Hey EV!
Ich mag Deine Meditation sehr über Verluste und Gewinne, die wir im Vergangenen aufgehoben (doppelter Wortsinn) wissen. Formal sind Z2 und Z4 ein feines Spiel mit dem Instrument des Enjambements im gereimten Gedicht - das erzeugt für mich immer ein bisschen Rilkefeeling, weil er ein besonderer Meister in dieser Kunst war.
Was die von Dir angesprochenen Füllwörter angeht: Ein Patentrezept gibt es hier nicht, aber ich spiele bei Gedichten oft mit der Wirkung einer Verkürzung der Hebungszahl. Das bedeutet allerdings fast immer, dass das modifizierte Gedicht sich dann stark in Stimmung und Aussage wandelt, manchmal zum Besseren, manchmal zum Schlechteren, meist einfach nur zum Anderen...

Häufig ist man dann gezwungen, ganz neue Formulierungen zu wählen, weil es sonst metrisch oder reimtechnisch nicht mehr hinhaut.
Ich befürworte es aber sehr stark, immer wieder ohne Sentimentalität Hand an ein Gedicht anzulegen, sich dabei auch von schönen Wendungen zu trennen und einfach mal zu schauen, was beim Herumbasteln herauskommt.
Zur Illustration, was ich damit meine, hab ich mal in Deinem Gedicht die Heberzahl von 6 auf 5 reduziert und dann versucht etwas regelhaft Gereimtes mit der 5-hebigen Vorgabe zu formen.
Das kam dabei raus (kein Verbesserungsvorschlag, es ist ja auch ein ziemlich tiefer Eingriff - also nur eine Etüde

):
Der Frost ist aufgestiegen. Sonnenküsse.
Ein süßer Duft im sanften Zug der Zeiten
hat sich gelöst, im Windeswiegen hisse
ich mein Erinnern, Jungsein, Gestrigkeiten,
Exil der Reue, Liebessäumnis, wisse,
geschätztes Ich, dass ich Dich lang vermisse.
Verlust malt bunt sich ins Gedächtnis ein:
Nie will ich wieder jung wie heute sein.
LG!

S.