Autor Thema: Du Rose ...  (Gelesen 1613 mal)

Erich Kykal

Du Rose ...
« am: November 20, 2015, 22:32:30 »
Ist deine Form, von Menschenhand erzogen,
der rote Spiegel seiner Wesensglut,
ein Dufterwachen, das ihm Wunder tut?
Um alle Absicht weiß er sich betrogen,

der dich beschnitt in seinem hohen Drange,
ein Ding zu schaffen, das nur wohlgefällt.
Du hast dich tiefer in die Welt gestellt,
weit größer als die sterblichen Belange

all jener, die dich zu verstehen suchen,
um letztlich nur an einem Dorn zu enden.
So mag ein blutend Herz auch deiner fluchen -

am Ende birgst du es in deiner Hut:
Wo Blütenblätter zärtlich sich verschwenden,
wird alles leichter - und wird endlich gut.
« Letzte Änderung: November 20, 2015, 22:40:27 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re: Du Rose ...
« Antwort #1 am: November 20, 2015, 22:47:18 »
Lieber Erich,

das ist wunderschön. Ich sehe viele Bilder, zum Schluss ein sehr trauriges und trotzdem sehr schönes.

Sehr berührt gelesen.

Lieben Nachtgruß

Letreo

Erich Kykal

Re: Du Rose ...
« Antwort #2 am: November 20, 2015, 23:20:55 »
Hi, letreo!

Ich habe hier versucht, Rilke's Rosengedichten nachzueifern - ich hoffe, ihm wenigstens annähernd nahe gekommen zu sein! :-[

Nur als Beispiel:

Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.


Oder dies:

Rose, du thronende, denen im Altertume
warst du ein Kelch mit einfachem Rand.
Uns aber bist du die volle zahllose Blume,
der unerschöpfliche Gegenstand.

In deinem Reichtum scheinst du wie Kleidung um Kleidung
um einen Leib aus nichts als Glanz;
aber dein einzelnes Blatt ist zugleich die Vermeidung
und die Verleugnung jedes Gewands.

Seit Jahrhunderten ruft uns dein Duft
seine süßesten Namen herüber;
plötzlich liegt er wie Ruhm in der Luft.

Dennoch, wir wissen ihn nicht zu nennen, zu raten ...
Und Erinnerung geht zu ihm über,
die wir von rufbaren Stunden erbaten.



Dieses Sonett (mit teils betonten Auftakten und überlangen Zeilen) ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie sehr Rilke der Sprachmelodie verpflichtet war. Er kümmerte sich nicht um Regeln, wenn sie seiner lyrischen Vision entgegenstanden!

Und erst dies hier:

Das Rosen-Innere

Wo ist zu diesem Inneren
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über vor Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.



Vielen Dank für dein Lob - es freut mich sehr! :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 20, 2015, 23:37:43 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re: Du Rose ...
« Antwort #3 am: November 20, 2015, 23:35:42 »
Lieber Erich,

ein wenig musste ich an das Heidenröslein denken, ich liebe es.
Aber Deine Zeilen haben mich auf eine kleine Reise (durch ein Menschenleben), umgeben von Rosen, Rosenduft, Dornen, Blättern und Blüten mitgenommen.

LG, Letreo

Erich Kykal

Re: Du Rose ...
« Antwort #4 am: November 21, 2015, 11:19:37 »
HI, letreo!

Gern geschehen! :)

Der Text leitet vom Beschreibend/Fragenden der Form über zum Symbol der Liebe, zuletzt verspricht ihre zarte Schönheit dem Verletzten Trost.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Du Rose ...
« Antwort #5 am: November 23, 2015, 12:04:28 »
Symbol der Liebe, zuletzt verspricht ihre zarte Schönheit dem Verletzten Trost.

moin moin Erich, das ist eine sehr schöne romantische Beschreibung.

LG
CB



Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Du Rose ...
« Antwort #6 am: November 23, 2015, 18:11:24 »
Hi, Curd!

Vielen Dank! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.