Autor Thema: Nichts dahinter  (Gelesen 507 mal)

Sufnus

Nichts dahinter
« am: Januar 21, 2021, 13:51:34 »
Nichts dahinter

Ein Himmelsfenster weitet sich
zum Ich und seinen Seinsparolen.
Das Weltgeschehn verbreitet mich,
aus tiefem Nichtsein fortgestohlen.

Ein Fall von Einmal-und-nicht-wieder,
die Zeitlichkeit als Bonusspiel.
Das Seelchen: Schmückendes Gefieder
fürs Ding an sich, und hinterm Ziel,

in augenloser Dunkelheit,
fehlt kein Betrachter keiner Leere.
Zwar endlich, aber unbegrenzt

(es fehlt der Rahmen um die Zeit)
bleibt Leben stets das Ungefähre
und wird durchs Sterben nicht ergänzt.


« Letzte Änderung: Januar 21, 2021, 14:20:35 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Nichts dahinter
« Antwort #1 am: Januar 21, 2021, 14:01:00 »
Hi Suf!

Bisher eins der besten, die ich von dir zu lesen die Ehre hatte! Schon die erste Str. als Einstiegssatz ist absolut genial formuliert und klanglich sublim! Chapeau! Und es geht gnauso weiter - nie hat man das Gefühl, dass das lyrische Niveau irgendwo sinkt! Liest sich süffig und macht zudem die grauen Zellen satt!

Nur in der letzten Zeile störte sich mein Empfinden etwas an dem etwas gemeinsprachlich klingenden und zudem verkürzten Terminus "Totgehn". Ich ehre den Versuch, noch einmal mehr etwas Originelles aufzubieten, aber ich finde, das Werk hat davon allemal schon genug zu bieten! In diesem Falle gefiele mir ein schlichtes "Sterben" eindeutig besser.

Abgesehen bin dieser Winzigkeit: Großes Tennis! Meine Reverenz! (Hier denke man sich bitte ein Hutlüfte- und ein Verbeuge-Emoji)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Nichts dahinter
« Antwort #2 am: Januar 21, 2021, 14:20:12 »
Hi eKy!

Welche Freude! :) Dein allerhöchstes Lob macht mich sehr stolz und tut auch noch gleich doppelt gut, weil ich mir recht unsicher mit diesen Zeilen war - bei eigenen Hervorbringungen ist man (also jedenfalls geht mir das so) oft unsicherer bzgl. der Wertigkeit als bei fremdem geistigen Eigentum. Da bin ich mir meiner Urteile meist ziemlich gewiss (was nicht heißt, dass ich nicht auch mal total daneben liege  ;D ). Aber bei eignen Texten hab ich oft das Gefühl völlig betriebsblind zu sein und weiß gar nicht, was ich am Ende vor mir habe: Den letzten Quatsch oder etwas Wertiges. Da hilft ein Lobeswort aus Deinem Mund natürlich sehr! :)
Und mit dem Totgehn hast Du völlig recht... das Wörtchen gibt an einer Stelle nochmal ungebührlich Gas, wo man eigentlich winkend den Zieleinlauf genießen sollte - wird geändert! Merci auch dafür! :)
LG!
S.
« Letzte Änderung: Januar 21, 2021, 14:22:21 von Sufnus »

Rocco

Re: Nichts dahinter
« Antwort #3 am: Januar 21, 2021, 20:03:05 »
Hallo Sufnus,

man sollte Leben nicht mit vegetieren verwechseln, also eine Aufforderung, sein Leben in die Hand zu nehmen.

Ein anregendes Gedicht. So soll es sein.

Einen schönen Abend

Rocco
« Letzte Änderung: Januar 21, 2021, 20:58:58 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

AlteLyrikerin

Re: Nichts dahinter
« Antwort #4 am: Januar 23, 2021, 14:09:43 »
AlteLyrikerin bekennt, das kann man durchaus so sehen. Vor allem bei einer so herrlichen Formulierkunst. Jedoch lebe ich lieber in der schöneren Geschichte, und die funktioniert nur, weil es hinter dem Spiegel doch noch etwas gibt und der Tod nur die letzte Wandlung ist. Jedenfalls habe ich die Gegenposition selten so gelesen, dass die Worte einen intensiven Geschmack hinterlassen.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Nichts dahinter
« Antwort #5 am: Januar 27, 2021, 12:30:52 »
schöne und er nsthafte Poesie , gut gesetzt und komponiert, lieber Sufnus. Klasse. LG von Agneta