Autor Thema: Im Strudel des weißwoher  (Gelesen 1508 mal)

wolfmozart

Im Strudel des weißwoher
« am: Dezember 14, 2019, 13:20:18 »
Wo liegt das Tal der toten Tränen
Wo blüht der Flieder märchenhaft?
Wer lauscht hinaus in mein Ersehnen
Goldblüte, die das Wunder schafft

Du leckst den Honig meines Herzens
Wirst dennoch niemals süß davon
Ihr trinkt bekömmlich meine Schmerzen
Und gebt mir euer Sein als Lohn

Ein Feuerball hinter den Lidern
Frißt sich zu meiner Seele fort
Im Sterben noch den Gruß erwidern
Ein Lächeln für ein leeres Wort

Allmählich gibt der Grenzstein nach
Es drängt das übervolle Herz
Ich fließe in die Welt hinaus
Und mit mir fließt mein Schmerz

Sufnus

Re: Im Strudel des weißwoher
« Antwort #1 am: Januar 14, 2020, 19:57:50 »
Hi Wolf!
Das ist ein wirklich schönes Gedicht! Gewohnt originell in den Wendungen (am liebsten mag ich: "Du leckst den Honig meines Herzens / Wirst dennoch niemals süß davon"), dabei aber regelmäßiger und abgerundeter in Metrum und Reim als die meisten Deiner Verse; nur die letzte Strophe fällt aus der regelmäßigen Vierhebigkeit, was aber durchaus inhaltlich sinnig ist.
Mein einziger signifikanter Kritikpunkt betrifft den Titel, der es für mich schafft, nichtssagend und überambitioniert gleichzeitig zu klingen. Ich finde Strudel passt schon nicht so richtig, wird doch am Ende kein zielloses Auf-der-Stelle-Strudeln besungen, sondern ein gelassenes Fließen. Und das "weißwoher" ist irgendwie schräg (müsste eigentlich auch groß geschrieben sein, da substantivisch gebraucht).
Demgegenüber keck, beinahe frech (im guten Sinne!), ist die zweimalige Herz-Schmerz-Reimung! :) Da Du es zweimal tust (S2 und S4), ergibt sich daraus schon ein poetologisches Statement wider das Verbot ausgelatschter Reime - ein anregendes Thema für heiße Diskussionen. :) Wobei mir das erste Reimpaar (Herzens - Schmerzen) wegen der Aufrauhung durch den unreinen Reim besser gefällt.
Jedenfalls haben wir hier ein Gedicht, das ich gerne und mit Vergnügen gelesen habe. :)
Grüße!
S.
« Letzte Änderung: Januar 14, 2020, 20:02:10 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Im Strudel des weißwoher
« Antwort #2 am: Januar 14, 2020, 22:00:39 »
Wo liegt das Tal der toten Tränen
Wo blüht der Flieder märchenhaft?
Wer lauscht hinaus in mein Ersehnen
Goldblüte, die das Wunder schafft

Du leckst den Honig meines Herzens
Wirst dennoch niemals süß davon
Ihr trinkt bekömmlich meine Schmerzen
Und gebt mir euer Sein als Lohn

Ein Feuerball hinter den Lidern
Frißt sich zu meiner Seele fort
Im Sterben noch den Gruß erwidern
Ein Lächeln für ein leeres Wort

Allmählich gibt der Grenzstein nach
Es drängt das übervolle Herz
Ich fließe in die Welt hinaus
Und mit mir fließt mein Schmerz

Hi WM!

Im Titel ist das "Weißwoher" hauptwörtlich gebraucht (im = in dem), sollte also groß geschrieben sein.

Gefällt auch mir sehr gut. Ein paar Kleinigkeiten zu Satzzeichen (Kommata, Punkte, Fragezeichen), Kadenzen oder Falschbetonungen:

Wo liegt das Tal der toten Tränen,
Wo blüht der Flieder märchenhaft?
Wer lauscht hinaus in mein Ersehnen,
die Blüte, die das Wunder schafft? (Deine Version hat betonten Auftakt)

Du leckst den Honig mir vom Herzen, (So sauberer Reim)
Wirst dennoch niemals süß davon.
Ihr trinkt bekömmlich meine Schmerzen
Und gebt mir euer Sein zum Lohn. (Sprachlich schöner)

Ein Feuerball, der hinter Lidern (In deiner Version "hinter" unnatürlich betont)
Erglüht, frisst sich zur Seele fort. ("Frisst sich" möchte eigentlich auf dem ersten Wort betont sein, aber das wäre ein betonter Auftakt)
Im Sterben noch den Gruß erwidern,
Ein Lächeln für ein leeres Wort.

Der Grenzstein fällt, es treibt darüber,  (Sonst männliche Kadenz - alle anderen Str. haben weibliche in Z1 und 3. Zudem so klarer Reim dieser Zeilen)
Zurück ins Sein das volle Herz.
Ich fließe in die Welt hinüber,
Und mit mir fließt mein stiller Schmerz. (Sonst nur drei Heber)


Alles, was ich sonst noch leicht bemängeln könnte, ware die doppelte Verwendung des doch schon SEHR ausgeleierten "Herz/Schmerz"-Reimes (S2Z1/3 und S4Z2/4).

Ansonsten sehr gern gelesen und bearbeitet!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 14, 2020, 22:05:22 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

wolfmozart

Re: Im Strudel des weißwoher
« Antwort #3 am: Januar 20, 2020, 15:51:21 »
Grüß euch Sufnus und Erich,

also der Titel is natürlich ein Hammer, er steht nicht in Bezug zum Poem und klingt ungewöhnlich.
Das war wohl wieder eine kleine Eingebung des Moments / ein lyrischer Versuch den ich wagte  ???  ;D

HERZ-SCHMERZ Dichtung  is, obwohl abgedroschen, immer wieder in meinen Werken drin; ich persönlich hab damit kein Problem, ja steh sogar drauf.
Vielleicht weils für die Art wie ich lebe ein passender Ausdruck is...

Erich wie stets schätze ich deine Verbesserungsversuche sehr. Ich werd mich mal näher damit auseinander setzen und schaun was ich übernehme.

Möge euch mein Dank erreichen, da ihr euch so ausführlich mit meinen Werken beschäftigt.

wolfmozart
« Letzte Änderung: Januar 20, 2020, 15:54:17 von wolfmozart »