Autor Thema: Der geringe Bruder Franz von Assisi  (Gelesen 1278 mal)

Seeräuber-Jenny

Der geringe Bruder Franz von Assisi
« am: November 29, 2015, 00:53:39 »
So wie ein stolzer Ritter zum Turnier
zog er als junger Mann ins Feld hinaus.
Da bat ihn Gott: "Franz, baue mir mein Haus,
denn es verfällt sonst auf der Erde hier."

Tat wie geheißen ohne viel Gebraus,
trug keine Schuh und nur sein Kreuz als Zier.
Doch liebte auf der Welt ihn jedes Tier,
der Wolf, das Lamm, die Katze und die Maus.

Wärn alle Christen Imitatio
von Christus wie der fromme Bruder Franz
am Fuße des Monte Subasio,

wir bräuchten keine silberne Monstranz,
und die Geschöpfe wären alle froh,
und unser Haus, es würde wieder ganz.
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Der geringe Bruder Franz von Assisi
« Antwort #1 am: November 29, 2015, 11:40:43 »
Hi, Jen!

Heute würde man einen wie den Franz wohl in eine geschlossene Anstalt einweisen...

Mal abgesehen von dem phantasievollen Brimborium, mit dem die christliche Legende ihn umgibt, was war er? Ein vegetarischer Sonderling, ein durchglühter Glaubensfanatiker (wie sonst hätte er all die weltliche Entsagung ertragen?), ein verwöhnter, im Luxus groß gewordener verweichlichter Sohn eines reichen Tuchhändlers, der lieber naiver Naturbursche sein wollte? Ein zu früher Hippie, bloß ohne Spass am Sex?
Was geschah wirklich damals in Rom bei der Papstaudienz, und was ist Legende? Wir rufen Bilder auf, die durch Jahrhunderte gesponnen wurden, machen Gefühle und Werte daran fest, stellen aber nie in Frage, wie es zu ihnen kam und wie objektiv sie wirklich sind!

Dennoch, nette Story. Ich allerdings wollte auf keinen Fall hier "Imitatio" üben: Barfuß durch den Winter in einer zugigen Kutte, ohne Sex, ohne Zerstreuung, nur Beten, Meditieren und den selbst gewählten Herrn preisen wie ein unterwürfiger Sklave - das wär nicht meins, ganz ehrlich, so sehr mir auch manches an der modernen Gesellschaft nicht passt.
Aber seien wir ehrlich: Wir leben in der besten Gesellschaft, die die Menschheit bisher hervorgebracht hat! Bedenkt man den bisherigen Egoismus und Machtwillen, die Jahrtausende währende Schlachterei im Namen von Ländern, Herrschern oder Göttern, die Kaltherzigkeit gegenüber anderer Leid, die grausame Ausnützung, Versklavung, Unterwerfung, welche die bisherige Geschichte prägten - muss man ehrlich sagen, dass man eigentlich nicht schimpfen dürfte auf die heutigen Zustände! ;)

Gern gelesen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Der geringe Bruder Franz von Assisi
« Antwort #2 am: November 29, 2015, 16:14:28 »
moin moin Jenny,

schön, dass du zum heutigen 1. Advent dieses aus christlicher Sicht gelungene Gedicht eingestellt hast.

Ich weiß, dass du dich von Erichs regem Geist nicht beeinflussen lässt, oder  ???

Doch muss ich ihm recht geben, wie objektiv kann ein durch die Religion vermitteltes Bild wirklich sein? Ein Gläubiger hinterfragt ja schließlich nicht, er glaubt was man ihm sagt ( weismacht) .

Aber auch seine Feststellung:

Zitat
muss man ehrlich sagen, dass man eigentlich nicht schimpfen dürfte auf die heutigen Zustände!

kommt mir entgegen, denn die "Gute alte Zeit" war schlimmer, in jeder Hinsicht.

Nun ja,

wir schreiben doch alle Gedichte um auch andere zu erfreuen ::)

Lieben Gruß

Curd
« Letzte Änderung: November 29, 2015, 16:16:52 von Curd Belesos »
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Seeräuber-Jenny

Re: Der geringe Bruder Franz von Assisi
« Antwort #3 am: November 29, 2015, 22:43:26 »
Hi Erich,

ich denke nicht, dass man ihn einweisen würde, denn ebenso wenig wie der biblische Jesus war Franz von Assisi ein Fantast, sondern ein sehr mutiger Mann, der auch heute noch durchaus als Vorbild dienen könnte. Dazu muss man nicht barfuß gehen.

Von seinem reichen Vater sagte er sich los und lebte das einfache Leben. Das Volk verehrte ihn, und er war fast so etwas wie ein Volksheld.

Er war ein Kritiker der damals sehr verkommenen kath. Kirche, die in einer Krise steckte. Franz von Assisi und seinen Gefolgsleuten, die die Rückbesinnung aufs Evangelium forderten (Nächstenliebe!), hatte sie eine Erneuerung zu verdanken. Dass es nicht so geblieben ist, ist nicht seine Schuld.

Auch Papst Franziskus versucht auf den Spuren des Hl. Franziskus zu wandeln, und auch heute hat die kath. Kirche, und nicht nur sie, eine Erneuerung dringend nötig.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

***

Hallo Curd,

es ist ja kein Märchen. Franz von Assisi hat es ja wirklich gegeben, und in der Geschichtsschreibung ist viel über sein Leben und seine Taten überliefert.

Hier ein interessanter Beitrag. Zwar aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon, aber natürlich lässt sich auch in sämtlichen anderen Lexika was finden.

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienF/Franziskus_von_Assisi.htm

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: November 29, 2015, 22:45:27 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz