Autor Thema: Fließgewässer  (Gelesen 1216 mal)

gummibaum

Fließgewässer
« am: August 03, 2019, 09:49:25 »
Ein Rinnsal sein, das aus Moränen
des Gletschers in der Sonne fließt,
die finstre Wand in weißen Strähnen
hinabstürzt und zerstäubt genießt,

mit andern Wassern sich zu mischen,
in einer Klamm ein Bach zu sein,
der zwischen Fall und Felsentischen
sich tosend auslebt im Gestein:

Das will ich und durch Wiesen eilen,
ins Tal gelangen als ein Fluss,
entspannter sein, doch nicht verweilen,
bis ich im Meer bin und es muss…
« Letzte Änderung: August 16, 2019, 09:27:07 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Fließgewässer
« Antwort #1 am: August 03, 2019, 11:32:11 »
Hi Gum!

In S3Z1 ist nach "Wiesen" eine überzählige Leerstelle.

Sehr schön gedichtet, das Gleichnis vom Fluss mit einem Menschenleben. Habe interessanterweise ein paar ähnliche Gedichte geschrieben, ist lang her ...

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy


PS: Ich lass kaum eins von deinen Werken aus - warum sind vo meinen so viele derzeit unkommentiert?  ;) 8)
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Fließgewässer
« Antwort #2 am: August 14, 2019, 09:25:23 »
Danke, lieber Erich. Du bist ja auch Naturliebhaber.

LG g

Sufnus

Re: Fließgewässer
« Antwort #3 am: August 14, 2019, 10:54:55 »
Da präsentierst Du eine ganz erstaunliche Dynamik, gum!  :D Von der ersten über die zweite Strophe spannt sich ein Crescendo-Bogen zunehmender Naturgewalt, der sich dann in der dritten Strophe - zunächst immer noch in atemlosem Ton - schließlich im Bild der Einmündung in den Ozean entspannt. Großes Kino! :)
Ich persönlich seh nur etwas gegen das "und es muss" an... das fällt etwas aus dem gediegenen Sprachduktus ins leicht Ungelenke. Ein Abschluss wie z. B.: "Bis ich im Meer mich finden muss" fände ich persönlich abgerundeter.
Von diesem Detailchen ganz unberührt, sehr sehr gern gelesen! :)
S.
« Letzte Änderung: August 14, 2019, 11:43:35 von Sufnus »

gummibaum

Re: Fließgewässer
« Antwort #4 am: August 15, 2019, 21:50:10 »
Danke, lieber sufnus. Deine Kommentare sind immer sehr schön. Ich gebe zu, das Ende ist etwas abrupt. Mein Gedanke war, dass jemand so im Fluss bleiben will, bis er -notgedrungen- verweilen muss.

Liebe Grüße von
gummibaum

Erich Kykal

Re: Fließgewässer
« Antwort #5 am: August 16, 2019, 01:06:30 »
Und die überzählige Leerstelle in S3Z1 ist immer noch da ...  ::)

Tzs, tzs ...
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Fließgewässer
« Antwort #6 am: August 16, 2019, 09:29:14 »
Die kommt wohl immer wieder.

Agneta

  • Gast
Re: Fließgewässer
« Antwort #7 am: August 16, 2019, 19:00:12 »
auch mir fiel die wunderbare Melodik mit vielen tiefen Vokalen auf, lieber Gum, die du hier zu einem Bild webst. Hinzu kommt die natürliche Entwicklung eines Rinnsals zum Fluss, immer mit dem Höchstmaß an Freiheit als Symbolik. Das spricht mich sehr an.
Einzig der Schluss mit dem Muss will mir auch vom Niveau her abfallend scheinen. Hier würde ich mir mehr "Protest" von der freien Seele wünschen und nicht ein lakonisches : naja...
Sehr sehr gene gelesen mit LG vonAgneta

gummibaum

Re: Fließgewässer
« Antwort #8 am: August 17, 2019, 09:42:04 »
Danke, liebe Agneta. Sufnus übte auch schon Kritik am letzten Vers und machte einen guten Vorschlag, allerdings nicht in rebellischer Richtung.

"bis ich im Meer entspannen muss" oder "bis ich dem Meer mich fügen muss" ginge auch, aber ich bin unentschlossen, und für das Rebellische habe ich gerade gar keinen Impuls und guten Einfall.

Liebe Grüße
gummibaum


Eleonore

  • Gast
Re: Fließgewässer
« Antwort #9 am: August 17, 2019, 09:59:11 »
Guten Tag zusammen,

ich finde genau diesen unvermittelten Abbruch des Lebensflusses,
der im Meer zum Ende kommt,
gut umgesetzt durch das Ungelenke im Gedicht.

Es gibt ja kein Entrinnen aus dieser Notwendigkeit -
der Tod ist der große Begrenzer.
Da ist auch nicht unbedingt etwas Lyrisches und Wohlklingendes dabei,
wenn er die Bühne betritt.

Das Gedicht gefällt mir sehr.

Gruß

Eleonore


gummibaum

Re: Fließgewässer
« Antwort #10 am: August 18, 2019, 15:53:38 »
Danke, liebe Eleonore.

Gruß gummibaum

Sufnus

Re: Fließgewässer
« Antwort #11 am: August 19, 2019, 10:54:43 »
Interessanter Gedanke, Eleonara! :)
Das Bächlein, das zum Fluss wird und dann ins Meer einmündet ist ja in der Tat ein erprobtes und bewährtes Bild für die Lebensphasen eines Menschen und entsprechend könnte man das Aufgehen des Flusses im Meer mit dem Tod gleichsetzen und dann wahlweise den Gedanken anknüpfen, dass entweder das Individuum sich mit dem Tod endgültig im Naturganzen auflöst (Ganztod) oder aber in einen Kreislauf eintritt und (man könnte hier das Bild um Regenwolken erweitern) als (womöglich Verwandeltes) wieder zu neuem Leben erweckt wird.
Ich denke aber, dass die Allegorese des Bildes von den Entwicklungsstufen eines Fließgewässers nicht zwingend und ausschließlich auf ein ganzes Menschenleben bis hin zu seinem Tod übertragen werden muss.
Goethes Sonett "Mächtiges Überraschen", das mit einem ähnlichen Bild arbeitet, ist in einen Zyklus eingegliedert, der sich der Liebe widmet (das Goethe'sche Thema schlechthin). So könnte also z. B. das Schicksal des Baches auch verschiedene Phasen menschlichen Zusammenfindens beschreiben. Wieder eine andere Möglichkeit wäre, das Gedicht als poetisches Gegenstück zum Bildungsroman aufzufassen. Und zuletzt könnte man es natürlich auch als Naturbeschreibung stehen lassen, so wie sie ist - eine Deutungshaltung, die uns vielleicht widerstrebt, weil die Tradition der bürgerlichen Lyrik des 19. Jahrhunderts uns den Reflex antrainiert hat, dass jede lyrische Naturbeschreibung immer auf den Menschen zu übertragen ist, eine Haltung nichts desto trotz, die auf weitaus ältere Traditionen zurückgreifen könnte, die weniger Anthropozentrisch geprägt waren und mehr das Naturganze im Blick hatten.
Viele Grüße,
S.
« Letzte Änderung: August 19, 2019, 11:48:24 von Sufnus »