Autor Thema: Gedichte Archiv Beisl 22  (Gelesen 11583 mal)

Seeräuber-Jenny

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #30 am: Oktober 14, 2022, 16:15:44 »
Hallo Hans,

die Islamisierung treibt dich um. Aber ich kann dich trösten. Glaubt man den Stimmen aus dem Iran, so hat es sich bald ausgemullaht:

"Das Gesicht des Irans wird nicht mehr jenes sein, das wir vor Mahsas Tod sahen. Auch das Gesicht des Nahen Ostens und der islamischen Welt wird nach diesem Tod anders sein. So wie die islamische Revolution im Iran vor 43 Jahren die gesamte islamische Welt erschütterte, so wird auch diese Revolte, deren Parole „Frau, Leben, Freiheit“ ist, mit Sicherheit vieles jenseits der iranischen Grenzen verändern. Die Taliban, der islamische Staat, Al Qaida oder sogar die jüngste Islamisierung der Türkei durch Erbakan und Erdogan, sie alle waren sunnitische Antworten, politische Gegenmodelle zur schiitischen Revolution im Iran. So wie die russische Oktoberrevolution war die Machtergreifung der Mullahs im Iran vor 43 Jahren zweifellos eine Weltrevolution. Mit dieser Revolte nähert sich die Welt dem Ende des politischen Islams, den wir bisher gesehen haben. Keineswegs ist es übertrieben, zu sagen, es gibt einen Iran vor Mahsas Tod und einen anderen danach." (Iran Journal)

https://iranjournal.org/gesellschaft/proteste-im-iran-revolute-der-frauen

Der "Great Reset", wie er vom Weltwirtschaftsforum angestrebt wird, soll dazu dienen, die Gesellschaft gerechter zu gestalten. Von Antisemiten wurde dieser Begriff aufgegriffen und ins Gegenteil pervertiert, indem von globalen Finanzeliten geschwurbelt wird. Nichts Neues. Dazu braucht man nur Adorno zu lesen.

Auch am gläsernen Bürger wird schon seit den 80er Jahren gebastelt. Klar, dass man heute die technischen Möglichkeiten hat, das Werk zu vollenden, und davon auch Gebrauch macht, Staat und Wirtschaft gleichermaßen. Wobei wir noch gut dran sind, weil wir einen starken Datenschutz haben.

Die relative Verelendung der Bevölkerung kann weder den Personen Biden und Putin noch der Ampelregierung angelastet werden. Sie hat ihren Ursprung in den zyklischen Krisen des Kapitalismus, die aus Konkurrenz auf den Märkten entstehen und in Imperialismus und Krieg münden.

Es gibt Alternativen zum Kapitalismus, aber keine Alternative zur Demokratie. Was, wenn nicht Demokratie? Monarchie? Ist hier nicht mehr möglich. Diktatur? Dass die Diktatur des Proletariats nicht funktioniert, dürfte seit Stalin klar sein. Und ein faschistischer Staat, wie er Höcke & Co. vorschwebt, nein danke.

Lieben Gruß
Jenny

« Letzte Änderung: Oktober 17, 2022, 01:19:16 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Sufnus

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #31 am: Oktober 16, 2022, 16:30:10 »
Also macht euch keine Sorgen. Ich bin mitnichten eine Neuauflage der RAF oder Antifa, Pandemieleugner, Reichsbürger, AfD Klatscher, nein, ich möchte einfach nur wieder mein Land so erleben, wie es unter Helmut Schmidt und der alten SPD einmal war.
Gruß vom Hans

Ha! Ich wusste es! Als ich weiter oben die SPD als einen ehemaligen politischen Verortungspunkt von Dir erwähnt habe, wollte ich tatsächlich auch Schmidt Schnauze erwähnen... wobei ich annehme, dass Du als junger Mensch auch am frechen Oskar und seinem Verdikt über Sekundärtugenden Deinen Spaß hattest, oder? Der Unterhaltungswert war nun auch definitiv größer als der vom seligen Herrn Zeyer. Und hast Du sellemols den Doppelbeschluss wirklich für eine gute Idee gehalten? (no offence und keine nachträgliche Besserwisserei meinerseits, denn hinterher ist man ja bekanntlich immer klüger... mir wäre bei dem Gedanken an Pershing-Stützpunkte in der Nachbarschaft jedenfalls auch mulmig geworden... ).
LG!
S.

Seeräuber-Jenny

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #32 am: Oktober 17, 2022, 01:07:31 »
Oha, ich war auch mal bei den Falken und in der SPD! Aber Helmut Schmidt und der unselige Nato-Doppelbeschluss haben mich damals bewogen auszutreten. Kannte trotzdem ein paar gute Leute da, die Falken, die Frauen, unseren damaligen Bundestagsabgeordneten Dieter Lattmann, der die Künstlersozialkasse ins Leben rief, meinen Chef Günter Wirth, bei dem ich meine Lehre machte. Und Karl Lauterbach finde ich auch gut. Aber ich kann sie fast an einer Hand abzählen, die Integren. An Karrieristen dagegen herrscht kein Mangel. Wie in allen Parteien. Trotzdem bin ich wohl im tiefsten Herzen Sozialdemokratin geblieben und freue mich immer, wenn sie die Wahl gewinnen.

Lieben Gruß
Jenny

« Letzte Änderung: Oktober 17, 2022, 01:24:59 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #33 am: Oktober 17, 2022, 10:12:08 »
Danke fürs Reinlesen..
Es gäbe noch so vieles zu diskutieren aber ich habe diese persönliche Standortbestimmung geschrieben um darzustellen, wie schnell man sich im Lager der Störenfriede wiederfindet, weil man das, was man als öffentliche Ordnung bezeichnet, nicht als gegeben akzeptiert. Ein Jasager war ich noch nie und es reicht völlig, dass ich mich auf der Wiese auf zwei Threads beschränke.
Beislgrüße

■■■■■

Der große Rosa ist tot

Der lange Riese konnte lesen.
Lesen und sprechen, lange bevor
wir es konnten.
Zu Lebzeiten Legende gewesen.

Der unrasierte Riese,
der Wert drauf legte Jude zu sein
aber Israel nie bereiste --
die Klagemauer war ihm klein.

Der in Sandalen bis Nepal trampte,
in Mexico, Japan und China war,
immer auf der Suche
nach dem geheimen Avatar.

Sein Kunststudium war nur Ausrede.
Er konnte Arno Schmidt zitieren,
über Stifters Nachsommer und
Adorno besoffen referieren.

Du warst unsere nächtliche Laterne,
du Untier beim Bayer Willi,
mit Gefühl und Kopf in der Ferne
und wir waren junge Burschen.

Zweibrücken zu spießig
und München zu groß.
« Letzte Änderung: Oktober 17, 2022, 10:13:56 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #34 am: Oktober 24, 2022, 12:44:11 »
Sie blieb nie lange

Sie war mal 'ne richtige Schönheit
Sie wusste wo und wann
Sie blieb nie lange
Sie warf die Haare nach hinten

Ihr Leben war geschickte Planung
Ihr Lächeln entwaffnend
Ihr Blick von der Seite
Ihr Sinn für Balance war angeboren

Die Männerintervalle wurden kürzer
Die Partys seltener
Die Spiegel weniger
Die Söhne waren erwachsen

Baden in Eselsmilch
Botox und Gurkenmaske

Collagen und Meersalz
Corselagen im Schrank

Ein langsamer Abschied
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #35 am: Oktober 24, 2022, 13:06:51 »
Hi Hans!
Deine zwei letzten Textwürfe, also Der große Rosa ist tot und Sie blieb nie lange tönen beide ein bisschen anders als ich es sonst so von Dir kenne, sie haben weniger "Bühnen-Sound" und klingen literarischer (ich hoffe, Du verstehst das als Kompliment und nicht als Kritik - und zwar als ein Kompliment, das explizit NICHT denunziatorisch gegenüber einem schmissigen Bühnentext ist).
Beim großen Rosa scheint eine konkrete Person gemeint zu sein - da fehlt mir das Hintergrundswissen. Aber die Zeile lesen sich sehr innig und nahbar.
Der Abgesang über eine alternde Schönheit ist demgegenüber auch ohne Insiderwissen verständlich. Nur bei "Corselagen" bin ich mir nicht sicher: Sind Korsagen gemeint? Und bei den Männerintervallen hätte in meiner persönlichen Logik mehr Sinn gemacht: Die Männerintervalle werden länger (sprich: Die Anzahl der Männer pro Zeit nimmt ab).
Auf alle Fälle sind das zwei Texte, in die ich äußerst gerne Lebens- und Lesezeit investiere! :)
LG!
S.

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #36 am: Oktober 24, 2022, 14:33:32 »
Hallo Suf,
Wenn man lyrisch unterwegs ist, kommt nach vielen Reimgedichten auch mal das Interesse an vers libre, vor allem weil ich in letzter Zeit wieder Wondratscheck lese. Prosaische Lyrik hat episch andere Möglichkeiten und ist differenzierter. Aber, ich gebe es offen zu, auch weniger anstrengend, als ständig im Reimlexikon zu suchen oder tausendfach benutze Reimwörter zu quälen.
Ein Versuch also....

Zu den Werken...
Mein Freund Günter Rosa ist gestorben und ich habe mich an ihn und meine Jugend erinnert.
Ein Verstehversuch ....

Ja, ich mochte ihn sehr gerne und sein Tod hat mich überrascht, auch weil sein Ende zu profan war, ohne Getöse, sondern so stinknormal in der Reha nach einem Schlaganfall. Der Tod schneidert für uns ein einfaches Hemd.
Manche Leser mögen ähnliche Jugendbekanntschaften gehabt haben, die an den entscheidenden Schnittstellen des Lebens wichtige Impulse gesetzt haben und Interessen auf bestimmte Bereiche gelenkt haben. Das können sportliche, berufliche oder aber wie in diesem Fall künstlerische Impulse sein. Man lenkt seine Interessen in diese Richtung und merkt:--- Das fasziniert mich, das könnte mein Ding sein und viele Jahre später erkennt man, dass es eben diese Freundschaft war, die diese Form des Engagements ausgelöst hat.

Für mich persönlich gesprochen, hat sich das viel später eingestellt, denn es gab davor viele Jahre wichtigere Dinge für mich auszuprobieren, Frauen, Autos, Motorräder, Beruf, Geld verdienen,:D also gar keine keine künstlerischen Ambitionen.

Erst durch die Theaterbühne und Stand up Comedy habe ich mich wieder fürs Lesen und Schreiben interessiert.

Es gibt ja Autoren und Dichter, die schon mit 10 Jahren ihre ersten Essays und Gedichte geschrieben haben, wie mein Lieblingsdichter Wolf Wondratscheck, der mit 75 Jahren immer noch schreibt und dessen Gesamtausgabe von Suhrkamp nächstes Jahr verlegt wird.
Hut ab vor solchen Künstlern aber das bin ich nicht und wollte es auch nie sein. Der verkopfte Denker, nein, dafür war das Spiel des Lebens zu spannend.
In meiner Heimatstadt kennen ihn nicht viele, dazu war er zu kauzig und München, nun ja, ist riesig und voll mit Lebenskünstlern.
Aber für mich und ein paar wenige war er sehr wichtig.

Sie blieb nie lange
17 Zeilen stellvertretend für 30 Jahre. Die Idee kam als ich SIE in einem Café gesehen habe.

Intervalle werden kürzer, weil die Beziehungen oberflächlicher werden.

Corselage ist eher im englischen, in der Modebranche üblich. Korsett klang mir zu spröde, zu deutsch.

Danke fürs Reinlesen und deinen Kommentar.
Beislgrüße
Melde dich, wenn du mal in der Nähe bist.
« Letzte Änderung: Oktober 24, 2022, 14:38:27 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #37 am: Oktober 24, 2022, 14:59:50 »
Hi Hans!
Mein Beileid zum Tod Deines Freundes. Deine Zeilen sind ein sehr schönes Memento.
Und ansonsten muss ich sagen, dass Dir die freien Verse wirklich sehr gut gelingen! Wondratschek könnte ich auch einmal wieder lesen - eine gute Anregung! :)
... und wenn es mich in den schönen Südwesten verschlägt, meld ich mich... :)
... jetzt bekomm ich Lust auf schöne gegrillte Merguez.... :)
LG!
S.

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #38 am: Oktober 25, 2022, 14:15:13 »
Hallo Suf,
Danke und Merguez mit Harissa mag ich gerne.
Beislgrüße

■■■■■

Das Muster der Gräser

Lange hielt sie die Augen geschlossen
atmete in kurzen Abständen
das Zucken ihrer Bauchdecke
wurde weniger, sie blickte nach oben

Die Wiesenlichtung bot einen Blick
auf das satte Grün im Tal
die Sonne brach sich duch
das Blätterdach einer alten Steineiche

Langsam drehte sie sich auf den Bauch
suchte nach dem Feuerzeug
wischte mit dem Handrücken
über kleine Schweißperlen auf der Stirn

Was? fragte sie und drehte den Kopf
Jackson Pollock, würde ich sagen
sie zog an der Zigarette, spinnst du?
das Muster der Gräser aufm Hintern

Pollock? - nochmal?

.
Jackson Pollock

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiHUqJMDHtLDkHGypFieiBgFh4qmbhWOrnAQYkI2OPhZghEZRFgHveq1SQMnHZ1eVyV0ztm9HuNW6-m9YeDeZB0g6SkHZirXJrTejNfkK7DZ_QOFDETVsQGcABdkwaDDy3cG0L9N6-73jjLS7TpwovQRcOxkfRj9EkCL-o8xJkc5SW00EsIuBtd-N19zQ/s1375/20221024_151248.jpg
« Letzte Änderung: Oktober 25, 2022, 14:31:25 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #39 am: Oktober 27, 2022, 23:16:46 »
Die letzte Generation

Für zwei Prozent vom Schmutz hau'n
die ganz schön aufn Putz ...
Montag - geht's in künstlerische Hallen
und man lässt den Kampfesruf
erschallen ... "nieder mit van Gogh" und
ein jeder weiß es doch ... getreu dem Schrei, fliegt auch schon Kartoffelbrei .... im Verbund mit Pomodori gegen alte Meister a priori ... abends nach getaner Arbeit dann, ergibt man sich dem
Gaming Wahn .. und killt als Ego
Shooter jede Menge Nerd Computer.

Dienstag - wird'n harter Tach, denn es
folgt nun Ungemach ... für Porsche,
Benz und SUV, wie dem Rest der Autoindustrie ... volle Kanne vor'n Latz auf'm Alexanderplatz .... dort kleben sie sich fest und weder Polizei noch wütende Passanten können Demonstranten ...von der Straße tragen, auch wenn sie geschlagen .... und getreten, sie bleiben hart und beten ... dass der Gott, der CO2 verflucht, sie im Schlaf nicht noch besucht .... denn die brauchen Kraft und Energie,  sonst schaffen sie das nie....

Mittwoch - geht man's locker an, denn heut sind  die Influenzer dran ... Bitcoins schürfen - Latte schlürfen ... so vergeht
der Tag mit Zinseszinsen, dazwischen blöde in die Webcam grinsen ... Wokeness like die Tussis smashen und im Chat den Putin bashen ... das macht Laune und bringt Geld und wem jetzt noch nicht der Groschen fällt ... ist ein Looser oder alter weißer Mann, den man nicht gebrauchen kann.

Donnerstag - heißt's Seeluft tanken und
der Frau Rakete danken ... denn die
rettet mitgehangen jeden, der von Bord gegangen ... auch Tanker oder Kreuzfahrtschiffe werden gern geentert und dass man nicht kentert .... geht der Ballast über Bord und als letztes Wort ... good bye wegen dieser Barbarei ... tauchen Fässer unter
lautem Tuten klatschend in die Fluten .... während Rettungsboote sinken und die Passagiere winken .... geht dieser Tag zu Ende und Jack Sparrow reibt die Hände.

Freitag - heute geht's glutenbefreit und
auch funbereit ... mit Snowboard über letzte Gletscher und als flashing catcher ... den blau-gelben Rennanzug, den Solensky öfter trug .... danach downhill speed mit Lastenrad über Holperweg zum Höllengrad ... ist man unten angelangt, wird mit Tombola gedankt ...erster Preis vegane Treter im Jutesack für Peter.

Samstag - man ist ausgelaugt von Kleber und von Ketten, ganz erschöpft vom Weltenretten und woll'n ma wetten? ...keine Demo mehr am Wochenende,
nicht mehr über Meere schippern, auch
nicht vor der Glotze bibbern.

Sonntag - was steht an?
Hä ... Demo Free Assange?
Och nee, det is mir zu strange. 
.
Poetry Slam Hans Beisschmidt 10.20228


« Letzte Änderung: Oktober 27, 2022, 23:22:35 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #40 am: November 19, 2022, 15:31:24 »
Die Geister die er rief

Besen Besen sei's gewesen
es wollt partout ihn keiner lesen
nach soviel Unmut Kraut und Rüben
sagt' er zum Abschied: Tschüss ihr Lieben

nun ist er wieder da wie schade
und schreibt denselben Murksel fade
selbst Asbach Uralt wird auf's Neue
schnell animiert und ohne Reue

den Lesern lauwarm aufgetischt 
und wird wenn nötig aufgefrischt
mit abgelutschten Kommentaren
die schon damals Scheiße waren

doch werden solche nach drei Tagen
nicht besternt und mittels Fragen
hochgehievt wird er eben selbst aktiv
und beschwört die Geister die er rief

neben Selbstgesprächen so gestört
ist auch keiner da der ihn noch hört
zwischen Hegel Zeus und Michelangelo
wär ein jeder Soziopath doch froh

er könne seine Mär verbreiten
verhielte er sich nur bescheiden
doch Walle Walle wie im Schwalle
fließen Exkremente aus der Kralle

wie es trollt beim alten Hexenmeister
gegen alle Pflicht der guten Geister
will seinen Quargel gar verschenken
und versteht es Peinlichkeit zu lenken

in die Ecke alter Besen
sei's gewesen sei's gewesen
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #41 am: November 20, 2022, 20:02:11 »
Hey Hans!
Schön, dass Du Deine Zauberlehrlingvariation mit uns teilst! Wie das Stichwort "Quargel" andeutet (gibts da kein Copyright von Meister R. drauf? ;D ) geht es wahrscheinlich um eine andernorts wieder aufgeflammte Betätigung eines promovierten Vielschreibers, oder? Das mag auf der Wiese nicht so recht passen, erwies sich aber, horribile dictu, leider dennoch als nur allzu prophetisch...
LG!
S.
« Letzte Änderung: November 20, 2022, 21:20:03 von Sufnus »

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #42 am: November 26, 2022, 15:14:28 »
Hallo Suf,
ich denke, du spielst auf das kleine Ralfelchen an? Nein, nicht er ist mit dem Schmähgedicht gemeint.

Es geht um einen geschassten Moderator, der sich wieder als User neu angemeldet hat. Durchaus begabt aber leider höchst neurotisch. Das Gedicht würde in besagtem Forum auch gleich wieder gelöscht. Ad hominem ... war klar, wer gemeint war. By the way ... der Zauberlehrling hat mich schon einmal inspiriert und eignet sich sehr gut für Sachvehalte, die in die Hose gehen.
Danke fürs Reinlesen
Beislgrüße
.
■■■

Torbilanz und Toleranz

Die Binde war an allem schuld
die Mannschaft war nicht bei der Sache
es fehlte insgesamt Geduld
und Kampfesgeist. Dazu die schwache

Torbilanz und blöde Maskerade
mit Hosen voll und Hand vorm Mund
die saure Peinlichkeit, wie schade
nee, bei DER WM lief gar nix rund

die ticken anders in den  Wüstenstaaten
wir passen nicht in deren Rahmen
So spart euch Worte wie auch Taten
beim Scheich und seinen Haremsdamen

wär'n wir bei der Quali rausgeflogen
wir bräuchten keinen Richterstab
und spielten sicher ungelogen
mit Österreich im Herzens Cup 

■■■

Glotzverweis

Infantino und sein übles Pack
tritt sogar bei toten Sklaven nach
fault sie noch im Leichensack
rote Karte für die FIFA-Schmach

Infantino mit den roten Haaren
sponsert Trikots mit Millionen
bläst ins Horn der Geldkataren
schnappt die Werbe Subventionen

Infantino kümmert mich nen Scheiß
ich erteil mir selber Glotzverweis
« Letzte Änderung: November 26, 2022, 15:19:15 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #43 am: Dezember 05, 2022, 14:33:33 »
KULT[UR]
Mit „Ich warte noch auf Altersmilde“ hat Hans Beislschmidt Gedichte aus den Jahren 2011 bis 2021 vorgelegt
Foto: Engelsdorfer Verlag
Buch-Tipp: Vergeblich gewartet?

02.12.2022
Hans Beislschmidt wartet auf Altersmilde. Bisher vergeblich. Der Mann ist 68. Und es scheint, als sei er scharfzüngiger statt versöhnlicher geworden in den vergangenen Jahren. Und dabei war Beislschmidt zu der Zeit, als er noch auf der Bühne stand, bereits nicht der feinsinnigste unter den saarländischen Kabarettisten und – wie sich der Autor selbst bezeichnet – Comedians. Viele kennen den Mann, der eigentlich Hans Schmidt heißt, aus seiner Zeit als Wirt und Kulturveranstalter im Blauen Hirsch im Saarbrücker Stadtteil Sankt Arnual, den er bis 2018 betrieb. Beislschmidt war auf der Bühne immer mehr ein Meister des Säbels als des Floretts. Und so wundert es nicht, dass seine Gedichte auch als Brachialliteratur daherkommen.

Nach seinem ersten Gedichtband „Ich war nie wohlgefällig“ hat er nun in „Ich warte noch auf Altersmilde“ Gedichte aus den Jahren 2011 bis 2021 vorgelegt. 180 Seiten umfasst das von Pola Polanski illustrierte und im Leipziger Engelsdorfer Verlag veröffentlichte Buch.

„Wenn sie in ihren Trögen schwitzen und Fürze aus den Hirnen weichen, dann weißt du – anstatt Geistesblitzen, sie olfaktorisch uns erreichen“, beschreibt er etwa „die Arschkriecher“. Beislschmidt kritisiert in seinen Gedichten legalisierte Kinderehen und den Kampf um Lebensmittel bei der Tafel, den „die Greisin neben fetter Zecke“ seiner Wahrnehmung nach nur verlieren kann. Der Dichter gerät dabei gelegentlich ins Fahrwasser derer, die sich in den sogenannten sozialen Medien das Maul zerreißen, um zu behaupten, dass man ja nichts mehr sagen dürfe in diesem Land. „Im Land der Dichter und Denker wird selbst das Flüstern leiser und die einst für Freiheit waren, sind heute Hosenscheißer“ – so klingt das bei Beislschmidt. Dass er selbst in einen Flüsterton fällt, ist nicht zu erwarten. „So lange ich noch denken kann, versiegt kein Rinnsal zwischen Steinen und trifft mich auch ein Redebann, so bin ich doch mit mir im Reinen“, reimt Hans Beislschmidt.

Martin Rolshausen

Forum / saarländisches Wochenmagazin

Hans Beislschmidt: Ich warte noch auf Altersmilde. Engelsdorfer Verlag. ISBN 9783969402993.
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

hans beislschmidt

Re: Gedichte Archiv Beisl 22
« Antwort #44 am: Januar 07, 2023, 15:33:04 »
 Horizont und Spreu

Wir stellen unsere Umbruchuhren auf
wechselhafte nonbinäre Welten
und verlassen uns naiv darauf,
dass alte Normen weiter gelten.

Beim Umbruch nach der Chaostheorie
wird nichts mehr sein, was dereinst war.
In dieser misanthropen Agonie
ist unsereins nicht mehr auf dem Radar.

Tut mir leid, dass wir es nicht erkennen
wie Stückwerk sich zu hohem Sinn vereint.
Um Horizont und Spreu zu trennen,
fehlt uns ein Augenblick, wie es mir scheint.

Bei Hawkins düsteren Prognosen und
dem Blick in weit entleg'ne Ferne,
fühlt man sich bestenfalls als Hund,
doch ist man größtenteils Laterne.

■■■■
Letzte Frist

Du bist des Sommers kühle Braut,
die durch den Wald und Nebel geht
und niemand, der dir anvertraut,
im Sterben dich mit Trost umweht.

Du selbst gabst dir die letzte Frist
und zogst den Schleier übers Land.
Bei allem, was vergänglich ist,
hobst du ein letztes Mal die Hand.

Ein Abschied nur, dann war es Zeit
für letzten Hauch am alten Ort,
denn jener, der dich einst gefreit,

der wartet schon - sie hält ihm Wort
und flüstert leise: - "bin bereit".
Danach zog sie im Nebel fort.

■■■■
Schattenriss

Du nennst dich lobend gern Idealist
und deine schlauen Worte füllen jeden Saal,
doch haben Mächte stets auch ihre Frist.
Nur dumpfem Blasenschwarm ist das egal.

Auch wenn Applaus dich hievte in dein Amt,
bemisst die Willkür ständig jedes Maß
wird jeder Zweifel prompt in Frust verdammt,
wo guter Wille Freiheit nur vergaß.

Was nützt die Folgschaft, buhlend deiner Gunst,
reicht nur dein Blick, schon ist der Tag geritzt,
geleckte Stiefel und man preist die Kunst
des Meisters, der am läng'ren Hebel sitzt.

Drum tritt heraus aus deinem Schattenriss,
sei freier Geist, und kündige mit Mut
der Zepter Fesseln, denn es scheint gewiss -
nur mit dem freien Herzen sieht man gut.

« Letzte Änderung: Januar 07, 2023, 15:43:36 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)