Autor Thema: Unlust (Doppelsonett)  (Gelesen 555 mal)

Erich Kykal

Unlust (Doppelsonett)
« am: Juli 31, 2019, 12:08:31 »
Ich finde mich in jener Leere wieder,
die manchen Wohlgeordneten befällt
und sanft in Traurigkeit gefangen hält,
und schlage lustlos meine Augen nieder.

Beschämung fällt in ungenutze Glieder,
die mir den Blick ins Äußere vergällt,
zutiefst verloren bin ich aller Welt,
sogar mir selbst den lieben Tag zuwider.

Die Stunden rosten träge in den Ecken
und bleiben ungeachtet, ungeschätzt,
wiewohl sie sich wie Kinder nach mir strecken,

im Schlaf verlassen und zutiefst verletzt,
wenn sie die eigne Endlichkeit entdecken,
die der Minutenzeiger ihnen setzt.


Ich gehe still durch menschenleere Räume
des Hauses, das mein ganzes Leben birgt
und fühle mich wie fühllos und verwirkt
wie alle meine ungelebten Träume.

Ein welker Schatten sickert um die Säume
des Eigentums, das wie geliehen wirkt
und, was ich wirklich bin, vor mir verbirgt
wie dichter Märchenwald bestimmte Bäume.

Die Tage gehen ineinander über
und finden nichts mehr, das die Mühe lohnt,
und wundern sich auch gar nicht mehr darüber.

Die Müdigkeit, die meine Züge schont,
versteht mich gut und wird mir langsam lieber
als alles, was den Rest der Welt bewohnt.
« Letzte Änderung: Juli 31, 2019, 12:46:53 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Unlust (Doppelsonett)
« Antwort #1 am: Juli 31, 2019, 18:45:43 »
Ich dachte immer, lieber Erich, dass die wohlgeordneten Zustände glücklich ... aber nun lese ich hier, dass sie überflüssig und einsam machen.

Sehr schön geschrieben.
LG g

Erich Kykal

Re: Unlust (Doppelsonett)
« Antwort #2 am: Juli 31, 2019, 19:02:14 »
Hi Gum!

Ja, das denke alle - wenn erst alles wohlgeordnet ist, kann ich mich zurücklehnen und das Leben genießen! Falsch gedacht! Ohne Herausforderungen, ohne Ziele zerfallen wir, zergehen unsere aufgesetzten Masken, die uns vor der Leere schützen, die uns sonst erkennt!

Zuviel Harmonie, zuviel Perfektion ist die Hölle!  :( - Aber ich schätze mal, du hast deine obigen Zeilen ohnehin mit ironischem Unterton geschrieben ...  ;) ;D

Vielen Dank für deine Einlassungen und das Lob!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.