen wird, aber ich war hellauf begeistert. Vielleicht weil die Frau wie ich aus der Ukraine kam, vielleicht weil sie so einen schönen, kaum hörbaren Akzent hat, vielleicht weil sie die deutsche Sprache so liebt wie ich, vielleicht aber auch, weils einfach eine bewundernswerte Frau ist.

Zum Rhythmus der Reime: Ja, ich wollte eine Änderung, weil ich ans Ende der letzten Strophe keinen Reim setzen wollte, sondern den Reim als Metapher thematisieren. Aber ich hab da ganz nach meinem Sprachgefühl entschieden, ohne groß zu überlegen.

Danke für deine Gedanken zum Gedicht. Vielleicht liest du ja mal etwas von Dostojewski. Es wird sicher nicht zu deinem Nachteil sein. :)

charis

  • Gast
Re:Die Frau mit den 5 Elefanten
« Antwort #3 am: Dezember 10, 2014, 00:11:49 »
Lieber Koollook,
Gefällt mir sehr! Du hast eine besondere, mich sehr ansprechende Art, zu schreiben. Irgendwann finde ich vielleicht auch die richtigen Worte dafür.  ;)
Lieben Gruß
charis  

cyparis

Re:Die Frau mit den 5 Elefanten
« Antwort #4 am: Dezember 12, 2014, 13:43:09 »
Lieber Koollook -

inzwischen kenne ich sehr viele Gedichte von Dir - alle von einem ganz eigenen Duktus, dem ich mich nicht immer verschließen kann.

Das "Enden" ist sehr raffiniert (im guten Sinne!) gesetzt, weil es mehrere Deutungen zuläßt.

Wärme, mehr ein leiser Funke,

könnte mir auch so gefallen:
Wärme - eher leiser Funke -
oder
Wärme - noch ein leiser Funke,
oder
Wärme - nein; ein leiser Funke

aber das ist marginal.

Von Dostojewski habe ich kaum etwas gelesen.
Den Unterschied zwischen den Übersetzungen kann ich deshalb schon gar nicht beurteilen.
Irritiert hat mich ihre Neubetitelung (mit wenigen Ausnahmen) der übersetzten Werke.

Den Dokumentarfilm habe ich leider nicht gesehen.


Ich finds wundervoll, wenn eine große Persönlichkeit so in (wenn auch ungereimte) Verse gesetzt wird.
Strahlt die Melodie etwas von der russischen Seele aus?
Vielleicht bilde ich es mir nur ein.

Solschenyzin hätte Deine Hommage sicher auch sehr gefallen!


Herzlichen Gruß
von
Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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