Autor Thema: Viermal Morgen  (Gelesen 668 mal)

Erich Kykal

Viermal Morgen
« am: Juni 27, 2020, 12:03:25 »
Sommermorgen

Der lichte Morgen hebt sich in die Himmel,
erwächst voll Heiterkeit in seinen Tag,
die Welt wird endlich wach, und im Gewimmel
ergibt sich stetig, was noch kommen mag.

Es ist ein Werden wie aus reiner Freude,
ein Sonnentanz ins Grüne voller Schwung,
und weiße Wölkchen ziehen wie Geschmeide
darüber hin und wirken ewig jung.

Ein trautes Bild voll Blütenduft und Wärme
entriegelt alle sonst verschlossnen Türen,
und was an Freude sich im Weltenlärme
erleben lässt, darf uns ins Weite führen.



Geschrieben als Gegensatz zu diesem älteren Gedicht:


Wintermorgen --------------------- 22.12.11

Der graue Morgen hebt sich nicht, er sintert
als blasses Zwielicht bleiern nach dem Tag,
das schmerzend im Betrachter überwintert,
wie in den Schatten trüber Eisbelag:

Erstarrtes Wasser zwischen Frost und Tauen,
verschmiert auf Wegen oder ins Gemüt,
und fern im Nebel, wie im Ungenauen,
ein matter Schein, der sich um Welt bemüht.

Ein Bild entspinnt sich dem erwachten Auge,
so fern der stillen Sehnsucht seines Blicks,
denn Winter fragt nicht, was Verweilen tauge
in leisen Echos sommerlichen Glücks.




Und damit sich niemand benachteiligt fühlen muss, hier dasselbe sozusagen anders herum:


Sommermorgen konträr

Der Morgen krallt in schweißgetränkter Schwüle
sich mühsam über seinen Horizont.
Die kurze Nacht verweigerte die Kühle,
als hätte anders nie sie je gekonnt.

Ein Sonnenofen glüht in heisrer Lunge
so früh bereits, noch Schlimmeres verheißend,
geschwollen klebt am Gaumen jede Zunge.
Das schon zu grelle Licht wird gleißend

und tilgt das letzte Grün aus dürren Wiesen,
als wollte es die nackte Wüstenei!
Man schwelt und träumt von Winterparadiesen,
als ob uns im Erinnern wohler sei.



Wintermorgen konträr

Der Morgen sickert über die Gestirne,
vererbt ihr blasses Blinken seinem Licht,
das glitzernd über strahlend weiße Firne
wie klares Eis in das Bewusstsein bricht.

Erhaben wird ein Tag in neuer Klarheit,
malt blaue Schatten in den frischen Schnee,
ist rein und einzig kristalline Wahrheit
zu warmen Butterbrötchen und Kaffee.

Der Hang lädt ein mit hellem Kinderlachen,
der Wald verschweigt sich und ist doch nicht tot,
und jedes Bild verspricht ein Neuerwachen
im Schein des Feuers, das im Herzen loht.

« Letzte Änderung: Oktober 25, 2020, 17:47:37 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Sommermorgen
« Antwort #1 am: Juli 03, 2020, 09:58:08 »
LieberErich,

sehr schön zeigst du die Gegensätze hier, und an den beiden Wintergedichten, dass jede Jahreszeit noch einmal verschiedene Gesichter hat. Auch der Sommer kann natürlich öde werden, wenn ständig nur die Sonne scheint und die Hitze kann die Unternehmungslust sehr lähmen.

Während ich oft glaube, ich könnte so sommerlich leichtlebig oder ich müsste so winterlich schwerblütig bleiben, vermag die wechselnde Lektüre deiner Gedichte mich sofort eines Besseren zu belehren, was ihre Qualität unterstreicht. Sie vermögen mich sogar in die Mentalität der Südländer und Nordlichter einzustimmen.

Vielen Dank und liebe Grüße von
gummibaum 

Erich Kykal

Re: Sommermorgen
« Antwort #2 am: Juli 03, 2020, 13:14:58 »
Hi Gum!

Vielen Dank für deine freundlich positiven Zeilen hierzu!  :)

Diese Serie begann, als ich zufällig hier dieses alte Werk "Wintermorgen" las. Es inspirierte mich, einen Gegenpol dazu zu schaffen, und ich schrieb darauf das oberste hier stehende Werk, das dem Faden auch den Namen gab.
Dann beschloss ich, dem Werk das alte Wintergedicht beizustellen, so als Gegenentwurf. Als ich dann die ganze Sache betrachtete, ging mir auf, dass ich bisher fast immer dieselbe Schiene bedient hatte in meinen Gedichten: Winter mies, Sommer toll.
Da beschloss ich, einen Ausgleich zu schaffen und schrieb die beiden "konträren" Gedichte dazu, die die Sichtweise umkehren. So kann sich jeder das aussuchen, was ihm am nächsten liegt.  ;) ;D

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juli 03, 2020, 20:59:08 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Sommermorgen
« Antwort #3 am: Juli 03, 2020, 19:02:18 »
Ich hatte das zweite Sommergedicht gar nicht gesehen. Super, Erich.

Erich Kykal

Re: Sommermorgen
« Antwort #4 am: Juli 03, 2020, 21:01:56 »
Wie kann man das übersehen??  :o  ??? Die kommen doch gleich der Reihe nach! Beim Runterscollen für eine Antwort muss doch auffallen, dass da noch mehr steht ...

Na, gut jedenfalls, dass es dir doch noch aufgefallen ist, dass da insgesamt 4 verschiedene Gedichte stehen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.