Autor Thema: Abschied am Berg  (Gelesen 2220 mal)

galapapa

Abschied am Berg
« am: Mai 24, 2014, 10:48:17 »
Am Kiefernwäldchen auf der Ruhebank
hat regungslos ein alter Mann gesessen.
Er wirkte traurig, irgendwie vergessen,
als er in den Gedanken still versank.

Der Greis, er liebte diesen stillen Ort,
verbrachte dort die letzten Lebensstunden.
Mit all den Narben ungezählter Wunden,
so saß er müde da und sprach kein Wort.

Vom langen Weg die Kräfte aufgezehrt,
hielt die Erschöpfung ihn am Ort gefangen.
Er war mit Absicht viel zu weit gegangen
und wie geplant auch nicht mehr umgekehrt.

Er blickte friedlich lächelnd in das Tal,
hat still in Tränen Abschied wohl genommen,
sah den geliebten Heimatort verschwommen
an diesem Tag zum allerletzten Mal.

Entkräftet sank der Körper auf das Holz
man fand ihn später, liegend auf der Seite,
so wie der Tod ihn auf der Bank befreite,
noch immer lächelnd, fast ein wenig stolz.
« Letzte Änderung: Mai 25, 2014, 10:43:13 von galapapa »

Erich Kykal

Re:Abschied am Berg
« Antwort #1 am: Mai 24, 2014, 19:45:32 »
Hi, Charly!

In letzter Zeit kommen von dir viele solcher Abschiedsgedichte - ich hoffe sehr, du hast keinen speziellen Anlass dafür die eigene Person betreffend!

Ein paar Vorschläge bezüglich Sprachveredelung hätt ich hier:

Am Kiefernwäldchen auf der Ruhebank
hat regungslos ein alter Mann gesessen.
Er wirkte traurig, irgendwie vergessen,
als er in den Gedanken still versank. Das "den" wirkt hier etwas hilflos. Wie wäre es so: "als in Gedanken er dort still versank."

Der Greis, er liebte diesen stillen Ort,
verbrachte dort die letzten Lebensstunden; Den Strichpunkt hier bitte ersatzlos streichen.
mit all den Narben ungezählter Wunden, Gediegener: "mit allen Narben..." - und überhaupt schöner: "mit ungezählten Narben alter Wunden,"
so saß er müde da und sprach kein Wort.

Vom langen Weg die Kräfte aufgezehrt,
hielt die Erschöpfung ihn am Ort gefangen Hier bitte Komma.
er war mit Absicht viel zu weit gegangen
und wie geplant auch nicht mehr umgekehrt.

Er blickte friedlich lächelnd in das Tal,
hat still in Tränen Abschied wohl genommen,
sah den geliebten Heimatort verschwommen
an diesem Tag zum allerletzten Mal.

Entkräftet sank der Körper auf das Holz
man fand ihn später, liegend auf der Seite,
so wie der Tod ihn auf der Bank befreite,
noch immer lächelnd, fast ein wenig stolz.


Gratuliere! Ein wunderschönes und wunderschön wehmütiges Gedicht, das einem das Herz zugleich einschnürt und weitet, als sollte es zwischen diesen großen Gefühlen zerrissen werden! Dankbarkeit für das Leben selbst und innere Demut vor dem Unausweichlichen - den wenigsten ist so ein bewegender Abschied vergönnt! Eine tiefe Würde durchströmt diese Zeilen, die viele heute nicht mehr im Alter sehen können - wie der alte Indianer, der seine Zeit kommen fühlt und das Dorf verlässt, um in der Natur zu sterben.

Sehr gern gelesen, wenn auch mit stillem Weh...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

galapapa

Re:Abschied am Berg
« Antwort #2 am: Mai 25, 2014, 10:41:43 »
Lieber Erich,
mach Dir keine Sorgen um mich, ich habe nur diesen Frühling öfter auch über meine letzten Stunden nachgedacht. Deshalb habe meine Gedichte "Der letzte Lenz" und dieses einen eher traurigen Einschlag, was keineswegs so gemeint war. Im Gegenteil, im Vordergrund steht jeweils der Wunsch nach einem würdigen und qualfreien Sterben und daran sehe ich nichts Wehmütiges, eher etwas Wunderbares.
Am Tod macht mir nur ein qualvolles Sterben Angst, sonst nichts.
Zu Deinen Vorschlägen:
S1-V4: Das "still" beißt sich mit dem nächsten Vers und ich möchte die für mich völlig normale Ausdrucksweise "die Gedanken" nicht gegen eine grammatikalische Verdrehung tauschen wollen, sei sie auch noch so harmlos. Also, das würde ich lieber einfach mal so stehen lassen.
Sei mir bitte nicht böse, Erich, aber die Ausdrucksweise "all den" statt "allen" sollte eine Verstärkung sein und passt auch nur so wirklich zum nächsten Vers (mit all den...so...)
Mir gefällt zwar Dein Vorschlag, aber dann müsste auch der 4. Vers dieser Strophe umgeschrieben werden. Ich verwende solche Ausdrücke wie hier oft auch, um beim Vortrag eine besondere Note einbringen zu können.
Das Semikolon werde ich beseitigen, da hast Du Recht; ein Punkt trennt die beiden Aussagen, die so nicht in einem direkten Zusammenhang stehen dürfen.
Das Komma in Strophe drei muss natürlich auch hin; ich werde ´sogar einen Punkt setzen.
Ich danke Dir für Deinen lobenden Kommentar und Deine Gedanken und Vorschläge und grüße Dich herzlich! :)
Charly
« Letzte Änderung: Mai 25, 2014, 10:44:56 von galapapa »

cyparis

Re:Abschied am Berg
« Antwort #3 am: Mai 26, 2014, 19:42:14 »
Lieber Charly -


das ist tiefanrührend!
Laß mich nur eins bemerken:

So möchte ich auch enden!

Sehr bewegten Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

galapapa

Re:Abschied am Berg
« Antwort #4 am: Mai 27, 2014, 11:51:39 »
Liebe Cyparis,
Du hast das richtig erkannt, es ist kein trauriges Gedicht, sondern eine Wunschvorstellung hat fier Pate gestanden...
Liebe Grüße!
Charly

Daisy

Re:Abschied am Berg
« Antwort #5 am: Mai 28, 2014, 19:16:18 »
Lieber Charly,

sehr gefühlvoll und anrührend!
Du hast in bewegenden Versen ausgedrückt, was sich wohl viele Menschen wünschen - einen friedlichen Tod.
Ein wunderschönes, wehmütiges Gedicht.

Es grüßt dich herzlich
Daisy

galapapa

Re:Abschied am Berg
« Antwort #6 am: Mai 29, 2014, 11:05:21 »
Liebe Daísy,
danke für Deine anerkennenden Worte.
Da das Gedicht, wie Du sagst, jenen Wunsch ausdrückt, ist es für mich eigentlich wenig traurig.
Natürlich hat der Tod immer einen wehmütigen und traurigen Aspekt für die Hinterbliebenen.
Vielen Dank fürs Lob und liebe Grüße!
Charly

cyparis

Re:Abschied am Berg
« Antwort #7 am: Mai 29, 2014, 11:11:37 »
Lieber Charly -


erinnerst Du Dich an die Minuten "auf dem Berg, an der Bank", als wir angeregt über die Impromptus von Schubert plauderten?
Genau diese Stelle sah ich in Deinem Gedicht vor dem inneren Auge.
Gäbe es einen schöneren Platz?

(Ja. Auf dem Hügel - mit Bank - über meinem Dörfchen, wo ich unzählige Male mit meinem Zwilling saß).


Feiertagsgruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

galapapa

Re:Abschied am Berg
« Antwort #8 am: Mai 29, 2014, 16:41:14 »
Liebe Cyparis,
ich erinnere mich sehr wohl und mit Freuden!
Genau diesen Berg mit dem Heimatdorf zu Füßen auf einer Bank am Waldrand, das gibt es bei mir zuhause auch und eben dies hatte ich vor Augen, als ich den Text schrieb.
Und so hab ich auch meinen Schäferkarren platziert, mitten in einer Hecke in Waldesnähe, hoch über der Talsenke.
Nein, einen schöneren Platz für den Abschied gäbe es kaum für mich.
Liebe Grüße nochmal!
Charly