Autor Thema: Am Attersee  (Gelesen 1667 mal)

Daisy

Am Attersee
« am: Juni 01, 2013, 11:23:32 »
Auf glattem Wasser, das den Himmel spiegelt,
verlaufen sich der Sonne letzte Funken,
und in den Fluten treiben, halb ertrunken,
des Tages satte Farben, glanzversiegelt.

Wie blaue Zungen lecken weiche Wellen
an Segelbooten, die in Buchten liegen,
sich träge in der sanften Dünung wiegen
und neigen, um sogleich zurückzuschnellen.

Dem See entsteigen auf den goldnen Funken
Erinnerungen an die Jugendzeit.
Sie führen mich zurück zur Leichtigkeit

der fernen Sommertage, die versunken,
in kühler Tiefe aufgehoben sind.
Wie gern wär ich noch einmal jenes Kind!
« Letzte Änderung: Oktober 26, 2013, 18:17:31 von Daisy »

Aspasia

  • Gast
Re:Am Attersee
« Antwort #1 am: Juni 01, 2013, 16:38:45 »
Ein wunderschönes Gedicht, Daisy, mit gelungenen Formulierungen und Bildern ("lecken weiche Wellen an Segelbooten", "glanzversiegelt"). In der Form kein klassisches Sonett, aber Abweichungen sind ja üblich und erlaubt.

Sehr geschickt hast Du die Wiederholung des Wortes "Funken" verwendet, jedenfalls scheint es mir absichtlich wiederholt worden zu sein. "Der Sonne letzte Funken" tauchen in das Wasser, um ihm gülden wieder zu entsteigen, so gülden wie die Erinnerung an die Jugendtage. Das ist außerordentlich gelungen!

Kurz gesagt: die volle Punktzahl!

Erich Kykal

Re:Am Attersee
« Antwort #2 am: Juni 01, 2013, 16:41:03 »
Hi, Daisy!

Ein wunderbar gewobenes Abendbild des Salzkammergutes!

Ein paar Details nur:

Wie blaue Zungen lecken weiche Wellen
an Segelbooten, die in Buchten liegen,
sich träge in der sanften Dünung wiegen
und neigen, um sogleich zurückzuschnellen.

Auf glattem Wasser, das den Himmel spiegelt,
verlaufen sich der Sonne letzte Funken,
und in den Fluten treiben, halb ertrunken, Rilke schrieb eine ähnliche Phrase - sehr gelungen!
des Tages satte Farben, glanzversiegelt.

Dem See entsteigen wie aus goldnen Schalen Hier zum 2. Mal "Funken" als Reimwort (wie S2Z2) - das stört. Alternative auch denkbar mit: "wie aus Silberschalen"
Erinnerungen meiner Jugendzeit.
Sie führen mich zurück zur Leichtigkeit

erlebter Tage, die mit Glück und Qualen Zeile geändert wegen Reims auf "Schalen", und wegen flüssiger Weiterleitung nach Z2.
in kühler Tiefe aufgehoben sind. Deine Zeile begann betont und hatte 6 Heber.
Wie gern wär ich noch einmal jenes Kind!

Sehr gern gelesen und bearbeitet: Bei so schönen Werken macht das Korrigieren doppelt Freude: Man weiß, es ist für etwas, das die Mühe lohnt - und wie!!! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Am Attersee
« Antwort #3 am: Juni 01, 2013, 20:32:02 »
Hallo Aspasia,

deine anerkennenden Worte freuen mich und bestärken mich in meinem Bestreben, mich dichterisch weiterzuentwickeln.

Auch ich dachte, dass sich die bewusste Wiederholung der "Funken" gut einfügen könnte, aber da bin ich doch wohl vom
richtigen Pfad, der zum korrekten Sonett führt, abgekommen. Eigentlich schade, denn mir gefiel es selber ganz gut.

Aber unabhängig davon lasse ich mir "die volle Punktezahl" sehr schmecken! Danke!

LG Daisy


Hallo Erich,

dein Lob macht mir den Regentag zum strahlenden Sonnentag!

Da hab ich doch schon wieder mal einen Vers betont begonnen und 6 Heber eingebaut.  :o
Bin neugierig wie lange es dauert, bis ich selber meine Fehler aufspüren und ausmerzen kann.
Bei den Gedichten anderer fällt mir so etwas schon auf, nur bei meinen nicht, jedenfalls nicht gleich.

Glücklicherweise darf ich in dieser Hinsicht mit deinen hilfreichen Tipps rechnen!  :-*
Du weißt ja, learning by doing.

Das Wiederholen der Funken hab ich aber bewusst verbrochen, ich dachte das wär was. Ist aber wohl doch nix!
Mir war nur so, als ob ich bereits hie und da solche Wortwiederholungen in Sonetten bemerkt hätte.

Ich werde deine guten Anregungen beherzigen und einfach wieder zwei Versionen des Gedichts in meine Sammlung aufnehmen.
Meistens ist es ohnehin so, dass ich nach einiger Zeit meine Urversion entsorge, weil sie mir selber nicht mehr passt.

Und mein Vers, der eine Ähnlichkeit mit einer Phrase Rilkes hat, ist tatsächlich ganz ohne sein Zutun meiner Fantasie entsprungen.

Ganz herzlichen Dank für die guten Tipps und die wohltuenden Streicheleinheiten!

LG Daisy

cyparis

Re:Am Attersee
« Antwort #4 am: Juni 01, 2013, 20:55:21 »
Für mich ist das einfach zu schön, um es zu kommentieren! :-*


Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Am Attersee
« Antwort #5 am: Juni 01, 2013, 21:02:13 »
Liebe Cyparis,

auch dir ein dickes Bussi!

Herzlichen Dank und lieben Gruß von
Daisy

Erich Kykal

Re:Am Attersee
« Antwort #6 am: Juni 02, 2013, 00:18:00 »
Hi, Daisy!

Wenn DIR der doppelte Funke gefällt - steh dazu!

Meine "Kritik" ist ja nur eine Reflexion meines persönlichen Geschmacks, zumindest in diesem Punkt. Rein subjektiv sage ich, was MICH stört, MIR anders besser gefiele. Du bist nicht verpflichtet, dem immer zu folgen, nur weil du mich für einen guten Dichter hältst. Meine Ansichten sind keine Glaubensgesetze, keine Dogmen! ;D

Wenn du meinem Gedanken folgst, ehrt mich das, aber behaupte im Zweifelsfall durchaus auch mal deine eigene Sicht. Dieser Funke ist ein gutes Beispiel: Dir gefiel es, Aspasia auch - bloß mir eben nicht. Das heißt aber nicht, dass es per se schlecht sein muss... ;)

Also folge meinen "Rat" bitte nicht blind, hinterfrage, analysiere und entscheide objektiv oder nach eigenen Maßgaben - auf Basis wessen Rates auch immer oder aus eigenem Ermessen. :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Am Attersee
« Antwort #7 am: Juni 04, 2013, 16:11:12 »
Hallo Erich,

mache ich und weiß ich doch!  ;)

Es ist ganz einfach nur so, dass ich deine Anregungen sehr schätze und sie nicht einfach beiseite wische.
Deshalb kommen auf meinen Speicher und in die Gedichtemappe immer die von dir empfohlene und meine eigene bearbeitete Version.

Ich brauche immer einen gewissen, zeitlichen Abstand, um mir beim späteren Lesen darüber klar zu werden,
welche Version nun letztendlich meine persönlich bevorzugte ist, das ist alles, aber für mich sehr aufschlussreich.

Du kannst sicher sein, dass ich weiß was ich tu!  :)

Ich bedanke mich mit lieben Grüßen
Daisy