Autor Thema: Mutterblind  (Gelesen 741 mal)

Erich Kykal

Mutterblind
« am: Juni 05, 2019, 17:56:26 »
Was Mutter ist und was sie uns bedeutet,
erschließt sich erst, wenn sie uns fehlen wird.
Man glaubt die Zeit der Freiheit eingeläutet,
begreift zu spät, was man an Halt verliert.

Die größte Liebe einer jeden Kindheit,
gewandelt in Erinnerung und Kraft -
wer sie bewusst verdrängt in bittrer Blindheit,
erkennt die Wunde nicht, die er sich schafft!

Wer sich um seine Mutter nicht mehr kümmert,
selbst wenn es Hader gab und böses Wort,
hat seines Lebens Unterbau zertrümmert
und führt ein kaltes Dasein traurig fort.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Mutterblind
« Antwort #1 am: Juni 06, 2019, 10:03:53 »
Das Gedicht, lieber Erich, vermittelt einen sehr bedenkenswerten Inhalt. Es gibt zwar schwarze Schafe unter den Müttern, aber die meisten leisten ungeheuer wertvolle Dienste.

Sehr gern gelesen.
LG g 

Erich Kykal

Re: Mutterblind
« Antwort #2 am: Juni 06, 2019, 16:58:09 »
Hi Gum!

Wie Töchter eher den Vätern anhängen, so sind die Mütter besonders für uns Söhne von inniger emotionaler Bedeutung! Die Mutter zu verlieren, bedeutet einen gewaltigen Lebenseinschnitt - und man weiß immer erst danach, wie sehr man sie liebte, ohne es ihnen oft genug gesagt zu haben ...  :'(

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Mutterblind
« Antwort #3 am: Juni 13, 2019, 19:15:48 »
ich will dir gerne zustimmen, lieber Erich, unter der Prämisse, dass "ein böses Wort " tatsächlich nur ein böses Wort war. Ansonsten bei psychischer und körperlicher Gewalt haben die Kinder schon große seelische Wunden, die die Liebe überdecken. Interessanterweise aber würden sie dennoch "auf ihre Mutter nix kommen lassen". Schwarze Pädagogik, kennst du ja als Lehrer.
Ich persönlich denk immer, solange alles im Rahmen ist, sollte man mit den Eltern niemals brechen, es sind und bleiben die Eltern.
Wenn das Kind aber zu sehr gelitten hat, dann muss es brechen um sich zu befreien.
Dass diese Dinge hochemotional sind , wie dein Gedicht auch bedrückend, versteht sich von selbst.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Mutterblind
« Antwort #4 am: Juni 13, 2019, 22:46:25 »
Hi Agneta!

O meine Mutter war nicht zimperlich! Mein Vater konnte mich kaum anrühren - ich bekam meine Ohrfeigen von ihr. Auch mit dem Teppichklopfer wurde ich verdroschen (natürlich nicht sooo fest wie bei einem Teppich - es war mehr das Symbol der Erniedrigung, das zählte), und als ich mal störrisch war und bitzelte, bis ich violett angelaufen war, stellte sie mich mitsamt Kleidung in die Badewanne und übergoss mich mit eiskaltem Wasser aus der Brause. Ich war nie wieder störrisch ...
Das sind alles frühe Kindheitserinnerungen, noch ehe ich zur Volksschule ging. Danach gab es höchstens noch gelegentlich mal eine Ohrfeige im Affekt, wenn ich wirklich Blödsinn angestellt oder mich gefährdet hatte.
Aber ich musste immer alles aufessen (die Portionen waren groß!) und durfte erst aufstehen, wenn der Teller leer war - sie war Kriegsgeneration, und Lebensmittel waren heilig. Ich kann bis heute nichts auf dem Teller lassen, und wenn ich platze! So erzieht man Vielfraße, aber sie wusste es nicht besser.

Und trotz allem war ich immer ein "Mamakind" - nicht die wehleidige, verheulte Sorte, sondern eben mit der Mutter als primäre Bezugsperson! Ich liebte sie abgöttisch, und wusste, sie liebte mich ebenso! Mein Vater liebte mich sicher genauso und hätte alles für mich getan, aber er konnte es leider nie so zeigen - je älter ich wurde, desto distanzierter wurde er mit mir (für ihn als alten SS-Offizier waren Zärtlichkeiten "unter Männern" undenkbar ...). Ich "mochte" ihn als Kind und respektierte ihn auch später, aber lieben wäre zuviel gesagt ...
Nun, ich war ohnehin eine heimliche Enttäuschung für ihn: Er sah mich als Stammhalter und mindestens als Chefarzt in einem namhaften Krankenhaus - in beiderlei Hinsicht blieb ich weit unterhalb seiner Erwartungen ...
Vielleicht waren seine mir aufgezwungenen täglichen stundenlangen "Sitzungen" während der Schulferien (ich musste Englisch und Französich pauken, während alle anderen Kinder draußen spielten - und schrieb stapelweise Hefte mit Übungen aus, die er später in seinem Unterricht bei Schülern verwendete, die einige Jahre älter waren als ich) und seine himmelhohe Angst um meine Sicherheit (ich durfte als Kleinkind nie in den Hof, mit anderen Kindern spielen - Kontakt mit Gleichaltigen bekam ich erst mit dem Kindergarten).
Ich habe zwar bis heute soziale Defizite, dafür kann ich nach wie vor die gesamte englische Grammatik auswengig hersagen, und so mancher Sprachbewanderte hält mich für einen "native speaker" ...  ::)
Ab dem Teenageralter begann ich seinen "Drill" ghandimäßig zu sabotieren, bis er irgendwann aufgab, aber den Spaß am schulischen Lernen hatte er mir bis dahin nachhaltig ausgetrieben, und ich maturierte zwar, aber mit minimalem Aufwand und jeder Menge teurer Nachhilfe in Mathe und Latein - schon wieder eine Enttäuschung für ihn (Rache ist süß!)
Ich wurde faul und unmotiviert, und trotz großer Talente und Geistesgaben wurde ich "nur" Hauptschullehrer - noch ein Schlag für ihn! Ich habe "passiven Widerstand" quasi kultiviert ...

Hab's aber nie bereut. Karriere und gesellschaftliche Stellung waren mir schon immer schnurz, Geld brauche ich nur zum Leben, und die Freizeit kam stets meiner Faulheit zugute, die mir bis heute geblieben ist.
Manchmal überlege ich, was wohl aus mir geworden wäre, wenn meine Eltern mehr von Kinderpsychologie verstanden hätten, oder von den Dingen, die wirklich wichtig gewesen wären ...
Dennoch - kein Vorwurf. Sie taten ihr Bestes, und das allein zählt.

Uuups - ich hoffe dich nicht allzusehr mit alldem gelangweilt zu haben! Das ist irgendwie viel mehr geworden, als ich eigentlich dazu sagen wollte ...

LG, eKy

« Letzte Änderung: Juni 13, 2019, 22:49:05 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Mutterblind
« Antwort #5 am: Juni 14, 2019, 11:43:03 »
ja, die schwarze Pädagogik...Die Mutter abgöttisch lieben, die einen so erniedrigt hat... Hm. Meine Mutter hatte schwache Nerven und nahm auch mal ab und zu den Kochlöffel. Ich war wohl recht aufmüpfig als Kind... GGG Abgöttisch geliebt habe ich sie nie. Dieses blieb meinem Vater vorbehalten. Von ihm habe ich nicht mal einen Schubser bekommen.
Ich habe meine Mutter geliebt, ja und sie hat auch viel für mich getan und ich für sie, aber als beide starben, habe ich deutlich den Unterschied gespürt. Der Schmerz war ein völlig anderer.
Mit 17 meinte meine Mutter mir eine Ohrfeige geben zu müssen. Weshalb weiß ich nicht mehr. Nichtigkeit. Da habe ich sie an Schlips und Kragen gepackt und sie aus meinem Zimmer geworfen. Und gebrüllt:Mach das nie wieder, sonst kriegst du auch eine.
Dann weinte sie und hat es nie mehr getan.
Unsere Reaktionen, deine und meine, waren offensichtlich völlig gegensätzlich. Aber ich hatte einen sehr guten Vater, stark, liebevoll und immer auf meiner Seite. Vielleicht ist es das, was den Unterschied machte...
Ich war sehr gut in der Schule und hatte auch immer Freude am Lernen.
Interessant so der Vergleich...
LG von Agneta