Autor Thema: Die wilden Jahre  (Gelesen 436 mal)

Erich Kykal

Die wilden Jahre
« am: Juli 07, 2020, 10:30:18 »
Das Kind weiß alles nun, enträtselt sich die Achsen,
darum die Welt sich dreht, und seine Taten glühen
noch heller strahlend bald in eifrigem Bemühen,
in etwas immer Größeres hineinzuwachsen.

Das Kind betrachtet sich entrückter nun im Spiegel,
beinah entwunden seinen kurzbehosten Spielen,
als wüsste es mit tiefen Blicken schon zu zielen
auf Stellen, die es weiß als seiner Lüste Siegel.

Begehren wächst in aufgetanen, frischen Sinnen,
und ahnt noch nichts von den Verirrungen und Schulden,
die wir schon kennen und die Reue still erdulden,
daraus Erfahrung uns und stiller Ernst gerinnen.

Das Kind bekümmert nichts, es will sich neu erfahren,
will lernen, was die Großen immer noch verschweigen,
von jenen, die es ihm auf seine Kosten zeigen,
bis es zu uns gehört, geprüft in wilden Jahren.
« Letzte Änderung: Juli 08, 2020, 18:44:18 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die wilden Jahre
« Antwort #1 am: Juli 08, 2020, 18:15:23 »
Lieber Erich,

schöne Reflexion über die Zeit der ersten Versuchung und baldigen Erprobung. Das Gedicht über das Wilde wirkt austariert und auf mich sogar stellenweise gesetzt (stillen Ernst gerinnen).

Sehr gern gelesen.

Grüße von gummibaum

Erich Kykal

Re: Die wilden Jahre
« Antwort #2 am: Juli 08, 2020, 18:55:11 »
Hi Gum!

Begonnen habe ich diese Verse mit dem Gedanken an die kindliche Hybris eingangs der Pubertät, wenn es glaubt, schon alles durchschaut zu haben, zu wissen, wie es zugeht im Leben - und wie naiv diese Vorstellung ist.  - Aber auch wie nötig, um sich überhaupt in die Welt hinaus zu wagen und die Kraft aufzubringen, sie gegen alle Widerstände und Versuchungen zu gestalten.

Viele taumeln und fallen auf diesem Weg, missbraucht von kriminellen oder kapitalistischen Interessen, oder gebrochen an verschuldetem oder unverschuldetem Versagen, oder sie werden selbst zu Tätern. Die Welt ist nicht gerecht, ist nicht gnädig, richtet nicht, aber hilft auch nicht - wer es schafft, da dennoch mit reinem Gewissen und sauberer Moral hindurchzukommen, und ohne sich hinterher für besser zu halten als andere, die weniger Glück hatten, müsste als Held bezeichnet werden!

Das naive Kind bekümmert nichts, es will sich ausprobieren. Moral ist etwas, das erlernt werden muss. Und jede Kultur hat ihre eigenen Moralvorstellungen ...

Vielen Dank für deinen wohlwollenden Beitrag!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.