Autor Thema: Mit dir  (Gelesen 1708 mal)

Seeräuber-Jenny

Mit dir
« am: Dezember 12, 2011, 00:53:37 »
Mit dir möcht ich am Tresen stehen,
am Sonntag ins Museum gehen,
beim Frühstückskaffee diskutieren,
im Winter kuscheln, wenn wir frieren.

Ich möchte mit dir Dampfer fahren,
du Junge mit den blonden Haaren,
die Weltrevolution entfachen,
ein paar Experimente machen.

OK, ich weiß, ich hab’s vermasselt,
hab dir die Ohren vollgequasselt.
Ich sperrte dich in ein Gefängnis.
Mein Ego wurde zum Verhängnis.

Du bist ein Schweiger und kein Beichter,
das macht die Sache auch nicht leichter.
Ich lebe hier, du in der Ferne.
Hast du mich überhaupt noch gerne?

Was war, das kann uns keiner nehmen,
wir beide müssen uns nicht schämen.
Farewell, my love! Hab ich im Gehen
nicht einen Silberstreif gesehen?
« Letzte Änderung: Dezember 12, 2011, 21:56:37 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Mit dir
« Antwort #1 am: Dezember 20, 2011, 10:16:33 »
Liebe Jenny -


s e h r  schön!
Auch der Silberstreif klingt versöhnlich.
Aber trauere Vergangenem nicht nach.
Schaue vorwärts....!


Liebe Grüße
von
cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Mit dir
« Antwort #2 am: Dezember 20, 2011, 10:31:16 »
Liebe cyparis,

nein, ich trauere nicht mehr. Die gemeinsame Zeit war schön, aber ist nun Vergangenheit, und das schlimme Ende der Geschichte lässt mich zweifeln, ob alles ehrlich gemeint war. Aber das habe ich in diesem Gedicht mal ausgeblendet. Der "Silberstreif" kann sich entweder auf die vergangene Liebe oder, davon losgelöst, auf die eigene Zukunft beziehen.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re:Mit dir
« Antwort #3 am: Dezember 22, 2011, 19:24:50 »
Hi, Petra!

Schließe mich Anne an - fast leicht beschwingt kommen die Verse daher, die "Vergangenheit" scheint bewältigt. Nun, über die Gefahren von Verdrängungsmechanismen muss ich an dieser Stelle nicht referieren, ich trage mich allerdings mit der ehrlichen Hoffnung bis Ansicht, diese Falle möge für das Lyrich nicht bestehen. Die Zeilen wirken aufgeräumt, konfliktbereinigt.

Über den Wahrheitsgehalt von S3 vermag ich nichts zu sagen. Wenn das Lyrich das so empfindet, ist es okay. Aber als quasi harmoniesüchtigen Erklärungsversuch eines "Opfers", das eine Schuld und/oder Erklärung bei SICH sucht, könnte ich es nicht akzeptieren, bedenkt man, wie sich diese Person verhalten hat. Nun, es ist müßig, darüber nachzusinnen.

Sehr gern gelesen! Frohes Fest und Guten Rutsch!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 23, 2011, 15:13:24 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re:Mit dir
« Antwort #4 am: Dezember 23, 2011, 12:03:40 »
Hi Erich,

aye, manchmal muss man das Grausame einfach schön reden. Das Gedicht entstand zu einem Zeitpunkt, als ich mich noch mit Schuldgefühlen quälte und bereit war, meinen Schlächter selbst zu wählen, ich dummes Kalb. Ich wollte nur das Schöne sehen, was mal gewesen war. Doch inzwischen bin ich mir sicher, dass dies auch nur Teil des Manövers war. In der Beratungsstelle für weibliche Gewaltopfer wurde mir jedoch bestätigt, dass diese inneren Konflikte ganz normal seien. Alles sei so plötzlich passiert, dass die Gefühle nicht hinterher kämen.

War alles nicht schön, aber ich habe eine Menge daraus gelernt - über die Psyche des Sadisten, über das Frauenbild in unserer Gesellschaft und vor allem über mich selbst. Und ich habe erfahren, was wahre Freunde wert sind.

In diesem Sinne wünsche ich dir ebenfalls ein frohes Weihnachtsfest und freue mich, dich im neuen Jahr wiederzusehen.

Lieben Gruß
Petra

Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

a.c.larin

  • Gast
Re:Mit dir
« Antwort #5 am: Dezember 26, 2011, 15:08:59 »
liebe jenny,

ich glaube, das verwirrendste an dem beispiel ist die tatsache, dass man die ganze geschichte eben nicht so leicht in "gut" und "böse" einordnen kann.
denn dann wäre es ja leicht.
das wirklich schwierige daran ist die verquickung von beidem: denn da war ja die LIEBE - und zusätzlich zu ihr war auch noch dieses ganz andere.
warum? woher? wie hätte man es verhindern können?
man könnte es auch so sehen: da war tatsächlich ein blumenbeet - und dann fuhr ein panzer darüber.

er ist immer unfassbar, wenn so etwas passiert.
gewalt ist immer schrecklich.
das unfassbarste aber ist, dass wir uns leider niemals ganz vor ihr schützen können- denn dann müssten wir das leben, so wie es ist , ausschließen.
und das wäre ein noch größerer fehler.

wir geraten manchmal in dinge hinein, ahnungslos, schuldlos.
gut ist, dass du wieder heraus geraten bist - darauf darst du stolz sein.

und dass du imstande bist zu lieben, das kann dir sowieso keiner nehmen.
das bist du - und das wird dich auch weiterhin begleiten.

irgendwann fällt das samenkorn auf fruchtbaren boden.
dann wird alles gut sein.

liebe grüße, larin
« Letzte Änderung: Dezember 27, 2011, 09:34:36 von a.c.larin »

cyparis

Re:Mit dir
« Antwort #6 am: Dezember 26, 2011, 19:31:29 »
Selten habe ich einen so mitfühlenden Kommentar gelesen!

Hab Dank, larin!


cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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