Autor Thema: Bleiben  (Gelesen 1283 mal)

Sufnus

Bleiben
« am: August 22, 2019, 16:07:03 »
Nochmal eine forenfremde Ausgrabung in eigener Sache, leicht modifiziert.

Bleiben

Ist die Welt wirklich Bühne
und Sühne ein Spiel?
Wer schwarz sagt meint: Ziel,
doch wir peilten ins Grüne!

Und sonnenlang lagen wir einst uns im Haare,
mein süßes, geliebtes Baiser aus Beton!
Jetzt murmelt ein Fremder sein Trauer-so-long
als laberleicht-zartes Adieu an der Bahre.

In der Brust wirds schon eng
und ich staple den Slang
kopfunter von Kissen bis Kinn,

lebt wohl, ihr drei Schwestern:
Behalten war gestern,
denn Erinnern ist in.

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #1 am: August 22, 2019, 18:42:56 »
Hi Suf!

Schön geschrieben, aber schlau werd ich nicht draus. Baiser aus Beton? Drei Schwestern? Slang stapeln? Ins Grüne peilen? - Was soll all das heißen? (Kopf kratz)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Bleiben
« Antwort #2 am: August 25, 2019, 19:32:13 »
Hi eKy!
Es freut mich, dass Du zu den - zugegebenermaßen etwas verrätselten - Zeilen etwas geschrieben hast und Du ihnen zumindest sprachlich ein bisschen was abgewinnen konntest. :)
Ich denke, zu einem Betonbaiser oder einem Slangstapel kann man sich etwas zusammenassoziierten - da würde ich keine enge Lesart vorgeben wollen, "was der Autor damit sagen wollte". Ich bin sicher, wenn man einem Leser mit einer Mindestlesekompetenz die Freiheit lässt, hierzu eigene Gedanken zu entwickeln, kommt irgendetwas etwas Verwertbares dabei heraus. :)
Ein bisschen sperriger sind demgegenüber vielleicht die "drei Schwestern". Auch da möchte ich jetzt keine finale Bedeutungsdecodierung vornehmen, aber zumindest in die Runde werfen, an welche Schwestern ich da gedacht habe: An die drei Moiren oder Parzen, die das Schicksal der Menschen und Götter verwalten. Jeder ist aber herzlich aufgerufen, alternative Schwestern ins Feld zu führen. :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #3 am: August 25, 2019, 19:42:22 »
Hi Suf!

Unter uns: Zu weit hergeholt. Als dadaistisches Wortexperiment (oder Kunstwerk) akzeptabel, aber für meinen Geschmack inhaltlich zu wenig stringent, die Bilder zu schwer  (oder gar nicht) in einen roten Faden fügbar.

Sag selbst: Wie soll man bei allem davor Erwähnten auch nur ansatzweise auf die Moiren kommen? Wenn wenigstens einmal ein Begriff wie "Schicksal" gefallen wäre, dann vielleicht eher, aber so - zu weit gefasst.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Bleiben
« Antwort #4 am: August 26, 2019, 10:10:50 »
Hi eKy!
Natürlich sind die Parzen durchaus weit hergeholt - warum auch nicht? :) Aber das soll ja auch, wie gesagt, überhaupt keine bindende Interpretationsvorschrift sein... es gibt so viele alternative Möglichkeiten, was man hier herauslesen könnte... alles darf, nichts muss... oder man wendet sich gleich ganz anderen lyrischen Früchten zu... es ist ja hier im Forum und anderswo wahrlich für jeden etwas dabei. :)
Lg,
S.

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #5 am: August 26, 2019, 13:55:52 »
Hi Suf!

Natürlich darfst du, darf jeder schreiben, wie er will - mir geht es nur um die Lesbarkeit/Verständlichkeit/Nachvollziehbarkeit von Texten durch den x-beliebigen Durchschnittsleser.

Darauf versuche ich beim eigenen Schreiben stets zu achten, und nicht mal dann bringe ich alles immer verständlich rüber. Man muss immer bedenken, wie verschieden die Wahrnehmungsfilter, der Erfahrungshintergrund und die sprachliche Durchdringungsfähigkeit der Leser sind!

Nach diesen allgemeinen Maßgaben (für mich, rein subjektiv gesetzt) erscheint mir dein Text schwer verständlich für andere. Aber natürlich darfst du jederzeit für dich schreiben, und es muss einen Autor nicht kümmern, ob er (immer) verstanden wird.  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Bleiben
« Antwort #6 am: August 26, 2019, 17:34:33 »
Hi eKy!

Da sprichst Du einen wichtigen Punkt an! :) Oder eigentlich sogar zwei Punkte, die aber zusammenhängen.
1. Wie unverständlich darf ein Gedicht geschrieben sein?
2. Wie sehr sollte ein Verfasser eines Gedichts an den Leser denken?

Beim ersten Punkt würde ich sagen, dass komplette Unverständlichkeit einem Gedicht (seinem "künstlerischen Wert") so wenig schadet wie große Leichtverständlichkeit oder irgendetwas zwischen diesen beiden Polen Angesiedeltes.
Bei den beiden Extrempositionen (völliges Sinnchaos versus totale Sinn-Eindeutigkeit) ist es aber technisch relativ einfach, einen Text zu fabrizieren, wobei jedoch die Schwierigkeit relativ groß ist, hierbei auch einen guten Text hinzubekommen.

Impro-Text der unverständlichen Art:
Oh Groblob, durchs wunstblut gewelltes Geweh!
Wie sirrt das Hastwach-Mahl? Wundgnu versteh?
Wirst Sursum Corda zur Wurst, mach Männchen:
Grablang nach Dada and give me attention!


Impro-Text der einfach verständlichen Art:
Der Mond glänzt golden,
ich lieg bei meiner Holden
in ihrem weichen Bett
und find das richtig nett.


Beide Texte sind künstlerisch wertlos, aber beide sind kein Beleg, dass sinnverweigernde oder leichtverständliche Lyrik grundsätzlich wertlos sein muss. Es ist nur, wie gesagt, technisch relativ einfach, Texte zu verfassen, die bei einer der beiden Extrempositionen zu verorten sind. Um es sich also nicht zu schwer zu machen, etwas "zu Papier" zu bringen, dass mehrmaliges Lesen lohnt, würde ich schon empfehlen, nicht alles haarklein aufzudecken, was in einem Text drinsteckt, aber auch nicht komplett mit dem Rücken zum Leser zu schreiben.

Das führt zum zweiten Punkt: Wie "zugewandt" sollte ein Gedicht geschrieben sein? Auch hier gibt's wieder keine Patentantwort - aber ich denke, wenn man schon nicht nur für die Schublade schreibt, sondern seinen Text einem oder gar einer Vielzahl von Lesern aussetzt, ist es schon sinnig, über deren Erwartungen, Bedürfnisse, Vorlieben und Abneigungen zu reflektieren und es letztlich auch auf eine gewisse Reaktion beim Leser anzulegen.
Diese Reaktion kann natürlich auch in Irritation bestehen, wenn man das denn möchte. Allerdings sollte man sich als Autor nicht wundern oder gar beklagen, wenn man seine Leser grob vor den Kopf stößt und diese dann beleidigt oder ausfallend oder spottend reagieren. Das spricht dann für ungenügende Reflexion des Autors und etwas gegen dessen soziale Kompetenz. Dabei beziehe ich diese Gedanken zunächst einmal auf die formale Gestaltung von Gedichten und deren inhaltliche Kohärenz.
Es geht mir also nicht um "unliebsame Meinungen", denn da kommen wir natürlich durchaus in heikle Bereiche. Stichwort: Meinungsfreiheit. So ist für mich die beleidigte Leberwurst-Attitüde, z. B. von religiösen Fanatikern, bis hin zur Gewaltanwendung gegenüber vermeintlichen Abweichlern eine glatte Kriegserklärung an unsere offene Gesellschaft, der man leider nicht mehr tolerant und pazifistisch gegenübertreten kann. Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Soweit mal meine Gedanken hierzu... ;)

Lg,

S.

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #7 am: August 26, 2019, 21:00:17 »
Hi Suf!

Und es sind GUTE Gedanken!  :D

Zwei Details zum Abschluss:

Ich schreibe, so stelle ich mir immer vor, für Leute, die sich auf meinem intellektuellen wie sprachlichem Nivreau befinden. Ich mühe mich nicht um Verständlichkeit für jene, denen es an geistiger wie semantischer Durchdringung mangelt, wiewohl ich meine jeweilige lyrische Intention gern jederzeit erkläre. Das klingt recht elitär, ist aber gar nicht so gemeint.

Und dein "Dada"-Text war für mich sofort verständlich: Eine von einem Schlaganfall sprachgeschädigte Frau fordert ihren Gatten auf, nicht rumzunölen und Trübsal zu blasen, ermahnt ihn seiner ehelichen Pflichten und verlangt nach mehr Aufmerksamkeit für sie und ihr gegenüber.  ;) ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Bleiben
« Antwort #8 am: August 27, 2019, 10:17:37 »
Und dein "Dada"-Text war für mich sofort verständlich: Eine von einem Schlaganfall sprachgeschädigte Frau fordert ihren Gatten auf, nicht rumzunölen und Trübsal zu blasen, ermahnt ihn seiner ehelichen Pflichten und verlangt nach mehr Aufmerksamkeit für sie und ihr gegenüber.  ;) ;D

 ;D ;D ;D Vielleicht sollte ich den Dada-Text doch separat hier reinstellen - aber dann nur mit Deinem Brüller-Kommentar!!!

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #9 am: August 27, 2019, 23:04:57 »
Hi Suf!

Danke für die Blumen! Es ist wirklich leicht zu verstehen:

Oh Groblob(1), durchs wunstblut gewelltes Geweh(2)!
Wie sirrt das Hastwach-Mahl(3)? Wundgnu versteh(4)?
Wirst Sursum Corda zur Wurst(5), mach Männchen(6):
Grablang nach Dada(7) and give me attention(8)!


1 ) Groblob ist der Gemahl - mal grob, mal verdient er Lob ...
2 ) Offenbar ist er traurig oder depressiv, lustlos, wehleidig, ihr Leiden belastet ihn ...
3 ) "Hastwach-Mahl" meint "wach sein und essen" (Vielleicht im Sinn von "das Leben sinnlich genießen"?).
4 ) Verballhornung von "Willst du nicht verstehen?"
5 ) Bedeutet "Mach dir voll Freude (hochherzig, wie der Lateiner weiß  ;)) einen Steifen (Werde zur "Hart"-Wurst ...)"!
6 ) Sinngemäß "Sei ein Mann!" (Oder: "Gehorche mir!") ...
7 ) Heißt: "Fass mal da an!"- Grablang = grabsch mal, lang mal ; Dada = hier
8 ) Der Wechsel in eine andere Sprache lässt - genau wie die onomatopoetische Verfälschung und frühsprachliche Simplifizierung der Muttersprache - auf geistige Verwirrung oder Verlust von Hirnarealen wie nach einem Unfall oder Schlaganfall schließen.


Also, nicht weiter schwierig zu deuten ...  ;) ;D >:D 8)

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 27, 2019, 23:13:39 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Bleiben
« Antwort #10 am: August 29, 2019, 11:23:34 »
Notiz an mich: Ich sollte Dir wirklich ab und zu ein Dada-Gedicht zur geneigten Interpretation vorlegen! Es war mir ehrlich nicht bewusst, was ich da für Sauereien geschrieben habe... ;D

Erich Kykal

Re: Bleiben
« Antwort #11 am: August 29, 2019, 11:53:54 »
Tja, das verdrängte Unterbewusste spricht gerade im scheinbaren "Blödsinn" umso deutlicher ...  ;) ;D >:D

Noch ein guter Grund für mich, keine solchen "Gedichte" zu verfassen - womöglich könnte etwas davon strafrechtlich belastend sein!  :o ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.