Ich war vorgestern bei einer Lesung von Oliver Polak und hab meine Eindrücke in einem Gedicht zusammengefasst.
Das grelle Licht versteckt die Bühne,
noch leuchtet es dem Publikum.
Und Boxen bieten keine Bässe,
sie schweigen noch verstaubt und stumm.
Der Saal füllt sich, Getümmel, Murmeln.
Von Jung bis Alt ist alles da.
Jetzt summt auch leise ein Gedudel –
Musik – die Art noch nicht ganz klar.
Und neben mir ein runder Riese –
er sitzt quadratisch, praktisch … müde.
Schnauft leise, riecht ein wenig ranzig,
wie Käser, der längst reifen würde.
Und hinter mir ein lautes Wiesel
mit einer Flasche in der Hand.
Er lacht als ob's kein Morgen gäbe,
bar jedes Sinns oder Verstand'.
Und vor mir ein verliebtes Pärchen –
zum Fummeln fröhlich aufgelegt.
Sie sitzen in der zweiten Reihe –
ein echter Publikumsmagnet.
Doch jetzt beginnt die Show, vermutlich,
zumindest strömt ein Nebel rein,
und da hier rauchen nicht gestattet,
wird es kein Dunst von Kiffern sein.
Das Licht beschränkt sich auf die Bühne
und die Musik verebbt im Nichts.
Von links schlurft schnell ein kleiner Schatten,
bis er dann in der Mitte sitzt.
Er schwitzt und lächelt. Große Augen,
die sagen: Ich will hier nicht sein.
Doch Hände prallen aufeinander
und der Applaus gilt ihm allein.
Sein Haar ist wuschig, wilde Locken.
Die Jogginghose sitzt leger.
Und auf den Schultern eine Jacke
als ob grad tiefster Winter wär'.
Ein Vollbart hütet seine Wangen –
wohl mehr als ein paar Wochen alt.
Zwei große, braune Teddyaugen
suchen im Bühnenboden Halt.
Er grüßt und flüstert ein paar Worte:
„Hey, crazy people, na whats up?“
Redet wie schön er es hier fände,
denn Frankfurt sei die beste Stadt.
Dann öffnet er sein Buch und liest.
Schweißperlen glänzen im Gesicht.
Die Stimme rattert monoton
und er verbrennt im grellen Licht.
Er schreibt von seiner Depression.
Die schwere Zeit im Krankenbett.
Wie dieses Leben ihn verschluckt
und schamlos ausgeschieden hätt'.
Er schreibt von Druck und Einsamkeit,
von Youporn und Facebook.
Die Leere, die in einem bleibt,
wenn nur der Bildschirm guckt.
Er schreibt von Deutschland und Humor,
von Juden, Nazigut.
Von Udo Jürgens und vom Puff,
von Angst und stiller Wut.
Und immer wieder Witz in Schwarz,
grotesk, absurd – die Flucht
vor seinem eigenen Gefühl,
das er zu leugnen sucht.
Ob Adolf Hitler oder Alf, –
ironische Distanz
zu einem Leben, das ihn quält
durch deutsche Ignoranz.
Ein Sumpf aus brauner Höflichkeit,
formeller Ordnungswut.
Vergessen der Vergangenheit –
es war nicht alles gut.
Und heute lacht man über sich,
weil man's nicht fassen kann.
Die Schuld sitzt tiefer als der Mut
in diesem schönen Land.
So liest er vor, die Menge lacht,
wenn er die Stimme hebt.
Wer denkt hier mit? Ein Niemalsland
von einem Mann bewegt.
Und dieser Mann er lacht nicht mehr,
er spult nur etwas ab.
Den Text, den er mal traurig schrieb,
hat wohl nur Geld gebracht.
Die Depression noch immer da,
mit Müh und Not kaschiert.
Die Maske bröckelt aber hält
egal was auch passiert.
Show must go on, wie immer schon.
Wer weint, der bleibt allein.
Und lachen ist nun mal gesund –
und bringt auch Kohle ein.
Am Ende steht er nochmal auf,
lässt ein paar Fragen zu.
„Ich bin gesund, ja, ja, mein Freund.“
Die Wahrheit hier? Wozu?
Denn irgendwie muss er hier durch
die Bühne gibt ihm Halt.
Der Sinn des Seins – ein flacher Witz,
der durch die Leere hallt.
Vorm Ausgang steht er zittrig da,
signiert und lächelt matt.
Ein flottes Wort, ein schneller Spruch,
den hat er noch parat.
Ich gebe ihm mein Exemplar
und sage wie ich heiß.
Er kritzelt hastig etwas rein.
Von Fingern tropft der Schweiß.
Ich schau' ihn an und danke ihm.
Er nickt nur stumm zurück.
In diesem kurzen Augenblick
erhasch' ich seinen Blick.
Es reicht kein Wort, das kund zu tun,
was dieser Blick mir zeigt.
Wie viel kann ein Gesicht erzähl'n,
wenn es so bitter schweigt?