Hi, Ingo!
Deine Stimmungsbilder werden immer besser und wortgewandter! An manchen Stellen aber achtest du noch zu wenig auf die Sprachmelodie. Was nützt eine tolle Phrase, wenn sie beim Lesen am Ohr kratzt und hakelt - und so die sorglich aufgebaute Stimmung verdirbt?
Als Beispiel soll hier die letzte Zeile dienen: "...statt Fahlbleich als Ziel." liest sich nur mit beträchtlichem lingualen Bewegungsaufwand und strotzt vor fauchenden und kantigen Konsonanten! In diesem Fall kommt hinzu, dass das Bild nicht funzt, was zum Teil am hauptwörtlichen Gebrauch dieses Adjektivkonglomerats "fahlbleich" liegt, zum Teil an der unnötig überkonstruierten Kompexität des Satzes selbst. So versickert das schöne Stimmungsbild quasi im blassen Schmirgelsande ungünstiger Wortwahl und Syntax...
Vorschlag:
"Die Spitze des Kirchturms, die ragende Nadel (ein ruhender Zeiger),
sie weist reines Blau nun den Träumen als Ziel."
Eine formale Kleinigkeit: In S1Z2 ist vor und nach "im Umriss" je eine Leerstelle zuviel. Könnte beabsichtigt sein, um die etwas kurz geratene Zeile so optisch zu strecken, indes, es wirkt eher wie ein Flüchtigkeitsfehler, vor allem, weil dir die optisch noch kürzeren Zeilen in S2 ja nichts auszumachen scheinen...
Noch ein Detail: In S1 beschwörst du eine "feuchtkalte" Nebelflur, die eindeutig und extrem mit dem Bild tropischer Inseln in S2 kollidiert! Obwohl es nur ein Vergleich sein soll, ist dieses Bild so anders, dass die Stimmung von S1 deutlich angekratzt wird. Ich schlage einen "skandinavischeren" Vergleich vor: "wie nördliche Schären"
Sehr gern gelesen und beklugfummelt!
LG, eKy