Autor Thema: Rasches Urteil  (Gelesen 260 mal)

Erich Kykal

Rasches Urteil
« am: Juni 13, 2023, 21:57:36 »
Wie wir alle doch am Kern vorüber leben
und einander immer fröhlich falsch verstehen,
nie die Leinwand hinter all den Bildern sehen,
die Substanz, auf der die hohlen Masken kleben.

Wie wir alle doch in Überzeugung baden,
dass die hehre Wahrheit einzig uns gegeben,
uns verschworen sei zu einem hohen Streben,
darin wir der Welt und andern niemals schaden.

Wie wir alle doch zutiefst darin versagen,
jene Einsicht raschem Urteil vorzuziehen,
dass wir stets von allem nur die Hälfte wissen!

Wenn wir aufbegehrend hinter Larven fliehen,
Zornesboten, die in Überzeugung ragen,
sind wir Oberfläche nur, doch nie Gewissen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Rasches Urteil
« Antwort #1 am: Juni 15, 2023, 22:55:33 »
Lieber Erich,

dein schön geschriebenes Gedicht beklagt unsere Voreiligkeit im Urteil über andere und die Selbstgerechtigkeit, mit der wir unser Urteil für richtig halten. Das zeugt wirklich von mangelndem "Gewissen" der Menschen.

Mit dem „alle“ äußert deine Klage aber selbst ein „rasches Urteil“. Schließlich fühlen wir uns von manchen Mitmenschen besser als von anderen verstanden und gelegentlich sogar besser als von uns selbst. Die „Masken“ fallen dem Menschenkenner eher auf. Sie verraten -da sie nicht frei wählbar sind- verheimlichte Elemente des Kerns. Und wer tolerant und sich selbst gegenüber kritisch ist, wird beim Urteilen eher nicht verurteilen.   

Sehr gern gelesen.
LG g

Erich Kykal

Re: Rasches Urteil
« Antwort #2 am: Juni 16, 2023, 00:51:33 »
Hi Gum!

Vielen Dank für das Lob und die Gedanken. Wir alle wissen ja genau, wie wir uns zu verhalten haben sollten, aber selbst dem willigsten Menschen fällt es mitunter schwer, dem treu zu bleiben. Ich nehme mich nicht aus - ich kenne Hass, Wut, Verachtung auch im eigenen Wesen und bin nicht frei vom Wunsch nach Rache, Genugtuung oder Kompensation, selbst wenn andere die Schuld bei mir sehen. Niemand ist eben perfekt ...  :o ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.