Autor Thema: Der ungläubige Thomas (Caravaggio)  (Gelesen 1774 mal)

gummibaum

Der ungläubige Thomas (Caravaggio)
« am: M?RZ 19, 2016, 16:41:28 »
Wie konnte dieser Unsinn denn geschehen?
Mir schien es nötig, Skeptiker zu sein.
Den Schwärmern leuchtet schnell das Wunder ein.
Als wahr kann nur Bewiesenes bestehen.

Ich wollte Jesus sehen, diese Kunde
vom Auferstehen, weil der Blick oft trügt,
auch tasten, falls der Augenschein belügt
und steckte meinen Finger in die Wunde.

Und siehe, alles war, wie man berichtet.
Durch meine arme Seele ging ein Ruck.
Ich fühlte jetzt mein Wissen wie vernichtet,

mein Denken als der Eitelkeiten Schmuck. -
Vielleicht ist die Erfahrung, die gewichtet,
doch sehr begrenzt und manches Mal auch Trug.



http://www.srf.ch/var/storage/images/auftritte/kultur/bilder/2014/10/18/node_5440058/72037094-4-ger-DE/bild_span12.jpg
« Letzte Änderung: M?RZ 19, 2016, 17:59:29 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Der ungläubige Thomas (Caravaggio)
« Antwort #1 am: M?RZ 19, 2016, 17:43:37 »
Hi, Gum!

Dein Link funzt leider nicht, aber ich kenne das Bild.

Schönes Sonett, bloß mit dem Reim "Ruck/Schmuck/Trug" habe ich Probleme - ich bin sicher, du weißt warum: Aus einem langen "u" und einem "g" wird kein guter Reim für kurze "u"s und "ck".

Interessant, dass Menschen dazu neigen, immer gleich hinter der Grenze ihres augenblicklichen Wissensstandes das Wunder, den Gott zu vermuten! Es gibt aus der Sicht des heute mehr Wissenden dutzende Möglichkeiten, die Auferstehung logisch zu erklären, aber selbst damals hätte es Alternativen gegeben - aber damals wie heute wird augenblicklich Unerklärliches ins Religiöse geschoben und verklärt.
Wäre der gute Thomas wirklich ein treuer Mann des Geistes gewesen und kein verkappter Romantiker, der im Grunde glauben MÖCHTE, er hätte auch mit dem Finger in der Wunde noch gezweifelt und gefragt - zumindest aber weiter nach einer nachvollziehbaren Erklärung gesucht. Leider verfügte er nicht über gewisse Fakten, die ihm erlaubt hätten, manches an seinem Weltbild zu hinterfragen und zu relativieren. Leztlich blieb ihm nichts anderes übrig als sozusagen klein bei zu geben.
Selten finde ich Menschen mit meiner (wie ich glaube) gesunden Einstellung, niemanden zum Anbeten zu brauchen und immer grundsätzlich an allem zu zweifeln, schon aus Prinzip. Aber ohne mein heutiges Wissen - wäre ich ein besserer Thomas gewesen?

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Der ungläubige Thomas (Caravaggio)
« Antwort #2 am: April 05, 2016, 21:54:00 »
Lieber gummibaum,


das finde ich eine gelungene Umsetzung des Caravaggios.
Auch hier gefällt mir das Sonett beinahe besser als das Gemälde - ich bin der Lyrik einfach mehr zugeneigt.

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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