Autor Thema: Dazu gelernt  (Gelesen 1150 mal)

gummibaum

Dazu gelernt
« am: August 18, 2014, 19:21:25 »
Ein Künstler, der für Päpste, reiche Männer
aus Marmor wunderschöne Helden schält,
empfindet sich genarrt vom Lob der Kenner,
als er die schlankgekürzte Summe zählt.

Da bringt ihm denn ein Kammerdiener schlechte
Gewissheit, was der Potentat erlebt:
Es habe die Mätresse am Gemächte
des Marmornen, das größer war, geklebt.  

Der Künstler packt den Meißel auf die Schnelle,
umschleicht voll Wehmut dann den nächsten Held.
Verkürzt ihn schonungslos an einer Stelle -
und siehe da: der bringt das große Geld!


Das voran stehende Gedicht war zunächst nur eine gereimte Replik auf Erichs Fußnote im Faden "Mit dir versteinern". Er konnte mich nämlich mit der interessanten Anmerkung überraschen, dass der Renaissancekünstler das "Gemächte" aus Berechnung verkleinert, um dem Geldgeber die Blamage zu ersparen und ihn als den Geschmeichelten zahlungswilliger zu stimmen.

LG gummibaum


(Aber, Erich, du hast weit mehr vermocht. Da ich mich stets an der Renaissance orientiert habe und insofern nie wagte, mit den eigenen, vermeintlich furchterregenden Dimensionen herauszurücken, bedeutet diese späte Aufklärung eine große seelische Entlastung für mich. Ich werde jetzt im Gegenzug jede nur mögliche Gelegenheit nutzen, Versäumtes nachzuholen. LG g)



  

Erich Kykal

Re:Dazu gelernt
« Antwort #1 am: August 18, 2014, 20:32:43 »
Scherzkeks! ;D ;D ;D
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Dazu gelernt
« Antwort #2 am: August 18, 2014, 22:37:44 »
Euch Mächtigen! ;)



Gestalten wollt ich das Gemächte satt
links ruhend, dennoch erektil.
Den Vätern war der Stil zuviel.
Begrenzt* schuf ich das Eichenblatt.



* man lese auch: bekränzt


Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Dazu gelernt
« Antwort #3 am: August 19, 2014, 10:59:32 »
Gute Replik, Cyparis. Vielen Dank. Bei Michelangelo, der sich nicht selbst dazu entscheiden konnte, besorgten es die "Hosenmaler".

LG g

Erich Kykal

Re:Dazu gelernt
« Antwort #4 am: August 19, 2014, 13:42:42 »
Zum Thema "Blatt": Nach der Renaissance gab es eine gegenläufige Bewegung gesteigerter Keuschheit. Den Päpsten waren all die nackten Herrschaften aus Marmor kein moralisch integrer Anblick mehr. Ein Papst (der Name ist mir entfallen) ließ also irgendwann sämtlichen ihm zugänglichen Gestalten die Geschlechtsteile abmeißeln und durch ein Blatt ersetzen, Gemälde wurden vielfach entsprechend übermalt - so kam diese "Mode" der spießigen Körperleugnung auf.
Seither werden auch Adam und Eva im Paradies immer mit diesem unseligen Grünzeug vor der Scham gezeigt, ob figürlich oder in Bildern!
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.