Kanal fatal

[AlteLyrikerin]

Heute musst du Maden fressen,
Prominenten Talk auspressen,
vor der Jury onanieren,
im Container kopulieren,
um im Fernsehn zu brillieren.

Strangulierte Halbweltdamen,
Amoklauf in Nahaufnahmen,
Interviews mit Todesboten,
Unglücksfall mit hundert Toten
garantieren Einschaltquoten.

Für das heitere Vergnügen
dürfen die Idyllen lügen:
Chefarztlächeln, Quizmillionen,
Gartenfee und Schöner Wohnen,
Lifestyle gegen Krisenzonen.

[Martin Römer]

Werte AlteLyrikerin -

das sehe ich jetzt natürlich mit Genuss, die (schiere) Gosse jenseits aller Diskussion.
Ich habe es schon vor einigen Wochen irgendwo gelesen.

Ich nehme das Fernsehen nur noch im pathologischen Sinne wahr:
zu schauen, wie sehr die Seichtheit zu einem Lebensgerüst werden mag.

Wo Menschen in grobem Unfug versinken, bleiben sie entweder dort
oder sie suchen sich weitere Befriedigung woanders - und konkret bei mir in heftigen Geschehnissen.

Es ist ein trübes Kapitel in einer endzeitlich geprägten Welt - mehr mag ich da nicht tönen.

Viele Grüße
M.

[Erich Kykal]

Hi AL!

Sehr gut getroffen! 

S1Z4 - Komma ans Ende.


Die moderne Medienlandschaft: Quotennutten machen Programm, und die niedersten Instinkte der bildungsfernsten Schichten werden kräftig bedient, weil das eben die meisten Zuseher bringt!

Ich erinnere mich noch an eine Zeit - heute mag sie als moralinsauer und bieder gelten - da hatte das noch rein staatliche Fernsehen einen Bildungsanspruch neben dem Unterhaltungswert, und solche Formate wie Dschungelcamp, Big Brother, Frauentausch und all der widerliche, oberflächliche und nichtssagende Müll wären absolut undenkbar gewesen: viel zu stillos, solch ein Schlüsselloch-TV, das nur voyeristische Sensationslust bedient!

Vielleicht rauchte man damals so viel in Diskussionsrunden, dass die Kameras zuweilen Mühe hatten, noch Gesichter zu finden, aber zumindest wurde ein gewisses intellektuelles  Niveau nicht unterschritten! Heute würde ein Raucher im Studio verhaftet, aber mit jeder Menge Erniedrigung, Freakshows, Ekelchallenges und pseudogelebtem Intrigantentum niederster Protzproleten hat man kein Problem ... - verkehrte Welt, so weit es mich betrifft! 

Sehr gern gelesen! 

LG, eKy

[Seeräuber-Jenny]

Hi Erich,

das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird seinem Bildungsauftrag ebenfalls nicht gerecht. Auch da geht es hauptsächlich um Marktanteile. Der Zuschauerwunsch nach Bildung und guter Unterhaltung interessiert diese Gremien einen feuchten Kehricht.

Liebe AlteLyrikerin,

Gerade in Quarantäne-Zeiten wird einem schmerzlich bewusst, wie gähnend langweilig bzw. ärgerlich das Fernsehprogramm ist. Nicht nur die privaten, auch die öffentlich-rechtlichen Sender haben unterhaltungsmäßig vorwiegend Seichtes zu bieten. Am Nachmittag regnet es Rote Rosen, am Abend gibt es am laufenden Band Krimis, danach Talkshows mit den immer gleichen Gästen inklusive AfD oder eine der unsäglichen Comedy-Shows, und zu nachtschlafender Zeit schwingen die Chefärzte das Skalpell.

So unsäglich vermüllt wie die Privaten sind die Öffentlich-Rechtlichen natürlich nicht. Aber als Fernsehzuschauerin erwarte ich schon, besser unterhalten zu werden als es derzeit der Fall ist.

Wunderbar zu lesen, diese Fünfzeiler. Super gereimt.

An einer Stelle müsste nachgebessert werden:

Unglücke ab hundert Toten

Liebe Grüße
Seeräuber-Jenny

[Erich Kykal]

Hi Jen!

Du hast zwar recht mit der unnatürlichen Betonung von "Unglücke" nach exaktem Hebungsschema, allerdings kann man das hier durch "Weglassung" des 2. Hebers im Vortrag ausbügeln. Man liest den betreffenden Heber als weitere Senkung. Diese Art "schlampiger Lesart" ist probat in solchen Fällen, hab ich selbst auch schon verwendet.

LG, eKy

[Seeräuber-Jenny]

Wäre aber leicht zu beheben, z.B. durch "Unglücksfall mit hundert Toten" zu ersetzen.

Dann noch das Komma, und schon ist das Gedicht perfekt.

Liebe Grüße
Seeräuber-Jenny

[Martin Römer]

Beim Fernsehen, meine Freunde, ist auch wieder zu beobachten: die Sache der speziellen Verrottung.
Wenn ich mal an dem Ding vorbeikomme oder was oberflächliches Blickes im Internet darüber erfahre.
Nicht Geballer, Sex, das leere Gerede und was weiß ich noch sind an sich ermüdend - sondern diese Nonchalance und Ausdruckslosigkeit,
was eigentlich schon Grundschüler zum Lachen bringen müsste.
Vor vielen, vielen Jahren war die Fernsehkritik eine gelegentliche Erfrischung, aber diese Tore sind lange geschlossen.

Diese milchige Gosse kann man getrost aufgeben.
Interessant fände ich allerdings, von ein paar anderen Gesellschaftsplätzen zu lesen.
Die Beispiele müssten auf der Hand liegen.
Es ist offenkundig, dass alles dahingegangen ist zu kollektiver Wollust und Willkürlichkeit.
Was sind meine letzten Klischees?
Das jugendliche Berlin, die seltsam anständig-lockeren Studenten, die neuen Christen, die neuen Linken.....

Die lieben Brunnenplätze sind mir unbekannt und ich werde sie nicht mehr kennenlernen.
Außer dem mannigfachen "Schären Sie sich zum Teufel!" arm an gesellschaftlichen Erfahrungen.
Nun, dessen hat es mich gerade gereizt.


Nachtgrüße
M.

[Erich Kykal]

Hi Martin!

Dein letzter Satz ist eine grobe Vergewaltigung des Genitivs! Völlg falsch formuliert! Dessen hab ich gar nicht gepackt!!! 

LG, eKy

[AlteLyrikerin]

Hallo zusammen,

da ist ja in meiner Abwesenheit eine richtige Diskussion in Gang gekommen. Ja, die Verdummung durch die Medien hat unvorstellbare Ausmaße angenommen. Da gleichzeitig die Schulen zu Anstalten geworden sind, die den Menschen auf ihre ökonomische Verwertbarkeit zurichten, und in den Familien mancher Milieus etwas stattfindet, das man nicht mehr Erziehung nennen kann, wundere ich mich immer wieder, dass so viele Menschen dennoch großartige Eigenschaften entwickeln.

Ich komme aus einer Familie, in der Theater, Konzerte, ja sogar Kino nicht existent waren. Aber ein Fernsehgerät wurde so bald wie möglich angeschafft. Da das Programm nur wenige Stunden umfasste, wurde nahezu alles angeschaut. So habe ich die Tragödien von Sophokles und Shakespeare kennengelernt, die Theaterstücke von Gerhard Hauptmann und Henrik Ibsen, und vieles mehr. Heute ist das unvorstellbar!

Liebe Grüße an euch alle! Über Eure Beiträge habe ich mich sehr gefreut, AlteLyrikerin.