Autor Thema: Vater Rhein  (Gelesen 869 mal)

Agneta

  • Gast
Vater Rhein
« am: Februar 20, 2019, 10:01:49 »
Vater Rhein

Die Wellen ziehen sanfte Kreise,
als sprächen sie der Seele leise,
fast zärtlich und beruhigend nah.
Und niemand außer ihr ist da.

Die Sonne glitzert auf den Spitzen,
wo ungezählte Möwen sitzen.
Ein Bild, für einen Tag geliehen,
an dem die Schiffe weiterziehen.

Ganz plötzlich kommt ein Brausen auf,
die Wellen schlagen nun im Lauf.
Der Ponton schaukelt, klappert wild,
als würden Sehnsüchte gestillt.

Ihr Blick schweift ab ins ferne Weit,
als habe sie hier alle Zeit
der Welt. Genießt den rauen Wind,
grad so, als wäre sie noch Kind,
das Vater an den Händen hält.
« Letzte Änderung: M?RZ 12, 2019, 17:11:16 von Agneta »

Sufnus

Re: Vater Rhein
« Antwort #1 am: Februar 20, 2019, 11:25:40 »
Liebe Agneta,
Du teilst immer so zarte, ja anmutige, Verse mit uns - vielen Dank dafür! :) Bei diesen habe ich nur ein paar kleine Anmerkungen - die aber nicht die zauberhafte Wirkung berühren, die von den Zeilen ausgeht. :)
Insgesamt, finde ich, sind ein oder zwei "als"-Vergleich zu viel in dem Gedicht (ich zähle vier). Da diese Ausdrücke nicht gleichmäßig über das Gedicht verteilt sind, wirken sie für mich nicht wie eine rhetorische Wiederholungsfigur, sondern eher wie unabsichtliche Wiederholungen in der Syntax.
Außerdem stellt die etwas unvermittelte Einführung der ungenannten weiblichen Figur (ist es das LI, das von sich in der dritten Person redet oder ist es die in S1 erwähnte Seele?) für mich einen kleinen Irritationsfaktor dar und erinnert mich etwas an Kurzgeschichten, in denen häufig auf diese Weise eine zentrale Figur, als eine nicht näher ausgeführte "sie" oder "er", im ersten Satz eingeführt wird ("Sie unterschätzen mich, Mr. Snugglethorpe", lachte sie leise und wies mit graziöser Geste auf den bulligen Mann am anderen Ende des Raums, der sie verwundert anstarrte usw.). Ich hätte persönlich gerne ein zwei Stichworte mehr an Information zu Beginn - aber das ist auf alle Fälle eine sehr subjektive Geschmacksfrage. :)
Mein letzter Punkt betrifft die erste Strophe: Da ist mir der Ausdruck "als sprächen sie der Seele... nah." nicht ganz klar. Es liest sich, als habe da ursprünglich "als sprächen sie der Seele... zu." gestanden und das sei reimgeschuldet dann geändert worden.
Davon abgesehen, finde ich die Parallelsetzung der Vaterfigur und des Vaters Rhein äußerst gelungen! Chapeau! Trotz Einordnung in den "Hoffnungs-Thread" ist das für mich nicht als ganz eindeutiges, "harmloses" Idyll zu lesen - wenn Vater (Rhein?) die Frau an der Hand hält, kann es natürlich eine tröstende oder liebevolle Geste sein, aber der Gedanke, hier wolle jemand in die Wellen gehen, ist nicht vollständig zu verscheuchen. Das erzeugt für mich einen sehr beeindruckenden, mehrdimensionalen Gestus! :)
Und formal möchte ich noch den Waisenreim der letzten Strophe hervorheben. Dieser Trick schafft bei mir den Leseeindruck, als höre das Gedicht mit drei Pünktchen auf - dem Leser bleibt Raum, eine Leerstelle mit eigenen Assoziationen zu füllen. Finde ich ganz besonders schön! :)
Sehr gerne gelesen also!
S.

Erich Kykal

Re: Vater Rhein
« Antwort #2 am: Februar 20, 2019, 14:34:44 »
Hi Agneta!

Auch mir gefallen diese Verse insgesamt sehr gut.

Zusätzlich zu Sufs Ausführungen dies:

S2Z1 - Die "Spitzen" enthalten mir persönlich zu wenig Info. Spitzen wovon? Häusergiebel? Masten? Bugspitzen? Baumwipfel? Äste? Der Leser züchtet Fragezeichen!

S2Z4 - "derweil" empfinde ich (subjektiv) als recht unlyrisch. Ein "darin" würde mir hier besser gefallen.

S3Z1 - "Sturmtief" klingt zu sehr nach prosaischem Wetterbericht. "Brausen" oder "Stürmen" halte ich dort für passender.


Besonders gefallen haben mir der Satz mit der "hängenden Zeile" der Conclusio sowie das Bild des Pontons, der klingt wie die Bettstatt eines kopulierenden Pärchens. Das hast du besonders gut lyrisch umschrieben!

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Vater Rhein
« Antwort #3 am: M?RZ 02, 2019, 12:19:35 »
Liebr Sufnus, lieber Erich,
ich habe gar keine Benachrichtigung bekommen, darum meine späte Antwort.
EureBemerkungen werde ich gerne überdenken, das Brausen kann ich schn mal ändern. Jetzt bin ich im Fastellersmodus und komme in die Stimmung dieses Werkes nicht so rein. Ich melde mich aber dazu nach den Tagen nochmals.
LG und macht es euch auch schön. LG von Agneta

Agneta

  • Gast
Re: Vater Rhein
« Antwort #4 am: M?RZ 12, 2019, 17:10:44 »
So! Nun habe ich Muße und Ruhe, mich mit euren wertvollen Anmerkungen zu befassen:
@Sufnus:
Ja, der Waisenreim...lächel. Schön, dass es dir aufgefallen ist, denn stilistisch untermauert er die Tatsache, dass die Protagonistin den Vater (Rhein) ja irgendwann verlassen muss. Auch dieses traurige Element hast du gespürt. Zwar hatte ich "in die Wellen gehen" nicht als Aussage geplant, wohl aber den unvermeidlichen Abschied allgemein.
Mit dem zu /nah, das hast du ganz richtig empfunden. Empathischen Lesern bleibt doch nichts verborgen. Besseres ist mir nicht eingefallen.

@Erich:

die Spitzen sind die Spitzen der Wellen, mit denen Vers 1 beginnt.
"Darin" anstatt derweil gefällt mir nicht. Was hältst du von:

ein Bild, für einen Tag geliehen,
an dem die Schiffe weiterziehen.

Danke fürs Nachspüren. Hier konnte man noch verbessern.
Ebenso beim Sturmtief. Ja, Brausen übernehme ich gerne.
Ich füge die Korrekturen gleich ein.
Lieben Dank euch beiden.
LG von Agneta


« Letzte Änderung: M?RZ 12, 2019, 17:12:30 von Agneta »

Erich Kykal

Re: Vater Rhein
« Antwort #5 am: M?RZ 12, 2019, 20:15:25 »
Hi Agneta!

Sehr schön gelöst!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.