Autor Thema: Aufgeräumt  (Gelesen 414 mal)

Erich Kykal

Aufgeräumt
« am: Mai 13, 2021, 11:30:35 »
Heute bin ich aufgeräumt:
Tief in meinem Herzen
hat die Hoffnung ausgeträumt,
löscht die letzten Kerzen.

Heute bin ich aufgeräumt
tief in meiner Seele,
und was dort noch wallt und schäumt,
tut, was ich befehle.

Heute bin ich aufgeräumt,
endlich hab ich Frieden!
Was sich einst so aufgebäumt,
ist in mir verschieden.

Heute bin ich aufgeräumt,
kahl ist nun die Stätte.
Zuviel hab ich nicht versäumt,
was ich besser hätte.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Aufgeräumt
« Antwort #1 am: Mai 13, 2021, 12:28:12 »
Lieber Erich,

ein hemdsärmelig forscher Ton, der gut zur gnadenlosen Entrümpelung der Seele von nicht einlösbaren und nur belastenden Hoffnungen passt. Besonders gefallen mir wegen der Mehrdeutigkeiten „aufgeräumt“ (das hier außer Ordnung auch Aufgeschlossenheit für Neues bedeutet) und  „verschieden“ (das ein ruhiges Ableben und eine Differenz zum Wirkenden einschließt).
Tatsächlich ist, wie letzte Strophe sagt, vieles gar nicht so wichtig im Leben, wie es hingestellt und geglaubt wird und kann entbehrt oder durch anderes würdig ersetzt oder vielleicht sogar übertroffen werden. 

Mit Freude gelesen.
LG g

Sufnus

Re: Aufgeräumt
« Antwort #2 am: Mai 13, 2021, 15:39:54 »
Hi eKy! :)
Ja... wie gum beanmerkt hat... ein für Dich etwas seltenerer, "einfacherer" (sprich: nicht so "hoher") Ton. Mir würde eher lakonisch-verschmitzt als hemdsärmelig-forsch einfallen, aber gum und ich meinen  da bestimmt dasselbe.
Wie dem auch sei: Der Ton steht dem Gedicht ausgesprochen gut! Well done!!! :)
Der Unterschied einer Gedicht-"Zubereitung" in diesem Stil versus einer im hohen Ton ähnelt für mich dem Herangehen eines Meisterkochs, der entweder aus Kartoffeln, Blutwurst und Zwiebeln oder aus Hummer und Kaviar ein Gericht zaubert. Im letzteren Fall ist es recht wahrscheinlich, dass das Erzeugnis zu beeindrucken weiß (mal abseits von subjektiven Geschmacksfragen), wenn aber der Hummer zu einem Radiergummi totgegart wurde, ist die Blamage umso größer! Im ersten Fall kommt eher was Handfestes raus, und da ist es dann durchaus knifflig, das Gericht vom Alltagsniveau in den Bereich des Denkwürdigen zu heben.
Dir, lieber eKy, ist das mit Deinen (vermeintlich) einfachen Zeilen hervorragend gelungen! Kein Gemecker also vom S. :)
LG!
Derselbe :)

Erich Kykal

Re: Aufgeräumt
« Antwort #3 am: Mai 13, 2021, 15:57:10 »
Hi Gum, Suf!

Ja - lakonisch, lapidar, trocken. Leise Töne von Bewältigung oder aber Traurigkeit kann der Leser nach seiner persönlichen Lesart dazumischen.

Wenn man das Glück hatte, ein bestimmtes Alter erreichen zu dürfen, bemerkt man irgendwann, dass der Hormondruck nachzulassen beginnt, man kein Getriebener mehr ist, den eigenen Körperbedürfnissen quasi hilflos ausgeliefert. Man darf endlich selbst Pilot sein - und ihn nicht nur "spielen", weil der Copilot der Lust den Steuerknüppel fest in der Hand hat (wenn er ihn nicht gerade irgendwo reinsteckt ...), und dessen Eskapaden hinterher schönreden oder vor sich selbst rechtfertigen.

Dass man mit vieler Jahre Erfahrungsschatz auch innerlich gereifter damit umzugehen vermag, ist ebenfalls hilfreich.

Ich weiß nicht, wie es anderen damit geht - ich bin vielleicht auch sexsüchtig gewesen, oder heute noch, aber kontrollierter. Ich habe da keine Vergleichswerte, weil ich nie das Bedürfnis hatte, im Leben anderer herumzuwühlen.
Aber ich bin froh, dass der erbarmungslose "Druck" nachgelassen hat. Ein Orgasmus täglich genugt mir mittlerweile (meistens ...).

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Aufgeräumt
« Antwort #4 am: Mai 13, 2021, 17:11:32 »
Ja, lieber Erich, "Copilot" ist gut gesagt.

Sexualhormone regen nicht nur an, sie beherrschen auch, und die ausgelösten Phantasien und Taten können durchaus beschämen. Wenn ihr Pegel sinkt, ist der Geist freier, aber auch müder, der Körper vielseitiger, aber weniger stark und seltener stimulierbar usw. Die Vorteile ohne die Nachteile:

 
Geistig und körperlich

Im Alter schwindet die Gewalt,
mit der ein Copilot dich steuert,
nun lenkst du selbst, und es erneuert
sich deiner Freiheit Lichtgestalt.

 
Und noch etwas wird neu entdeckt, 
wenn sich der Puls im Zentrums mindert:
das Drumherum zeigt unbehindert, 
dass es voll süßer Lüste steckt…
   
LG g

   

Erich Kykal

Re: Aufgeräumt
« Antwort #5 am: Mai 13, 2021, 23:46:05 »
Hi Gum!

Vielen Dank für dein Verständnis und das tolle "Zusatzgedicht"!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.