Autor Thema: Auf Blutes Schultern  (Gelesen 657 mal)

Erich Kykal

Auf Blutes Schultern
« am: Oktober 23, 2019, 00:44:14 »
Im Quell des Blutes, in der Knochen Schale,
wo dieser Born des Lebenssaftes sprudelt,
wird nicht gezögert und auch nie gehudelt,
nur still gewoben an der Kraftspirale,

daraus wir schöpfen, wenn uns das Fatale
des Schicksals überfordert und besudelt.
Auf dieser roten Woge krängt und trudelt
das Boot des Geistes meistens ins Banale,

anstatt bewusst zu ehren, was sein Träumen
erhält und atmen lässt, wenn er aus Räumen
ersehnter Wolkenschlösser auferwacht.

Er lässt sein Blut in heißem Wallen schäumen,
und seine Wünsche und Gedanken bäumen
sich blindlings aus den Fehlern, die er macht.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Auf Blutes Schultern
« Antwort #1 am: Januar 15, 2020, 11:16:43 »
Hi eKy!
Ich habe noch nie ein Gedicht (und noch dazu ein bis aufs Tüttelchen formsicher gebautes Sonett!) gelesen, dass die Hämatopoese (Blutbildung) im Knochenmark zum Ausgangspunkt eines lyrischen Gedankens macht... das ist formidabel, lieber eKy!
Vielleicht wäre tatsächlich auch "Blutbildung" ein schönerer Titel - der von Dir hier gewählte klingt durch den vorangestellten Genitiv und die eigenwillige Personalisierung des Blutes für mich etwas... gelinde gesagt sperrig...
Ansonsten kann ich nur noch ganz mild den "Born" kritisieren - da hätte ich gerne eine etwas modernere Ausdrucksweise gesehen (Vorschlag: "wo unser Lebenssaft artesisch sprudelt"). Ansonsten hab ich aber gar nichts zu meckern, sondern bin wirklich beeindruckt und werde diese Zeilen noch wiederholt lesen und genießen!
VG!
S.
« Letzte Änderung: Januar 15, 2020, 13:58:50 von Sufnus »

Agneta

  • Gast
Re: Auf Blutes Schultern
« Antwort #2 am: Januar 19, 2020, 11:12:55 »
kann mich Sufnus in seinem Lob nur anschließen, lieber Erich. Mir fiel zusätzlich noch die gekonnte Hinleitung zum übertragenen Sinn von Blut als Lebenselixier auf "das Blut in Wallung bringen". Mir sagt das Werk, dass Seele und Körper immer eins sind. LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Auf Blutes Schultern
« Antwort #3 am: Januar 20, 2020, 22:30:16 »
Hi Suf, Agneta!

Das Thema lag mir nahe, leide ich doch seit Jahren an einer Form von Leukämie - meine eigene Blutbildung im Knochenmark ist so entartet wie manche Abgründe meiner kranken Fantasie! Mittlerweile halten mich Tabletten am Leben  - eine Dauerchemo, die ich täglich schlucken muss, plus Tabletten für Blutwerte, damit der Motor nicht stottert, Nebenwirkungen inklusive. Acht Pillen täglich - mindestens.
Der Scheiß wirkt voraussichtlich nur ein paar Jahre - dann gibt es noch EIN anderes Präparat, das ich vielleicht vertrage oder auch nicht, und dann war's das. Macht mir nicht viel aus, ich hatte sehr selten Gelegenheit, mein Leben wirklich frei zu genießen - ich sah mich immer eher nur als Zaungast dieser Welt, als distanzierten Betrachter, dem, weil er auf Abstand bleibt, nicht soviel weh tut wie jenen, die sich mitten hineinwerfen wie Kinder, die auf die Herdplatte greifen, obwohl man ihnen gesagt hat, dass es schmerzhaft heiß ist!  ::)

Das Sonett soll anregen, über die gedankenlose Selbstverständlichkeit nachzudenken, mit der wir unsere Gesundheit hinnehmen, so lange wir sie haben.

Vielen Dank für eure freundlichen Einlassungen und das - nur zu gern aufgesogene - Lob!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Auf Blutes Schultern
« Antwort #4 am: Januar 21, 2020, 14:20:15 »
Guter eKy!
Habe mich gefreut, Dich heute morgen zu lesen! :)
Und ich finde es bewundernswert, wie Du mit Deiner Leukämie umgehst und diese Bürde sogar kreativ nutzt, wie in diesen Zeilen! Natürlich drücke ich Dir ganz fest die Daumen, dass Deine jetztige Therapie langfristig gut verträglich und effektiv ist!
Was aber Alternativen angeht, muss Dich Dein Arzt falsch informiert haben. Bei der CLL gibt es mittlerweile mehr als eine Handvoll von neuartigen Wirkstoffen, die alleine oder in Kombination (was die Anzahl der Möglichkeiten ziemlich schnell in die Höhe treibt) angewendet werden können, falls die klassischen Wirkstoffe nicht ausreichend funktionieren. Von einem einzigen verbleibenden Plan B kann also keinesfalls die Rede sein!
Viele Grüße und alles Gute weiterhin!
S.

Erich Kykal

Re: Auf Blutes Schultern
« Antwort #5 am: Januar 25, 2020, 12:18:34 »
Hi Suf!

Freut mich zu hören! Wahrscheinlich muss man nachfragen, damit man entsprechende Infos bekommt - der Herr Doktor ist immer sehr beschäftigt und nur einen Wochentag verfügbar in der Onko meiner Landklinik.
Da seh ich ihn einmal im Monat (oder neuerdings alle zwei Monate) für ein paar Minuten zur Besprechung der Blutwerte, und dann gleich "Tschüss und der Nächste, bitte!".

Dass man so eine seelische Belastung irgendwann auch kreativ umsetzt, ist mE. eigentlich selbstverständlich. Ein Gutteil meiner philosophisch angehauchten Werke der letzten Jahre beschäftigen sich nicht umsonst mit Tod, Vergessen und der Kürze und Oberflächlichkeit des Daseins.  ;)  8)
Ist okay so, wie ich finde. Vielleicht fällt es mir leichter als vielen anderen, damit umzugehen, weil ich mich eigentlich nie sehr fest in dieser (Menschen-)Welt verankert gefühlt habe, nie wirklich zugehörig. Und der Natur, so schön sie auch ist, bin ich ohnehin egal, das war mir immer klar.
Ich bin mit mir auch im Reinen, was die mögliche Länge meines Lebens angeht. Meinen Spass habe ich gehabt, und leider nicht immer nur auf meine Kosten - alles Weitere ist eine Bonusrunde. Ich lasse auch keine Verluste zurück - niemand wird wirklich innig um mich trauern. Auch das macht das eigene Ende leichter.
Ich glaube nicht an ein Nachleben - ich werde mit dem letzten Atemzug einfach nur enden. Wichtig ist das nur davor, und das auch nur für den, der Geliebtes zurücklassen muss.
So gesehen bin ich gut aufgeräumt und harre ziemlich wertneutal der Dinge, wie sie da kommen mögen.  ;) :-\

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.