Autor Thema: Finanzwirtschaft  (Gelesen 1380 mal)

Ingo Baumgartner

Finanzwirtschaft
« am: Januar 24, 2014, 19:46:01 »
Es schützen euch die Fensterfronten
im Glaspalast der Heuchelei.
Maschinen schieben, fälschen Konten,
eröffnen täglich neue Fronten
zu übler Beutelschneiderei.
Ihr fühlt euch sicher, ja immun,
schaut niemals vorwärts, lebt im Nun.

Es fehlt euch jegliches Gewissen,
was zählt, ist fetter Reingewinn.
Dem Arbeitsfleiß schon längst entrissen,
mehrt Geld sich, allen Hindernissen
zu trotzen, steht allein der Sinn.
In Südeuropa stirbt ein Kind,
weil Eltern ohne Mittel sind.

Und böse werdet ihr, ins Toben
verfallen eure vielen Sprecher,
wenn Arme nicht die Guttat loben,
die ihr im weichen Lehnstuhl droben
verordnet habt. Wenn aus dem Becher
die Würfel fallen, steht ein Land,
zum Fall bestimmt, am Kraterrand.

Gemeines Volk aus Milliarden
von Menschen sieht euch staunend zu,
wie ihr - der Habsucht stolze Barden -
mit Hilfe eurer strammen Garden
die Puppen tanzen lasst. Und du?
Du fühlst dich - so wie ich – geprellt,
in Ohnmacht, wie die halbe Welt.


« Letzte Änderung: Januar 25, 2014, 15:17:40 von Ingo Baumgartner »

Erich Kykal

Re:Finanzwirtschaft
« Antwort #1 am: Januar 25, 2014, 13:18:49 »
HI, Ingo!

So kann man sich seinen Furor von der Seele schreiben! Schön gereimt! Allerdings habe ich festgestellt, dass diese Art von Wutlamento/Anklage die Menschen weit nicht so sehr erreicht wie zB ein simples Beispiel der Kälte und Berechnung der erwähnten Täter. Ein Tipp: Häng das Gedicht das nächste Mal an dem Beispiel von dem Kind auf, stelle das/die Opfer in den Mittelpunkt, mit dem/denen sich der Leser identifiziert und mitleidet. Erwähne die Schuldigen nur ganz zum Ende, wenn überhaupt - am besten nur indirekt, aber nicht im Zorn, ganz nüchtern oder bestenfalls mit ehrlichem Bedauern: Gib dem Leser die Chance, sich selbst ein Urteil zu bilden, und er wird es dir danken, dass du ihm das zutraust. Diese Erfahrung habe ich zumindest mit dieser Art von Gedichten gemacht.
Aber ich weiß - manchmal muss es sein, dann will der ganze Frust einfach nur raus!

2 Kleinigkeiten:

S1Z1 - Kein Komma am Zeilenende.

S4Z5 - "...tanzen lasst" bitte - das Subjekt ist im Plural.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Ingo Baumgartner

Re:Finanzwirtschaft
« Antwort #2 am: Januar 25, 2014, 17:56:41 »
Erich danke. Deine Anmerkungen haben Hand und Fuß. Aber - Gedichte dieser Art werde ich ohnehin nicht in mein Programm aufnehmen. :D
Zum Beistrich und "lasst". Es dürfte mit dem Alter zu tun haben, dass ich zunehmend mehr solche Peinlichkeiten produziere. :)
LG Ingo

Erich Kykal

Re:Finanzwirtschaft
« Antwort #3 am: Januar 25, 2014, 19:13:39 »
Hi, Ingo!

Keine Tragik - ich weiß, wie sowas meist passiert: Man dichtet die Zeile ursprünglich anders, ändert dann etwas und vergisst, den Rest des Satzes anzugleichen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Finanzwirtschaft
« Antwort #4 am: Januar 26, 2014, 21:23:11 »
Lieber Ingo -


die Ohnmacht ist das Schlimme (Kaninchen vor der Schlange).
Aber  w e m  könnte es gelingen, diesem wahnwitzigen Tanz in den Abgrund Einhalt zu gebieten?

Angeblich Bemühte beschwichtigen. Mehr nicht.

Bedrückten Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Daisy

Re:Finanzwirtschaft
« Antwort #5 am: Januar 26, 2014, 22:11:42 »
Hallo Ingo,

ein überaus gelungenes Gedicht, sehr überzeugend und intensiv in Wortwahl und Ausdruck!

LG Daisy