Autor Thema: Septemberspiele  (Gelesen 1036 mal)

Ingo Baumgartner

Septemberspiele
« am: September 07, 2013, 10:23:37 »
Das Dorf liegt in dichtgrauen Spätsommernebeln,
ein Turm hebt  im Umriss  den Spitzhut heraus.
Gleich drängenden Fluten nach Bruch aller Wolken
ziehn feuchtkalte Schwaden um Feldflur und Haus.

Bewaldete Bergrücken ragen wie Inseln,
wie Tropenatolle aus diesem Gebräu.
Kein schauriges Bild, nein, nur Auftakt des Wandels
zum gleißenden Lichttag, gereinigt und neu.

So treibt der September mit seinen Gehilfen,
der Rauluft, den Strahlen ein wechselndes Spiel.
Der Spitze des Kirchturms, der weisenden Nadel,
gehört reines Blau nun statt Fahlbleich als Ziel.

 
« Letzte Änderung: September 08, 2013, 10:05:01 von Ingo Baumgartner »

Erich Kykal

Re:Septemberspiele
« Antwort #1 am: September 07, 2013, 11:00:23 »
Hi, Ingo!

Deine Stimmungsbilder werden immer besser und wortgewandter! An manchen Stellen aber achtest du noch zu wenig auf die Sprachmelodie. Was nützt eine tolle Phrase, wenn sie beim Lesen am Ohr kratzt und hakelt - und so die sorglich aufgebaute Stimmung verdirbt?

Als Beispiel soll hier die letzte Zeile dienen: "...statt Fahlbleich als Ziel." liest sich nur mit beträchtlichem lingualen Bewegungsaufwand und strotzt vor fauchenden und kantigen Konsonanten! In diesem Fall kommt hinzu, dass das Bild nicht funzt, was zum Teil am hauptwörtlichen Gebrauch dieses Adjektivkonglomerats "fahlbleich" liegt, zum Teil an der unnötig überkonstruierten Kompexität des Satzes selbst. So versickert das schöne Stimmungsbild quasi im blassen Schmirgelsande ungünstiger Wortwahl und Syntax...
Vorschlag:
"Die Spitze des Kirchturms, die ragende Nadel (ein ruhender Zeiger),
sie weist reines Blau nun den Träumen als Ziel.
"

Eine formale Kleinigkeit: In S1Z2 ist vor und nach "im Umriss" je eine Leerstelle zuviel. Könnte beabsichtigt sein, um die etwas kurz geratene Zeile so optisch zu strecken, indes, es wirkt eher wie ein Flüchtigkeitsfehler, vor allem, weil dir die optisch noch kürzeren Zeilen in S2 ja nichts auszumachen scheinen...

Noch ein Detail: In S1 beschwörst du eine "feuchtkalte" Nebelflur, die eindeutig und extrem mit dem Bild tropischer Inseln in S2 kollidiert! Obwohl es nur ein Vergleich sein soll, ist dieses Bild so anders, dass die Stimmung von S1 deutlich angekratzt wird. Ich schlage einen "skandinavischeren" Vergleich vor: "wie nördliche Schären"

Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 07, 2013, 11:02:23 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Septemberspiele
« Antwort #2 am: September 07, 2013, 21:44:45 »
Hallo Ingo,

wieder einmal ein Naturgedicht von dir, wie schön!  :)

Da für diverse Anregungen Erich zuständig zeichnet, darf ich mich uneingeschränkt über das schöne Stimmungsbild freuen.

Kleiner Hinweis: bei "gereinigt" ging das zweite "i" verloren.

Sehr gern gelesen!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Septemberspiele
« Antwort #3 am: September 08, 2013, 06:56:10 »
Schluck! Wie konnte ich das übersehen... :o
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Septemberspiele
« Antwort #4 am: September 08, 2013, 10:17:01 »
Bilder, Bilder, Bilder, Töne -
lyrikgewordene Natur!

Schön!


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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