LIEBLINGSBILDER(ZYKLUS)
VORWORT
Dieses Büchlein entstand aus dem
Bedürfnis heraus, jenen Bildern, die
mich ganz persönlich zu beeindrucken
vermochten, ein kleines Lob zu singen.
Folgerichtig sind sie in ihrer Abfolge
keinem speziellen Genre, keiner speziellen
Epoche zugeordnet, wenn auch die
meisten impressionistisch und manche
expressionistisch sind, wie ich zugeben
muss – eine persönliche Vorliebe.
Die Sonette beschreiben die Bilder und/oder
drücken meine eigenen Gedanken dazu aus,
die dann auch mal frei interpretieren und das
Gemälde inhaltlich fortspinnen oder ganz
nach eigener Lesart deuten. Dies sind aber
keine dogmatischen Auslegungen, sondern
entspringen vielmehr meiner jeweiligen
Stimmung, Laune oder dem zu jener
Zeit eingenommenen Standpunkt.
Die Sonette folgen auch keiner festgelegten
Struktur. Puristen mögen dies bekritteln,
aber mir waren Klang und Melodie wichtiger
als eiserne Regeln. Meines Wissens nahm
ein Rilke das auch nicht so genau. In den
ersten beiden Vierzeilern gibt es die
Reimschemata ABBA sowie ABAB, die
folgenden Dreizeiler divergieren ganz
nach jeweiligem Stimmungsbild.
Auch die Reime wechseln meist öfter
als laut engeren Sonettregeln vorgegeben.
Der Grund ist der nämliche – ein allzu enges
Korsett kann auch atemlos machen, wie ich
finde. So folgen meine Zeilen eher
Stimmungen als Regeln. Wer damit nicht
zurechtkommt, sollte das Buch nicht kaufen.
Allen anderen sei an dieser Stelle viel
Freude und Kurzweil mit meinem
bescheidenen Wortweben gewünscht.
Der Autor
PS: Da der Text hierherkopiert wurde, funktionieren die Links leider nicht. Ich ersuche darum, die Bilder, falls unbekannt, zu googeln.
1 - MONA LISA (Leonardo da Vinci, 1503) ---> zum Bild
Du hüllst dein Lächeln wie in Haut aus Seide,
die deiner Augen Fordern konturiert,
und beides trägst du an dir wie Geschmeide,
das alle Blicke anrührt und verführt.
Die hellen Hände, sacht einander fassend,
als gürteten sie deine Wohlgestalt,
sowohl sich haltend wie sich halten lassend,
als wären sie und fänden sie dir Halt.
Du bist zugleich die Jungfrau und die Sünde,
bleibst Weib wie Engel, ewig rätselhaft.
Wer dich geschaut, erfindet tausend Gründe,
dich anzubeten und für dich zu brennen!
Doch du scheinst alle Seelen zu erkennen
und segnest sie mit deiner Erdenkraft.
2 - DORFMÄDCHEN MIT HUND UND HENKELKRUG (Thomas Gainsborough, 1785) ---> zum Bild
Nie trug die nackte Armut solch ein Dulden
gleichwie Versonnenheit, als dieser Blick
geprüfter Augen, deren Unverschulden
nie Trost für sie bereithielt und nicht Glück.
Gebrochen wie der Krug erscheint ihr Leben,
doch so wie er erfüllt sie ihre Pflicht,
und weiß doch Wärme, die sie kennt, zu geben,
fühlt auch ihr Dasein solche Wärme nicht.
Sie rührt mich an, ein Inbild alles dessen,
was uns versagen macht wie auch bestehn,
und sei sie auch begraben und vergessen,
so werden Lebende an diesem Bilde reifen,
wenn ihre Augen es als das begreifen,
was ihre Herzen längst schon darin sehn.
3 - DER BRAND DES PARLAMENTSGEBÄUDES (J.M.W. Turner, 1835) ---> zum Bild
Dein Brand gebiert die Welt, und doch verhüllt er,
was er erhellt, wie Rauch aus Fumarolen.
Als hätte er Substanz, bewegt und füllt er
den Punkt, den er den Schatten rings gestohlen.
Nur flüchtig hingetupft sind Artefakte
aus Menschenhand, als sollten sie nicht sein,
wo sie das Glühen fast bis ins Abstrakte
entwerden lässt in seinem Spiegelschein.
Wer goss dir solches Leuchten in den Pinsel,
dass er zugleich so flüchtig und so sicher
die Welt begriff auf deiner fernen Insel?
Was kelterte die Brücken und die Dächer
aus Dunst und lichtem Dampf, des weicher Fächer
sie vage macht und dennoch wesentlicher?
4 - LANDSCHAFT BEI MENTON (Pierre Auguste Renoir, 1883) ---> zum Bild
Da wuchern Bäume auf wie Flammenlohen,
umwölkt von Blättern, deren grüner Rauch
ein Schattenspiel ins Gras wirft um die Hohen
wie einen Zauberbann der Sehnsucht auch.
So strahlend sommerlich sind alle Farben,
wie leicht bewegt, bewegend und grazil
der Wuchs der Blüten und der vollen Garben,
und keine einzige davon erscheint zuviel
in dieser Sinfonie aus Licht und Süden,
die durch die Sinne wie ein Träumen geht,
an dem die wachen Augen nie ermüden,
als wüchse hier ein Mittag ohnegleichen,
um von den Pforten blauer Himmel sein Gebet
den Herzen wie aus Zweigen hinzureichen.
5 - FISCHERBOOTE AM STRAND VON SAINTES-MARIES-DE-LA-MER (Vincent van Gogh, 1888) ---> zum Bild
Als wollten sie im braunen Sande treiben
und bräuchten nicht das anverwandte Meer,
erscheint ihr Unbewegtsein, doch sie bleiben
an diesem Ufer, unerweckt und leer.
Von Mast und Takel sperrig überfangen,
bewohnt sie Farbigkeit aus starker Hand.
Ein taubengrauer Himmel schmiegt die Wangen
an den durch sie allein geschmückten Strand.
Nur weit entfernt bewegen ihre Schwestern
die hohen Segel lautlos durch das Licht,
als hätte nie ein unbemanntes Gestern
sie ebenso gesehen wie die Boote,
die nun an Land gereiht wie bunte Tote
die Leere mäßigen durch ihr Gewicht.
6 - DER KUSS (Gustav Klimt, 1908) ---> zum Bild
Sie herzen sich, als wäre ihr Umschlingen
des größten Stillehaltens einzige Bewegung,
des tiefsten Menschseins forderndes Gelingen
in dieser so zur Schau gestellten Regung.
Und wie das eine sich im andern gründet,
als wüßte es alleine nicht zu sein
und in ein Größeres sich fügt und mündet,
so webt darin auch dein Gefühl sich ein.
Du bist der Mantel, der sie bergend hütet,
darin sie sich vergessen und vergehn,
und gleich, was eine kalte Welt durchwütet,
sie werden danach größer und erhaben,
gereifter an der Fülle seiner Gaben
aus deiner Obhut Wärme auferstehn.
7 - DER TIGER (Franz Marc, 1912) ---> zum Bild
Die ganze Kraft im Schwunge hergewendet
nach einer Beute, die sein Auge bannte,
des Blickes Glut, die ahnen lässt: Hier endet,
was immer dieses Schauen auch erkannte.
Dies ist Bemächtigung aus einer Mitte,
die ihren Hunger kennt und ihre Kraft,
und keine Angst, Gebet nicht oder Bitte
macht solche Schärfe wieder schemenhaft.
Ein Tor geht auf zu deinem tiefsten Beben,
wo dieses goldne Starren dich zerbrach.
Dein Wollen wehrt sich kaum, als wäre Leben
bedeutungslos im Angesicht der Größe.
Dein Fleisch erkennt sie und gibt zitternd nach,
und seine Schauer streicheln deine Blöße.
8 - STERNENNACHT (Vincent van Gogh, 1889) ---> zum Bild
Sind dies die letzten Spuren eines Falls
von tausend Engeln aus dem Wirbelstrome
des mondenmächtigen, tiefblauen Alls
hinunter in das Schattenreich der Dome?
Ist dies der Schmelz der ungezähmten Lichter,
die über dunkelnden Gefilden stehn,
ein Widerschein vom Sein erlöster Dichter,
die nach dem Tode durch die Himmel gehn?
Dies alles nicht? Wer kann dich so ertragen,
du seltsam losgelöstes Firmament?
Wer mag dich übertreiben, wer es wagen,
zu träumen von den Farben der Magie?
Wo ist die Seele, die sich in dir wiederkennt
und dich im Traum erwartet, vis-a-vis?
9 - DIE ERFÜLLUNG (Gustav Klimt, 1905-10) ---> zum Bild
Halt inne, Zeit, nur eine kleine Weile.
Am stillen Ufer solcher Seligkeit
hat man mit deinem Hingehn keine Eile,
und alles Abschiednehmen ist so weit.
Halt inne, Welt, schenk deine Augenblicke
dem Ineinandersinken ihres Seins,
denn ach, wie selten sind die wahren Glücke,
und wirklich dauerhaft ist endlich keins.
Seht ihrem Fühlen ganz sie hingegeben,
als wären Zeit und Welt allein für sie,
und aller Tag und weiter alles Leben
umrahmte bloß ihr wesentliches Tun:
Was ihnen Schicksal wollte, war'n sie nie,
nur was die Liebe wollte, sind sie nun.
10 - ADELE BLOCH-BAUER I (Gustav Klimt, 1907) ---> zum Bild
Das Gold um dich scheint kühl wie deine Lippen,
und wo die Hand der anderen zur Stütze
sich leise legt, fast wie zu sonst nichts nütze,
fällt deines Umhangs Saum herab wie Klippen.
So samten glüht dein Blick, dass man die Stille
nicht sehen mag, die seltsam darin fließt.
Sein Glanz gleicht dem, was deinen Leib umschließt:
Metallen scheint dein Herz, wie deine Hülle.
Wer sah dich so, gerahmt von einer Dichte,
die dich befangen machte wie ein Schmerz
und an dir zog wie goldene Gewichte?
Und wem gewährst du deine höchste Gunst?
Wer rührte doch dein so entrücktes Herz
mit allem Golde seiner schönsten Kunst?
11 - ROTE PFERDE (Franz Marc, 1911) ---> zum Bild
Seid Anmut, Kraft und schiere Lebensfreude,
die euren Leibern so viel Regheit schenkt,
entronnen einem dunklen Stallgebäude,
das euch die Häupter wie die Herzen senkt.
Verliert euch in verspielten Kapriolen,
solang das jähe Rufen euch nicht findet,
das jene tun, die euch des Abends holen
nach Hut und Hege, die euch an sie bindet.
Seid beinah frei, seid ganz, seid rote Pferde
für die Momente, die euch keiner rief,
seid selten Glück und Seligkeit der Erde
all jenen, die euch gerne sehn und schauen,
da ihr erweckt, was lang in ihnen schlief,
weil es gefroren war - nun mag es tauen!
12 - IRIS (Vincent van Gogh, 1889) ---> zum Bild
Was lodert da aus braunen Erdengluten
so bläulich grün empor wie jähes Feuer,
dass die Betrachter vor dem Werk vermuten,
dies kühle Züngeln wäre nicht geheuer?
Was wächst und greift durch jeden Raum
nach Blüten, die wie Rauch entschweben?
Wir sehn und fassen es doch kaum -
dies ist gemalt, und doch: Am Leben!
Ein wenig Weiß, ein wenig Rot vermählt sich
den blassen Garben schüchtern, wie von ferne,
und unserem Beschauen, ach, entschält sich
ein fast wie zärtlich wachsendes Begreifen:
Als wären's Blumen nicht, als wären's Sterne,
erschließt sich einer ganzen Schöpfung Reifen.
13 - BÄUME UND UNTERHOLZ (Vincent van Gogh, 1887) ---> zum Bild
Von ferne dringt der Lichtung zartes Glühen
an die Verborgenheit der schwarzen Erde,
als werfe sie ein selbstbewußtes Mühen
ins grüne Dunkel, dass es heller werde.
In ranken Garben drängen junge Gerten
in unerklärter Sehnsucht nach dem Himmel,
und wie ein Traumgebilde wilder Gärten
trägt stille Lebensgier das Blattgewimmel.
In zarten Zweigen atmet ein Gewicht,
als ob sie wispernd ein Geheimnis wüssten,
das sie der Sonne einst verraten müssten.
Noch tun sie's nicht und hüllen sich in Schweigen,
und doch kommt manchmal über sie ein Licht,
als dürften sie's in Schattenspielen zeigen.
14 - GRÜNES WEIZENFELD (Vincent van Gogh, 1890) ---> zum Bild
Der hohe Himmel lockt die hellen Gräser
am Rand des Weges in sein blaues Licht.
Nur manchmal, wie ein Tusch der Bläser,
beugt sie des Windes wanderndes Gewicht
für Augenblicke, die Struktur und Neigung
in alle Grüne werfen, die ihn reflektieren,
bis weithin dort an Grates letzter Steigung
die Wellen sich im Weizenfeld verlieren.
So geht im Glühen immerlichter Weiten
ein Schauen hin, das sie ermalen wollte,
und meiner Blicke hungerndes Begleiten
ahnt nur der Seele tief gewusste Schwere,
die jenen Kontrapunkt der schwarzen Leere
entgegenwarf, die sie verschlingen sollte.
15 - UNTERHOLZ MIT EFEU (Vincent van Gogh, 1889) ---> zum Bild
In diesem Wald gerinnt das Sichbewegen
Spazierengehender zu einem Lauschen,
das innehält, dass ja kein Blätterregen
versäume, sich mit ihnen auszutauschen.
Hier, ahnt man, wächst ein Überstilles,
das niemals fragt und dennoch wissend ist,
und es bezieht dich ein, und also will es,
dass du ein Teil von dieser Stille bist.
Beinah verbarg der Efeu längst die Bäume
mit schwarzem Grün, das ihre Zwischenräume
schon ausfüllt wie ein wucherndes Gewebe,
das alles sonst erstickt mit seinem Schatten,
sodass du dich verwundert auf den Matten
und wie von ferne flüstern hörst: Ich lebe!
16 - GARTEN DES HOSPITALS SAINT-PAUL (Vincent van Gogh, 1889) ---> zum Bild
Wo dereinst Mönche, ins Gebet versunken,
hinwandelten auf ihrem stillen Pfade,
hat deinem Blick die kleine Bank gewunken,
die längs der Mauer steigender Gerade
im Schatten hohen Laubwerks sich versehnte,
dass einer sei wie du, der sie besetzt,
und, während er das Ohr ins Horchen lehnte,
erwartend, dass ein Rufen es verletzt,
sich ganz verlöre in dem alten Parke,
doch bald an seiner Heimlichkeit erstarke,
die ihm ein tieferes Erleben ist,
und ihn bewegt, der Büsche weiße Blüten
in seinem Pinselstriche zu behüten,
damit kein Schauender sie je vergisst.
17 - BACH IM SONNENLICHT (Antonín Hudecek, 1897) ---> zum Bild
Noch bist du Unschuld, klarer Weidentäufer,
so reg und rein wie eines Kindes Tasten,
ein schlanker, jugendlicher Dauerläufer,
dem nicht bestimmt ist, jemals auszurasten.
Gealtert wird in tiefen Meeresbuchten,
beladen von der Menschen Werk und Last,
die deine Strömung zu benützen suchten,
dereinst versinken, was du Trübes hast.
Doch hier, an diesen grünen Wiesengründen,
bist du der Kinder heimlicher Vertrauter,
denn nur die Alten wissen um die Sünden,
die uns beladen immerzu im Fließen
durch Raum und Zeit und, ewig angeschauter,
die trüben Augen bitten, sich zu schließen.
18 - FRÜHSTÜCK IM GARTEN (Guiseppe De Nittis, 1884) ---> zum Bild
Wie bildet ein versunkenes Jahrhundert
am Tisch sich ab, in dieser Bäume Schatten,
als trüge es sein Fühlen, fast verwundert,
herauf durch Tage, die längst andre hatten.
Wer kennt noch hohe Kleider so wie jenes,
und tafelt so, als wäre endlos Zeit?
Wer hat sie noch für Lebendes und Schönes,
das seine Seele für den Tag befreit?
So vieles ändert sich mit seinen Zeiten,
doch manches dauert an durch alle Jahre,
die uns durch unser Erdensein begleiten:
Der Kinder Frohsinn und der Mütter Sorgen,
als sollte es bedeuten: Seht das Wahre...
und tragt es zärtlich in ein Bild von Morgen.
19 - DIE WASSER DES MOGUDA (Joaquin Mir Trinxet, 1917) ---> zum Bild
Aus dunkler Ufer Unterwuchs erhebt sich
ein Farbenspiel im Zauberbann des Lichts.
Das Bild der Wasser kräuselt und belebt sich
vor einem Hintergrund, der angesichts
der heitren Tupfen jäh besonnter Grüne
ins Vage tritt, ein untertäniger Statist.
Er überlässt dem Laubwerk seine Bühne,
das bunt und wirr und vordergründig ist.
Und doch, welch Gleichklang der Nuancen!
Des Herbstes reife Glut an kahlem Ast,
ein warmer Wirbeltanz der letzen Chancen
auf kurze Tage und auf blasses Grün,
eh Kaltes alle Wasser überfasst,
um seinen blinden Spiegel drauf zu ziehn.
20 - TEICH IN MEDFIELD (Dennis Miller Bunker, 1889) ---> zum Bild
Wie wird der helle Anblick mir zuviel!
War ich je Kind genug, inmitten diesen
so wunderbar ins Licht getauchten Wiesen
zu spielen, sorgenlos und ohne Ziel?
Wie wird ein Blau zu Tiefe, die mich bindet!
An diesen Wassern geht ein andrer Tag
als der von je im bloßen Dauern lag,
das mir die trübe Pflicht alltäglich findet.
Was ist's, was bleibt als eines Traumes Flöte,
die mich mit Farbentönen lockt ins Spiel?
Ich bleibe - wissend wohl, was Leben böte,
gerönne mir nicht alle Zeit zu Schulden -
ein dunkler Träumer ohne Sinn und Ziel,
den seine wachen Stunden wissend dulden.
21 - FÜCHSE (Franz Marc, 1913) ---> zum Bild
Der erste Blick: Ein flirrendes Zerwürfnis
von Form und Farben, unbedacht zerschnitten.
Man möchte einen Restaurator bitten,
es neu zu fügen nach harmonischem Bedürfnis.
Der zweite Blick erst öffnet ein Begreifen
von anderswo dem staunenden Bewussten
von Dingen, die in Tiefen wurzeln mussten,
um uns zu Größerem heranzureifen:
Wie wunderbar die sanft vertraute Nähe
in diesem Scherbenbild von Fuchs und Fähe,
im Welpentraum so inniglich verbunden
mit Wohl und Wärme eines tiefen Baues
und einer Zärtlichkeit, die nichts Genaues
verraten will - nur, dass sich Zwei gefunden.
22 - HEUSCHOBER BEI RAUREIF (Claude Monet, 1891) ---> zum Bild
Im Morgenlicht erglühen sanft die Matten
von übersilbertem, gedämpftem Grün,
das dort, in jener großen Haufen Schatten
dich fangen will und deinen Blick bemühn.
Noch höher wirft der Himmel sich ins Feuer,
als tilgte er die Nacht mit wilder Lust
und kühlt dabei ins Blaue ab, wird scheuer,
als würde ihm sein Dasein nun bewußt.
Und was er schafft, im jugendlichen Lichte
noch zag verwoben mit dem Firmament,
er macht es doch mit Helligkeit zunichte,
die sich durch alles Zwielicht brennt und schneidet
und nie die zarten Zwischentöne kennt,
in die sich morgendlich sein Werden kleidet.
23 - DAS BLINDE MÄDCHEN (John Everett Millais, 1856) ---> zum Bild
Um dich herum ist Leben, weltgewaltig,
und alles trinkt an Farbigkeit sich satt;
doch dein Gemüt, das keine Augen hat,
erkennt die Erde anders vielgestaltig:
Der Sonne warmes Glühen auf den Wangen,
fühlst du den Lufthauch, der dir Düfte bringt
und Melodien eines Frühlings singt,
die an dein Ohr und in dein Herz gelangen.
Du schweigst, um in dir einem Lied zu lauschen,
das, mit dem Klang umher sich auszutauschen,
so zärtlich durch die weiche Seele geht,
die in sich ruht, nicht aus der Welt gefallen,
nur tiefer noch in ihr und so mit allen
den Bildern wohlvertraut, die sie versteht.
24 - PALLAS ATHENE (Gustav Klimt, 1898) ---> zum Bild
Wie Überirdisches verwischt dein Auge
die Welt der Menschen, Göttin. Hohe Frau,
du schaust uns an, als wüsstest du genau,
was jeder, der dir naht, in Wahrheit tauge.
Du bist Metall aus einer reinern Esse
als alles, was dir huldigt und dich hegt,
und nichts als dies: Für immer unbewegt,
auf dass Bewegliches dich nie vergesse.
Wer bin ich, du unendliches Gesicht,
vor dir als das Fragment nur eines Ganzen?
Und wüsste ich um deine Gnade nicht,
ich müsste schauern vor dem ernsten Munde,
auf dem vielleicht zu unbelauschter Stunde
der Menschen Träume wie ein Lächeln tanzen.
25 - ALLEE IM PARK VOYER D'ARGENSON IN ASNIÉRES (Vincent van Gogh, 1887) ---> zum Bild
Der Mann, der selten lachte, ging spazieren
in einem Park, da viele Wege sind
und wirr sich teilen, Mann und Frau und Kind
ins Weite und in manche Nähe führen.
Er ging und dachte vielerlei Gedanken,
nahm kaum die anderen Gestalten wahr.
Nur eine schien ihm später seltsam klar,
als schon die Blüten und die Himmel sanken.
Er blickte lange auf den Weg zurück.
Da war es wiederum, das leise Ahnen
von ewig ungenutzten und vertanen
Gelegenheiten auf ein Stückchen Glück.
Und endlich wandte er, ein wenig kleiner,
sich traurig ab - und wurde irgendeiner.