Autor Thema: Der Mensch, die ewige Dramaqueen  (Gelesen 382 mal)

Erich Kykal

Der Mensch, die ewige Dramaqueen
« am: Dezember 04, 2022, 12:21:04 »
Das heroische Pathos

Ein Schicksal heißen wir, was wohl zu ändern wäre,
benennten wir es nicht so rasch als unausweichlich.
So ist der Menschen Leid an Schicksal überreichlich,
und was man hofft, verpufft ins ewig Ungefähre.

Tragödie begleitet uns wie eine Schwäre,
die nie verheilen darf, damit sie unvergleichlich
Geschichte gründe, die uns nie als irgend weichlich
erscheinen lasse: Manna, das ein Volk ernähre!

Wir gründen ganze Staaten auf gebrachte Opfer,
selbst Romeo und Julia, sie müssen sterben,
damit Betrachter täglich die Erkenntnis erben,

dass nur ein Leiden wert ist, dass man dafür blute!
Geschichte bleibt das Bühnenbild der Sprücheklopfer,
und nur im Tode lebt das einzig wahre Gute.


Das religiöse Pathos

Wir werden und vergehen nicht aus freien Stücken,
und was dazwischen liegt, entzieht sich oft der Planung.
Wir brauchen Götterwesen wie zur steten Mahnung,
dass unsre Werke nur mit fremder Hilfe glücken.

Wie viel an Mühsal muss ein ganzes Volk bedrücken,
befallen an Gefühlsverklausung und -zerspanung,
damit es fallen kann in eine erste Ahnung
von wahrer Mündigkeit und einem graden Rücken?

Wer wagt es, endlich einmal laut zu postulieren,
dass es die Menschen sind, die ihre Götter machen,
nicht umgekehrt, wie menschgemachte Schriften sagen?

Wann reift uns die Erkenntnis, dass wir uns kastrieren,
wenn wir uns Bilder von erdachten Mächten machen,
wie stumme Kinder, die nicht aufzublicken wagen?
« Letzte Änderung: Dezember 13, 2022, 17:06:38 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Der Mensch, die ewige Dramaqueen
« Antwort #1 am: Dezember 05, 2022, 03:30:53 »
Hallo Erich,

spontan fällt mir ein: Es braucht Intelligenz, damit einem Dummheit auffällt.

Die Forderung, man solle den eigenen Kopf gebrauchen, ist gut und schön, aber: wie?

Wie denkt man richtig? Dafür gibt es leider keine Prüfung.

Zudem: Der Gott des einen, ist der Götze des anderen. Wer kann sagen, was stimmt?

Ich vermute: Religionskritik setzt ein gewisses linkes Weltbild voraus. Einige Wenige nutzen ihre Macht über die Vielen aus, indem sie vorgeben, ihre Macht stamme von einem Gott.

Für diese Erkenntnis braucht es Bildung. Damit sind wir erneut beim "wie"?

"Geschichte bleibt das Bühnenbild der Sprücheklopfer" - die beste Stelle.

Dir einen schönen Tag!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Der Mensch, die ewige Dramaqueen
« Antwort #2 am: Dezember 12, 2022, 11:55:02 »
Hi eKy!
Eine wortgewaltige und schwarzgallige Abrechnung mit den Narrativen des geschichtlichen "Weltgeists" (zumindest in seiner vulgärphilosophischen Vergröberungsdeutung) und des religiös fundierten Unmündigkeitsgestus (auch dies ergibt sich nicht zwangsläufig aus jeder religiösen Grundhaltung, außer man wollte den Begriff "Religion" zirkelschlussartig gerade so definieren).
In meiner Alltagswahrnehmung mitmenschlicher Trägheit und Verantwortungsdiffusion begegne ich allerdings den beiden von Dir postulierten Haltungen eher selten. Mir scheint bei den meisten Menschen eher eine Art "Denkhemmung" virulent, die ganz ohne philosophisch oder religiös bedingte Herleitung auskommt, die aber jede Art von Reflexion, von gedanklicher Offenheit und teamorientiertem Zukunftsmut verhindert.
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Der Mensch, die ewige Dramaqueen
« Antwort #3 am: Dezember 13, 2022, 17:14:45 »
Hi Roc, Suf!

Zuerst: Ich habe oben eine kleine Titeländerung vorgenommen, da ich im Nachhinein finde, dass "heroisches Pathos' für das erste Sonett besser passt als das 'historische'. Grob gesprochen besteht unsere Geschichte ja hauptsächlich aus sogenannten 'heroischen Akten" irgendwelcher Potentaten, Feldherren, Krieger, seltener solche von Helfern, Heilern oder Philosophen. Interessant, wonach die Menschen immer noch den Wert von Geschichte und ihren Geschichten bemessen ...  ::) :o >:D

Religionskritik setzt keine bestimmte Geisteshaltung voraus, bloß eine korrekte Geistesbenutzung ...  ;) ;D Dieser kann sich jeder bedienen, links oder rechts, wenn er es denn möchte ...

Vielen Dank für eure Gedanken!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 15, 2023, 22:58:33 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.