Autor Thema: Selbstgericht (Doppelsonett)  (Gelesen 1511 mal)

Erich Kykal

Selbstgericht (Doppelsonett)
« am: September 23, 2023, 19:43:41 »
Versucher sind wir, die sich selbst versuchen,
und wenn wir fallen, schonen wir uns nicht:
Verfemte vor dem eigenen Gericht,
die ihrem Schicksal und der Folgen fluchen.

Bestrafer sind wir unsrer eignen Sünden,
geständig suchend nach der Gnade Licht,
und doch als Kerkermeister in der Pflicht,
die ewig sich der Dunkelheit verbünden,

die unser Fehlen vor der Welt verbergen,
verwischen kann, was wir im Rausch getan.
Sie macht aus Riesen eine Schar von Zwergen,

die sich in ihr verkriecht, dem Licht der Gnade
so fern in ihrem selbst erschaffnen Wahn
wie Heiden dem Besitz der Bundeslade.


Wie können wir vor uns Vergebung finden,
dass endlich heilen kann, was uns verbog?
Dass uns der Richter, der von Sühne log,
entlässt, anstatt sein Urteil zu verkünden?

Wann fassen wir, dass wir im Leben fehlen,
damit wir lernen, Bessere zu sein?
Stattdessen machen wir uns selber klein,
entschlossen, uns zu strafen und zu quälen.

So wird kein Morgen je uns friedvoll grüßen,
kein Heil uns werden aus bereuter Tat,
kein Licht uns je die Finsternis versüßen,

darin wir treiben, bis wir drin versinken,
und jeder Tag, der um Vergebung bat,
wird ungenutzt in altem Weh ertrinken.
« Letzte Änderung: September 29, 2024, 19:48:10 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Selbstgericht (Doppelsonett)
« Antwort #1 am: September 24, 2023, 10:57:01 »
Doppelchapeau fürs Doppelsonett, lieber Erich.

Erinnert mich an deine Todsünden-Sonette. Wortgewaltig geschrieben. Worum geht es?

Der strafende Umgang, den wir mit uns pflegen, statt uns für unsere die Fehler, die guten Lehrer, die wir ins Boot nehmen, dankbar zu sein, muss jede Entwicklung abwürgen, das Leben verstümmeln.

Kleinigkeiten: zweimal „lernen“ in V 19/20 und „erbat“ statt „bat“ in V 27.

Mit großer Freude und Trauer genossen.

Liebe Grüße von gummibaum

Erich Kykal

Re: Selbstgericht (Doppelsonett)
« Antwort #2 am: September 24, 2023, 12:19:20 »
Hi Gum!

Ja, wie wir mit den Erfahrungen unserer Fehler umgehen, individuell wie gesellschaftlich, ist nch sehr biblisch geprägt: Sünde muss bestraft werden, und nur durch harte Buße wachsen wir zu besseren Wesen.

So kastrieren wir uns jedoch selbst, fesseln uns in Schuld, anstatt objektiv zu gewichten, und wenn die Geselllschaft einen nicht ächtet und verachtet, tun wir es uns selsbt an, so als dürfte es ohne Sühne keine Erlösung geben. Kein Wunder, dass die Soziopathen die Welt regieren - sie kasteien sich nie für ihre Taten, nutzen aber allzu gern das schlechte Gewissen derer, die ihnen Paroli bieten könnten, indem sie sie erpressen oder in Schuld gebrochen zurücklassen, keine Gefahr mehr für sie darstellend. Und die Dummen dieser Erde jubeln ihnen dafür auch noch zu ...

Danke für deine Tipps bezüglich der Fehler, die ich beide korrigiert habe.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.