Autor Thema: Geschichtsstunde  (Gelesen 548 mal)

Erich Kykal

Geschichtsstunde
« am: September 06, 2019, 12:23:01 »
Erzähle, Vater, mir von alten Zeiten,
als man noch wusste, was die Stunde schlägt,
was richtig ist und was der Mensch erträgt
an wunden Wichtigkeiten, die ihn leiten.

Als alles Zorn war, als der Sieg noch heilte,
und Menschen schwanden unter blankem Hass,
als rot die Himmel und die Erde nass
vom Blute waren, das man dort verteilte.

Wo liegt die Wahrheit, die wir gerne glauben,
und was bedeutet Menschlichkeit? Wir wachsen
am meisten dort, wo wir uns alles rauben,

und träumen doch von stillen Paradiesen.
Was treibt uns weiter, wer bewegt die Achsen
der Ewigkeit in geistigen Verliesen?
« Letzte Änderung: September 09, 2021, 17:32:59 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Geschichtsstunde
« Antwort #1 am: September 09, 2019, 17:19:57 »
Hi eKy!
Das ist ein ganz schön hinterlistiges Gedicht von Dir!  >:D In der ersten Strophe wird der Leser noch in der Illusion eines "früher war alles besser" gewiegt und dann haust Du uns - immer noch im Ton des Kindes, dass sich vom Papa eine schöne Geschichte wünscht - die Realität der blutigen Vergangenheit um die Ohren! Gut gegeben! Die beiden Terzette mit der Hinwendung zum Leser bräuchte ich persönlich inhaltlich dann nicht unbedingt, aber sie runden dieses schöne Sonett natürlich formal wunderbar ab und so habe ich also alles rundum mit großem Vergnügen gelesen.
Aber ein Schelm bist Du doch, uns mit Strophe 2 so kalt zu erwischen... :)
Lg!
S.

Erich Kykal

Re: Geschichtsstunde
« Antwort #2 am: September 09, 2019, 18:17:43 »
Hi Suf!

Diese schizoide Ader habe ich meinen Eltern zu verdanken, die (beide um die 50, als ich kam) immer von der "guten alten Zeit" schwärmten und dass früher alles besser gewesen wäre - sich aber kaum je überwinden konnten, vom Krieg zu erzählen! (Außer von den Bombardierungen, da war ja der böse Feind schuld!)
Mein Vater wurde seine SS-Vergangenheit ja nie so ganz los (ich muss ihm zugute halten, dass er mich nie politisch indoktriniert hat), und mitunter entkam ihm ein "Unterm Hitler hätt's des ned gebn!" oder ein "Es hot eam kana gsogt, wos wiaklich vorgeht!" usw ..., und wenn Hans Rosenthal damals wieder mal "Dalli DAlli!" im TV sagte, entwischte ihm ein grummeliges "Scho wieda der Jud!".  ::)

Jaja, die "gute alte Zeit", als man noch aufrechter Nazi sein konnte und stolz drauf war, dass man endlich alles beiseite schaffte, was nicht sein sollte!  ::) Und wenn ich mir die heutigen Reden von AfDlern anhöre, konstatiere ich erneut den gleichen Ungeist, die fanatische, nur mühsam bemäntelte und (noch) unterdrückte Intoleranz, den blinden, andressierten, unreflektierten Hass, der mit unaufgearbeiteten bis dummen Ängsten arbeitet und sein bildungsfernes Publikum mit markigen Sprüchen wahren Deutschtums umgarnt und manipuliert!

Mein liebstes Zitat aus "Star Wars": "Und so stirbt die Demokratie: unter donnerndem Applaus!" (Senatorin Organa beim (manipulierten) Ausruf von Sonderbevollmächtigungen für Kanzler Palpetine, dem (noch) getarnten Sithlord.) Der Dummheit ist alles recht, was ihr volle Teller verspricht, auf denen bis in alle Ewigkeit das Gleiche serviert wird!  ::)

LG, eKy

« Letzte Änderung: September 09, 2021, 17:36:16 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.