Autor Thema: Aufklärung  (Gelesen 613 mal)

Erich Kykal

Aufklärung
« am: Juni 09, 2019, 18:45:02 »
So sag mir denn: Wem willst du angehören?
Den Frommen, Unterwürfigen und Betern,
die, hinerzogen, ihren Göttervätern
Gehorsam gern und Büßertreue schwören?

Den Willigen, die eines Gotts bedürfen,
weil sie sich sonst im Sein verloren fühlten
und zu allein im All, dem ausgekühlten?
Den Dummen, die im Wort nach Wahrheit schürfen,

das Sterbliche „in Gottes Namen“ schreiben,
für eigenes Gedankengut zu feige?
Den Schlauen, die aus aller Dummheit Neige
an Macht sich borgen, was sie schuldig bleiben?

So sag mir denn: Wem willst du angehören?
Die Antwort sollte lauten: Dir alleine!
Was immer du auch tust – es sei das Deine!
Die Freiheit ist es, die wir sonst verlören.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Aufklärung
« Antwort #1 am: August 19, 2019, 16:17:09 »
Hi eKy!
Da bin ich nochmal über eines Deiner letzthin eingestellten großartigen Werke gestolpert, das völlig unverdientermaßen unkommentiert geblieben ist.
Um diesem Missstand abzuhelfen, fange ich diesmal aber mal erst mit der Kritik an und geh dann zum Rühmen über ;)
Mir scheint nämlich, dass die letzte Zeile ein wenig reimgeschuldet angehängt wurde und um das Schema der vier Quartette zu vervollständigen. Die direkte Anrede des lyrischen Du's in den drei vorangehenden Zeilen der letzten Strophe finde ich viel eindringlicher als den relativ abstrakt wirkenden Abschluss und der Konjunktiv II "verlöre" schwächt die Kraft der Aussage zusätzlich ab. Vielleicht ließe sich mit "zerstören" eine letzte Zeile finden, die kraftvoll genug ist, um mit den vorangehenden Versen mitzuhalten? In Frage käme auch ein Umbau in ein Sonett. Nur so Gedanken ins Unreine.
Womit jetzt wahrlich genug gemeckert wurde! Ich finde nämlich von diesem eigentlich recht kleingewichtigen Einwand abgesehen (der nur um der Erläuterung willen so viel Raum einnahm), dieses Werk äußerst mitreißend formuliert, mit großer Verve, beinahe schon Furor, geschrieben, sind diese Zeilen eine grandiose Absage an jede Form von denkfauler Frömmelei und ein spürbar von Herzen kommender Aufruf "sich seines eigenen Verstandes zu bedienen"!
Sehr schön und sehr kommentierenswert! ;)
S.

Erich Kykal

Re: Aufklärung
« Antwort #2 am: August 19, 2019, 18:40:36 »
Hi Suf!

Der Schlußsatz steht ganz für sich, sozusagen als ultima ratio, darum wirkt er etwas "drangehängt", und mit dem Einwand bezüglich des Konjunktivs gebe ich dir recht!

Im Augenblick bin ich uninspiriert, aber ich werde nochmal drübergrübeln.

Und was Aufrufe zu Vernunft und Hirnbenutzung angeht, so wissen wir, dass Aufrufe zum Verteilen von Ohrfeigen oder geistigem Dünnschiss jederzeit wirkungsvoller und akklamationsträchtiger sind! So sind eben die Menschen - immer noch!  >:D ::)

Vielen Dan für deine Gedanken!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.