Autor Thema: Subjektives Zeitempfinden  (Gelesen 568 mal)

Erich Kykal

Subjektives Zeitempfinden
« am: Mai 05, 2025, 10:35:26 »
Jahre, wie sie uns verstreichen -
endlos langsam einem Kind,
rasend, wenn wir Alte sind,
die der Jugend langsam weichen.

Tage, die wir endlos wähnten
in den Spielen vor der Zeit
reifender Besonnenheit -
Stunden, die sich ewig dehnten.

Heute denke ich: Wo blieben
all die Monate und Wochen?
Jahre sind mir weggebrochen,
wie bedeutungslos zerrieben.

Immer rascher, immer schneller
eilen wir an unser Ende,
rinnt uns durch die klammen Hände
allen Reichtums letzter Heller.

Abgehängt und aufgegeben
halten wir am Leben fest,
das uns Stück um Stück verlässt,
ganz egal, wie sehr wir streben.

Jahre, wie sie uns verstreichen -
die Sekunde bleibt Sekunde,
doch das Wort aus meinem Munde
kann die Welt nicht mehr erreichen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Subjektives Zeitempfinden
« Antwort #1 am: Mai 06, 2025, 16:16:48 »
Hallo Erich,

ja, wir sind der Zeit ausgeliefert. Die Zeit ist unantastbar, nicht veränderbar. Wir können unserer Lebenszeit nicht selbst bestimmen. Wir werden geboren ungefragt und wir werden sterben ungefragt.
Du beschreibst in Deinem Werk vorzüglich das Zeitempfinden. Wie unterschiedlich wir die Zeitdauer wahr nehmen. Eine Stunde hat zwar 60 Minuten, oder 3600 Sekunden. Das ist messbar. Sie ist eine konstante Größe, aber in ihrer Länge doch unterschiedlich empfindbar. Es gibt eine wissenschaftliche 'Erklärung für dieses veränderbare Zeitempfinden im Bezug auf das jeweilige Lebensalter.
In unserer Gefühlswelt gibt es wohl nichts Konstantes . Das gibt es nur in der Physik und in der materiellen Welt.

Zitat:
doch das Wort aus meinem Munde
kann die Welt nicht mehr erreichen.

Da halte ich mal dagegen:
Du hast großes geschrieben und das wird gelesen und das wird bleiben.
Da braucht es keine laut gesprochenen Worte mehr.
Wenn der Lyriker schweigt, spricht sein Werk.

Gruß Copper.
« Letzte Änderung: Mai 06, 2025, 16:45:07 von Copper »

gummibaum

Re: Subjektives Zeitempfinden
« Antwort #2 am: Mai 06, 2025, 19:28:18 »
Super schön, lieber Erich.

Ich staune, wie viel Leben du einer oft gehörten Klage der Alten, dass die Jahre immer schneller vergehen, einhauchst.
 
Ich spüre deutlich beim Lesen des Gedichts die Lebenszeit erst stillstehen, dann sickern, fließen und schließlich jäh hinabstürzen … und sehe in ihren Wogen den Alten vergeblich nach Halt suchend in den Tod treiben.

Chapeau von gummibaum
 

Erich Kykal

Re: Subjektives Zeitempfinden
« Antwort #3 am: Mai 06, 2025, 21:31:11 »
Hi Cop, Gum!

Wow! Vielen Dank für soviel profunden Zuspruch!  :)

Ich erinnere mich an endlose langweilige Unterrichtsstunden meiner Kindheit und Jugend, wenn der Zeiger der Klassenuhr quälend stillzustehen schien - heute vergehen meine Stunden oft noch sinnloser und langweiliger, aber sie glitschen einfach nur so durch mein Empfinden, verströmen sich ins Nichts wie eine durchtrennte Arterie, wo es damals in meiner Kindheit bestenfalls zäh ein wenig aus einem Kratzer getröpfelt hat.

Der Kindheit lange Tage - ein jeder eine Sage.
Des Alters kurze Jahre - verflackernd bis zur Bahre.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.