Autor Thema: Madonna (nach Munch)  (Gelesen 957 mal)

gummibaum

Madonna (nach Munch)
« am: M?RZ 13, 2016, 13:29:39 »
Madonnas keuscher Blick lässt sich nicht finden.
Gesenkt sind ihre Lider. Sie genießt,
wie sie mit bloßer Brust in Lust zerfließt,
um sich vor geilem Blick enthemmt zu winden.

Der Schein des Heils ist ihrem Haupt entglitten.
Nun schmückt die rote Hurenkappe sie.
Kein holder Knabe thront auf ihrem Knie.
Im Goldgrund schmiert das Blut zerspanter Sitten.

Und doch, es musste einmal dazu kommen: 
Wer sterblich ist, der ist nicht immer rein.
Er braucht das Trübe auch, um sich verschwommen

die Flut, die anschwemmt und verschlingt zu sein.
Maria, von Madonna loszukommen,
wob sich zunächst in das Konträre ein.   



https://en.wikipedia.org/wiki/Madonna_%28Edvard_Munch%29#/media/File:Edvard_Munch_-_Madonna_-_Google_Art_Project.jpg
« Letzte Änderung: M?RZ 13, 2016, 13:46:08 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Madonna (nach Munch)
« Antwort #1 am: M?RZ 13, 2016, 14:24:24 »
Hi, Gum!

Trefflich durchschaut und gedeutet! Ich selbst sehe im Gesicht dieses Bildes eher stille Hingabe als nackte Lust, und dass es sowas wie eine rote Hurenkappe gibt, wusste ich nicht. Da werden alle uniformierten Träger eines roten Baretts aber wenig erheitert sein! ;) ;D

S1Z4 - Sprachlich fließender und weniger "geil": "um sich vor Publikum enthemmt zu winden."

Der Satz "Er braucht das Trübe auch ..." ist sehr komplex und leicht missverstehbar formuliert - das "um sich ... zu sein" muss man erst mal rausfinden!

Die Conclusio ist sehr nüchtern konstatierend geraten, das "Konträre" wirkt hier zu analytisch, zu wenig "mit Gefühl" irgendwie.

Ist aber alles Geschmacksache!

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: April 06, 2016, 16:41:32 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Madonna (nach Munch)
« Antwort #2 am: April 06, 2016, 07:14:31 »
Lieber gummibaum,

ich hätte im Leben nie so viel aus dem Gemälde herausgelesen wie Du.
Ich finde es von E.Munch eher frivol, diesen Titel zu geben (man bedenke die Zeit).

Heutzutage, wo sich eine Schlagersängerin - mal mehr, mal weniger bekleidet - als selbsternannte Madonna vor dem Publikum spreizt, ist das allerdings kein Politikum.

Dein Gedicht ist für einfache Geister wie mich sehr komplex, aber dennoch ein gelungenes und geheimnisvolles Sonett, das ohne die Vorlage nicht zu enträtseln wäre.

Lieben Morgengruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte