Autor Thema: Denunzianten (Serie Corona)  (Gelesen 1271 mal)

Agneta

  • Gast
Denunzianten (Serie Corona)
« am: April 20, 2020, 12:04:36 »
Denunzianten (Serie Corona)

Mein vierjähriger Enkel steht vor der Tür. Seine Augen strahlen, und seine Ärmchen strecken sich mir entgegen. Oma, ruft er selig und ich rufe ebenso selig: Jona! Wie zwei Ertrinkende, die sich an den Strand gerettet haben, halten wir uns in den Armen. Eine Woche lang haben wir uns nicht gesehen. Sonst passen wir drei Mal pro Woche auf den Kleinen auf.
Kinder können den Virus in sich tragen, Kinder sind ein Risiko. Kinder werden jetzt als Dämonen an die Wand gemalt. Das kommt den kinderfeindlichen Deutschen gerade recht. Kinder machen Lärm und Dreck und nun sind sie auch noch gefährlich!
Die These, dass Kinder ein erhöhtes Infekt-Verbreitungs-Risiko darstellen als andere Menschen, ist wissenschaftlich ebenso unbewiesen wie alles andere auch, was wir über Corona hören und lesen. Vermutungen, Annahmen, Hypothesen- nicht mehr.
Mein Enkel geht seit Wochen nicht mehr in die Kita, trifft keine Freunde und ist meist zuhause. Warum also sollte er ein höheres Infektionsrisiko darstellen als jeder Rentner, der im Supermarkt an mir vorbei schleicht. Ohne den Abstand einzuhalten?
Meine allein erziehende Tochter hat in den letzten Wochen Homeoffice gemacht, aber nun fordert ihr Arbeitgeber die Rückkehr an den Arbeitsplatz.
Ein Wohnungsnachbar, der nie Besuch von seinen Kindern erhält, murrt: Das ist verboten, dass die kommt mit dem Kleinen! Falsch, raunze ich, es ist nicht verboten in NRW, nur nicht empfohlen. Gehen Sie schnell vorbei, sonst werden Sie noch krank!
Warum hängt der verbitterte Alte so an seinem einsames Leben, wenn doch nicht mal seine Kinder mit ihm zu tun haben wollen, frage ich mich.
Ja, es ist vielleicht ein Risiko, vielleicht auch nicht, aber mit einem Schlag hört das Stechen in meinem Herzen auf, als ich den Kleinen im Arm halte. Wenn es ein Risiko wäre, dann wäre es meines. Und die Zeit, die ich noch habe, gestalte ich innerhalb der Regeln so, wie ich es für richtig halte.
Ich zeige Sie an, schimpft der Mann. Ich lächele höhnisch und denke: Armseliges Würstchen.
Mein Vater hat in punkto Risiko immer gesagt: Man kann sich auch den Finger in der Nase brechen!
Und ich füge gedanklich dazu: Vielleicht auch beim Schreiben von Anzeigen über die Nachbarn.


Erich Kykal

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #1 am: April 20, 2020, 16:29:19 »
Hi Agneta!

Gut gegeben!  >:D

Kleingeistigkeit, Missgunst und Misanthropie ziehen sich durch die Historie des deutschen Kleinbürgertums wie ein roter Faden! Menschen sind zu Großem und Edlem fähig, aber leider gibt es auch das andere Extrem.
Das sind die Kleingartensiedler, die den Nachbarn anschwärzen und rausmobben, wenn sein Rasen nur einen Millimeter höher ist als laut Gartenvereinsstatuten erlaubt. Da prozessieren zivilisierte Menschen jahrelang er- und verbittert um den einen Zentimeter, den ein Gartenzaun zu weit links oder rechte erbaut wurde. bloß "weil Recht bleiben muss, was recht ist"!
Das Lied vom heiligen § wird gern gesungen, wenn es darum geht, seine Angst vor Kontrollverlust zu kanalisieren, oder das eigene unterdrückte jämmerliche kleine Ego an dem bißchen Macht hochzuziehen, das ein Satz wie "Ich zeige sie an!" verleiht ...
Mit Keulen können wir ja (in den meisten Fällen) nicht mehr übereinander herfallen, aber wohin dann mit dem Hormonstau, den die kultur-regulative, dauernde Unterdrückung der natürlichen Aggressivität verursacht? Dann reichen solche Kleinigkeiten für gedachte erklärte Weltkriege und generationenlange Familienfehden. Dem kopfschüttelnden Betrachter wird dann gern gesagt: "Sie verstehen das nicht - sie waren nicht dabei!", so als würde das irgendwie die himmelschreiende Blödheit solcher Exzesse rechtfertigen.

Dumme, oberflächlich denkende, im Grunde aber inwendig armseliig limitierte Menschen mit Machtorgasmus und Hang zur hemmungslosen Regelungswut wird es leider immer geben. Irgendjemand muss ja das schlechte Beispiel geben, dem strikt gegenüber wir uns dann positionieren können!  ;) ::) >:D

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 27, 2021, 11:11:10 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #2 am: April 21, 2020, 13:57:22 »
Ach ja, immer diese verbitterten Alten. Warum hängen die eigentlich noch an ihrem Leben ?
Warum haben die denn so eine Angst davor, dass sich Corona noch mehr verbreiten könnte ?
Wegen einer Umarmung so ein Aufstand.  Vor der Liebe hat doch Corona Angst.

Corona geht mich gar nichts an
meist sterben eh nur Alte dran
das ist sozial, das find ich toll
die Rentenkasse bleibt dann voll.

Corona legt die Wirtschaft lahm
und macht den schönsten Playboy zahm
es ist gefährlich und gemein,
denn es ist mikroskopisch klein.

Corona nein du fängst mich nicht,
verhüll mit Binden mein Gesicht
und schließ mich in die Kammer ein
dort bin ich Mensch, dort darf ich sein.

Alles klar ?

« Letzte Änderung: April 21, 2020, 18:03:46 von Copper »

Erich Kykal

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #3 am: April 21, 2020, 18:42:06 »
Hi Copper!

Gutes Beitragsgedicht!  ;D (Obwohl ich in nunmehr nur noch 9 Jahren durchaus selbst noch was von meiner Rente haben möchte, ich verbitterter Alter ich!  ;) ;D)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #4 am: April 22, 2020, 12:16:52 »
Hallo Erich,

die Eingangszeilen vor meinen kleinen Beitragsgedicht solltest du nicht wörtlich nehmen. Ich greife nur den Beitrag von Agneta auf, so wie ich diesen verstanden habe. Natürlich leicht ironisch von mir zusammengefasst.

Ich wünsche Dir von ganzen Herzen ein hohes Alter mit einer hohen Rente.

LG. Copper


Agneta

  • Gast
Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #5 am: April 22, 2020, 14:20:11 »
offensichtlich hast du ihn nicht richtig verstanden, Copper und zu oberflächlich gelesen. Gerade die Bundesregierung sorgt mit ihren halbgaren Anweisungen, Empfehlungen dafür, dass Alt und Jung gegeneinander ausgespielt werden.
Außerdem halte ich es für sinnlos, mit unbewiesenen Argumentationen Corona bekämpfen zu wollen. Alte sind im Übrigen nicht alle dement und in der Lage für sich selbst und verantwortungsbewusst zu entscheiden. Auch dies sagt mein Text.
Deine Zeilen sind also eher ärgerlich als ernst zu nehmen. Vor allem deshalb nicht, weil ich selbst "alt" bin. GGG von Agneta

Lieber Erich, dein Beitrag, für den ich mich bedanke, widerspricht sich zum Lob von Coppers Kommi. Insofern kann ich nicht erschließen, welche Meinung du vertrittst, meine oder seine.
LG von Agneta

Copper

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #6 am: April 22, 2020, 14:46:45 »
Hallo Agneta,

ich habe dazu keine Meinung. Die Sorgen gehen zu sehr auseinander. Der eine nimmts lockerer, der andere hat Ängste.

Und Erich, so denke ich, hat meinen Beitrag auch so verstanden. Also meinungslos. Deshalb erübrigt sich Deine Frage nach einer Parteinahme. Denke ich.

LG. Copper.


« Letzte Änderung: April 22, 2020, 14:54:41 von Copper »

Agneta

  • Gast
Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #7 am: April 22, 2020, 19:19:46 »
es geht mir nicht um Parteinahme, Copper. Wo argumentiert wird, gibt es halt unterschiedliche Positionen. Diese erschöpfen sich hier nicht in Lockernehmen, sondern stellen die Frage nach der Sinnhaftigkeit der erlassenen Maßnahmen. Inklusive ihrer Begleiterscheinungen bezüglich seelischer Gesundheit, sozialpädagogischer Aspekte und wirtschaftlichen Folgen, denen ja vornehmlich entgegengewirkt wird.
Abstand, Händeaschen, von mir aus auch Masken, die wahrscheinlich nichts bringen, aber Kontaktverbote zu den Kindern und Enkeln …
Die Politik weiß nichts und handelt dementsprechend konfus, warum Geschäfte aufmachen, damit man sich Klamotten kaufen kann, Autohäuser?
Irgendwie kommt mir das alles sehr ziellos vor.
Solidaritä ist in Deutschland ein Fremdwort und erschöpft sich in gemeinsamen Klatschen und Singen. Deutsche Politiker wollen nicht auf ein Monatsgehalt verzichten so wie in Österreich, Neuseeland ect, sie wollen jetzt gar die Grundrente wieder in Frage stellen. Sie stellen die Bonuszahlungen für Pflegepersonal wieder in Frage- Klatschen reicht aus.
Das Handytracking ist nicht möglich, es gibt das Programm noch gar nicht. Aber sinnlose Verbote, die uns nasführen, die gibt es, bezüglich Kindern.

Ich sehe das nicht locker, sondern pragmatisch. Ich denke, dass 90 Prozent der Bevölkerung erkranken werden, so oder so, nur eine Hinauszögerung des Ganzen. Insofern finde ich Schwedens Ansatz richtig. Es sterben mehr Menschen in näheren Zeiträumen, aber in Summe werden es am Ende vieleicht sogar weniger sein (Herdenimmunität).
LG von Agneta

Copper

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #8 am: April 23, 2020, 15:06:36 »
Ach Agneta, das Leben ist hart und der Mensch ist schon ein seltsames Tier.  Ich habe es mir abgewöhnt mich zu ärgern. Ich stell mir vor ich bin im Zoo und schau den Menschen zu. echt goldig.

Und das schönste dabei ist, seitdem kann ich auch über mich selbst lachen. Denn ich gehöre ja auch dazu.

LG. Copper
« Letzte Änderung: April 23, 2020, 15:10:58 von Copper »

AlteLyrikerin

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #9 am: Juni 06, 2020, 13:46:23 »
Zuerst einmal, liebe Agneta, finde ich Deinen Beitrag gut. Denunziantentum finde ich widerlich, und ich kann gut nachvollziehen, dass ein Mensch, nur weil er alt ist und ggf. zu den Menschen mit erhöhtem Risiko gehört, nicht einfach seine Freiheit, selbst zu entscheiden, aufgeben möchte.
Ich betreue eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit Krebserkrankungen. Durch ihr geschwächtes Immunsystem wären sie extrem gefährdet bei einer Ansteckung. Einige von ihnen aber sagten mir, über die Frage, ob sie sich dem Risiko eines Besuches aussetzen, würden sie gerne selbst entscheiden.
Das andere ist der Beitrag von Copper, den finde ich zu flapsig! Selbst wenn die Zeilen
Zitat
Corona geht mich gar nichts an
meist sterben eh nur Alte dran
das ist sozial, das find ich toll
die Rentenkasse bleibt dann voll.
witzig bzw. satirisch gemeint sein sollten, finde ich sie unangemessen. Die Einschränkungen, die uns auferlegt wurden, haben Verhältnisse wie in Bergamo verhindert. Exponentielle Ansteckung führt ggf. schneller zur sogenannten Herdenimmunität, aber ich wünsche mir keine Situation, in der Ärzte entscheiden müssen, du kommst auf  die Intensivstation mit Aussicht auf Heilung, du aber nicht; tut uns leid, wir haben nicht genug Kapazitäten für alle.

Herzliche Grüße mit besten Wünsche  für Eure Gesundheit, AlteLyrikerin.

Seeräuber-Jenny

Re: Denunzianten (Serie Corona)
« Antwort #10 am: Juni 08, 2020, 05:37:26 »
Hallo,

also ich habe Coppers Beitrag als reine Satire aufgefasst. Klar, uns älteren Semestern kann da schon das Lachen im Hals stecken bleiben. Das war mir allerdings schon gründlich vergangen, als von der Triage die Rede war.

Aber ich musste dem Castorff beipflichten, als er meinte, er müsse sich nicht von Frau Merkel sagen lassen, dass er sich die Hände waschen soll. Es war schon viel Bevormundung im Spiel. Zwar lieb gemeint, dass z.B. meine jüngeren Freunde für mich einkaufen gehen wollten, aber hallo, ich lasse mich doch nicht in die vier Wände verbannen, und die Katzenstreu schleppe ich allemal in den 3. Stock.

Stimmt schon, wir Deutschen sind ziemlich verkrampft und gönnen anderen oft ihre Lebensfreude nicht. Dass es auch anders geht, das hat die tolle Stimmung bei der Fußball-WM 2006 gezeigt.

Wir haben das Virus bisher auch ohne Triage ganz gut in den Griff bekommen, weil wir vernünftig sind und zusammenhalten. Möge es nach Corona besser werden als vorher. Da wir keine Milliarden geschenkt bekommen, müssen wir uns unsere sozialen Rechte eben selbst erkämpfen. Der Wind steht günstig.

Corona Corona hat uns leider auch etwas nervös gemacht. Lasst uns hier nicht streiten. Komm doch wieder zurück, liebe Agneta. Wir würden uns freuen.

Liebe Grüße
Seeräuber-Jenny




« Letzte Änderung: Juni 08, 2020, 05:45:09 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz