Autor Thema: Lebensziel  (Gelesen 1589 mal)

Erich Kykal

Lebensziel
« am: Dezember 05, 2013, 15:22:06 »
Auf schmalem Grat geht jeder seine Schritte
im Wirbel dieses Lebens, und er findet
in einer Fülle, die sein Wünschen bindet,
aus vielen Möglichkeiten doch zur Mitte.

Dort angelangt, im Angelpunkt der Kreise,
die er in Jahren schlug, die er bereiste,
erkennt er nun, was seine Träume speiste,
und glaubt sich abgeklärt und endlich weise.

O kleiner Mensch in deinem kleinen Reigen,
denkst du denn wirklich schon, es sei genug,
sich alles, was geschah, erneut zu zeigen,

um zu begreifen, was dein Leben wollte?
Es zieht so rasch vorbei, und wie im Flug
verwischt das Ziel, das man erreichen sollte!
« Letzte Änderung: Dezember 14, 2013, 14:44:29 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Ingo Baumgartner

Re:Lebensziel
« Antwort #1 am: Dezember 06, 2013, 09:23:18 »
Was ist mehr zu bewundern, der philosophische Kern oder die lyrische Umsetzung. Wunderschön! LG Ingo

Erich Kykal

Re:Lebensziel
« Antwort #2 am: Dezember 06, 2013, 10:38:48 »
Hi, Ingo!

Bitte bewundere beides gleichermaßen! ;) :D

Vielen Dank für so ein tolles Lob! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Lebensziel
« Antwort #3 am: Dezember 07, 2013, 18:52:32 »
Lieber Erich,

ich antworte heute einmal ganz grob:

Erst baust Du mit zwei hervorragenden Quartetten ein heimeliges Nest (Bett),
dann reißt Du es mit zwei bestechenden Terzetten unter meinem Hintern raus und auseinander, daß die Federn nur so fliegen.

Aber warum nicht? Ja, warum eigentlich nicht?
Ich solls mir im Geiste nicht allzusehr bequem richten...


Lieben Gruß
von
Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Lebensziel
« Antwort #4 am: Dezember 08, 2013, 10:16:52 »
Hi, Cypi!

Danke für deinen Kommi - und ja, du hast die Quintessenz meiner bescheidenen Zeilen erfasst! :D

Den "Mann" habe ich im Sinne geschlechtlicher Fairness zu "Mensch" umgeändert. Ist auch melodischer so...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Lebensziel
« Antwort #5 am: Dezember 08, 2013, 22:18:24 »
Ja, das ist weitaus besser.
Welch einen Unterschied das ausmacht!!
Erstaunlich.

Nachtgruß! :-*

Cypi
Der Schönheit treu ergeben
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Erich Kykal

Re:Lebensziel
« Antwort #6 am: Dezember 09, 2013, 08:52:16 »
Hi, Cypi!

Von wegen "Unterschied" - ich habe das schon oft bemerkt: Ein einziges Wort kann ein ansonsten wunderbar gelungenes Gedicht zuschanden machen! Dieses eine Wort ist wie eine Rasierklinge unter Gummibärchen, wie ein Nagel in der Matratze, wie eine Glasscherbe im Müsli! Der mit der Melodie der Zeilen fortgetragene Geist strandet gnadenlos an der schroffen Klippe dieses einen unpassenden Ausdrucks, sei er vulgär, flapsig allgemeinsprachlich, allzu technisch oder schlicht unmelodiös!
Ist mir auch in eigenen Werken passiert: Beim Schreiben ist man manchmal irgendwie "betriebsblind" und hält sich nur an der Bedeutung fest, erkennt nicht die desaströse Wirkung des gewählten Wortes auf Satzmelodie und Fluss, kurz - die Harmonie des Zusammenspiels aller Komponenten!
Das Beispiel hier (Mann-Mensch) ist sicher nur ein ausgesprochen gemäßigtes, da haben wir schon ganz andere Lapsi erlebt, nicht wahr? :D ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Lebensziel
« Antwort #7 am: Dezember 09, 2013, 11:34:06 »
Ja, lieber Erich.
Aber es ist ja das wundervolle am Spiel mit der Sprache, daß durch den Austausch eines einzigen Wortes/Begriffes ein Gedicht eine unglaubliche Bereicherung erfahren kann.

Wie anregend und beruhigend!

Lieben Frühgruß
von
Cyparis
« Letzte Änderung: Dezember 14, 2013, 14:39:47 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

wolfmozart

Re:Lebensziel
« Antwort #8 am: Dezember 14, 2013, 11:07:16 »
Wieder ein sprachlich und inhaltlich schönes Werk.

LG wolfmozart

Erich Kykal

Re: Lebensziel
« Antwort #9 am: August 03, 2021, 11:05:13 »
Hi WM!

Ein Dank acht Jahre später - warum nicht?  ;)  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Lebensziel
« Antwort #10 am: August 11, 2021, 20:10:56 »
tatsächlich auch hier perfekte Umsetzung und philosophische Frage. lieber Erich.
SOLLTE man überhaupt SEIN Lebensziel erreichen und wer bestimmt das sollen? Es gibt Ziele, die Menschen sich selber stecken. ich hab das nie getan. Mein Leben hat sich ergeben aus den Freiheiten, die ich mir nahm. Sollen kam da nicht vor ;D- und doch habe ich alles erreicht, was ich gerne wollte.
Wer aber hätte mir das Sollen vorschreiben können?
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Lebensziel
« Antwort #11 am: August 12, 2021, 01:57:31 »
Hi Agneta!

Ja, das Gedicht scheint davon auszugehen, dass jedes Leben einen bestimmten Sinn habe, ein wie von höherer Macht geplantes Schicksal. Das ist natürlich Quatsch. Aber oft ist es doch so, dass Menschen sich für ihr Leben etwas Bestimmtes vornehmen und diese Zukunft wie eine Monstranz vor sich hertragen - ohne sie je zu erreichen. Dieses sich selbst gesteckte Ziel, das, was "sie erreichen sollten" (nach eigenen Maßgaben), wird oft in jungen Jahren avisiert, und spätere Lebensumstände, Erfahrungen oder Reifung der Persönlichkeit in andere Richtungen verwischen oft diese Ziele.

Wenn sich solche Leute also - wie es die Quartette eingangs beschreiben - irgendwann zurückerinnern, um sich neu zu fokussieren, und bewusst erkennen, dass sie weit von dem entfernt sind, was sie sich früher von ihrem Leben erwartet und gewünscht hatten, sind sie oft enttäuscht und hadern mit sich, empfinden sich als Versager. Das Gedicht stellt solche Lebensplanung in Frage und will zeigen, wie oberflächlich und zu kurz gedacht solche Wunschbilder sind, und dass sie das Selbstwertgefühl eigentlich nicht beeinflussen sollten.

Ich denke, so in etwa war damals meine Intention.

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 13, 2021, 23:25:32 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Lebensziel
« Antwort #12 am: August 13, 2021, 22:44:02 »
Sehr schön, lieber Erich,

dieses Gedicht in seiner Gedankenführung und Sprache.

Da ich der Sinnfrage nichts mehr abgewinnen kann, ich mein Leben nicht in diesen Zwiespalt eingespannt. Es gibt mir, und wo ich noch mitgestalten kann, doppelt.

Sehr gern gelesen.

Grüße von gummibaum