Autor Thema: Sternenstaub  (Gelesen 1369 mal)

Erich Kykal

Sternenstaub
« am: August 14, 2017, 11:20:47 »
Tausendmal von Lebendigem inhaliert, mit ihm gestorben und wieder ans Licht verwest -
Sternenstaub sind wir!
Das dritte Atom von rechts in meinem linken Daumennagel war einst im Gehirn von Napoleon -
Sternenstaub sind wir!
Dieses Molekülchen Schweinescheiße wird in drei Jahren, vier Monaten und zweieinhalb Stunden in meinem Frühstücksbrötchen sein -
Sternenstaub sind wir!
Vielleicht wasche ich mir morgen unwissentlich mit Hitlers ehemaliger Pisse die Hände in Unschuld?
Sternenstaub sind wir!
Wenn ich in einem Bordell sauber mache, wie viel getrocknetes Ejakulat atme ich ein?
Sternenstaub sind wir!
Welchen Wert hat alle Weisheit eines Lebens, wenn selbst der mieseste Kitsch sie überdauert?
Wer fegt all den Staub zusammen ...
« Letzte Änderung: September 06, 2017, 21:43:12 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Sternenstaub
« Antwort #1 am: September 06, 2017, 20:05:50 »
Lieber Erich,

Du hast die Erkenntnisse der modernen Astrophysik hier interessant verarbeitet.
Ich könnte mir auch ein paar schönere Modifikationen vorstellen.
Die Zeile "Wenn ich in einem Bordell sauber mache, wie viel getrocknetes Ejakulat atme ich sein?"
Ist das Ein Tippfehler?

Gern gelesen!
LG Günter

Erich Kykal

Re: Sternenstaub
« Antwort #2 am: September 06, 2017, 21:44:07 »
Hi Günter!

Ja, klar, Tippfehler! Vielen Dank für den "Tipp"!  :)

Je mehr man lernt und weiß, desto unfähiger wird man, in all der Beliebigkeit des Universums noch einen Sinn zu erkennen, der einem die Welt erklärt und gemütlich macht. Vielleicht bleiben deshalb so viele Menschen freiwillig dumm/religiös ...

Natürlich gibt es keine höhere Ordnung, keinen großen Plan - alles ist Entropie und Energieumwandlung! Aber tröstlich ist das nicht, und es macht zuweilen kalt und einsam ...
Das einzige, das nicht in dieses Universum zu passen scheint, sind die Gefühle der Menschen und ihre Fantasie: Wenn Materie denken lernt und sich Materie vorstellen kann - was bedeutet das? Nichts - oder alles? Vielleicht sprechen Wissenschaftler deshalb so gerne von diesem "Wir sind Sternenstaub" - weil es uns in all der offensichtlichen Zufälligkeit des nunmehr Bekannten doch noch so etwas wie Größe und Wert verleiht ...

Auf jeden Fall wollte ich die so generierte Bedeutsamkeit des Lebens an sich relativieren! Wenn jemand so pathetisch von "Sternenstaub" spricht, hört sich das ja unheimlich gut an, was dem anthroposophischen Weltbild vieler Menschen schmeichelt, so als machte der Umstand, dass viele unserer Moloküle einst in riesigen alten Sonnen erbrütet und per Supernovae durchs All gepustet wurden, uns per se zu etwas Besonderem! Pustekuchen! Hinter der schöngeistigen Fassade sternenweiter Genese und Bedeutung ist das Leben vor allem: schmutzig, mühselig, ungerecht, krank, pervers, ekelhaft - und vor allem: niedrig und alltäglich. Auch damit müssen wir leben lernen ...

Danke für's Vorbeischauen und was Dalassen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 28, 2020, 11:37:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Sternenstaub
« Antwort #3 am: September 07, 2017, 12:20:53 »
Lieber Erich,

in deiner umfasenden Antwort hast Du ein wichtiges Thema gestreift:
Macht Wissen den Menschen froh und glücklich oder eher das Gegenteil?
Ich kann für mich persönlich beides feststellen. Ein steter Widerspruch, der bremst und antreibt, der müde und munter macht. Gibt es eine Antwort?
Da ist weiß, was schwarze Materie ist, fühle ich mich gut! Da es mir keiner abnimmt fühle ich mich schlecht!

LG Günter

Erich Kykal

Re: Sternenstaub
« Antwort #4 am: September 07, 2017, 13:00:43 »
Hi Günter!

Der Antrieb des Menschen war immer das, was er möchte - und Wissen ist nur eins davon!

Wenn ICH es mir aussuchen könnte, würde ich mich aber immer für's Wissen entscheiden, auch wenn ich weiß, dass es mir schaden wird oder mich verändert. Letztes Endes reifen wir nur daran, dazuzulernen, auch wenn das Gelernte mitunter weh tut. Freiwillig in Unwissenheit zu verharren, wenn ich Gelegenheit hätte , mich in einem Interessensbereich zu erweitern, kommt für mich einer Selbstaufgabe gleich.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Sternenstaub
« Antwort #5 am: Oktober 26, 2017, 12:35:04 »
Lieber Erich,

und die, die sich selbst betrügen, werden nicht aussterben, solange sie noch ein Credo krächzen können.
Einer meiner Lehrer arbeitete mit Projektor. Das Bild: Milchstraße, äußerer unterer rechter Rand.
Unser Sonnensystem nicht erkennbar. Zu weit weg.
"Und das da, ganz unten, das sind wir. Ein Flohdreck."

Lieben Gruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Sternenstaub
« Antwort #6 am: August 27, 2023, 15:35:00 »
Flohdreck. Ein später posthumer Dank an Anne für diesen Vergleich ihres alten Lehrers. Sollen wir glauben, dass sie beide nun vereint in einem seltsam diffus überlieferten 'Paradies' hocken und zu Ehren eines seltsam diffusen Gottes Harfenliedchen trällern, im übertragenen Sinne? Wohl eher nicht. Bildung objektiviert Wahrscheinlichkeiten. Das zumindest lehrt uns der Flohdreck.

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 29, 2023, 09:57:05 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Sternenstaub
« Antwort #7 am: August 29, 2023, 18:05:30 »
Hi eKy!
Das Stück, das Du da hochgeholt hast, ist wirklich ungewöhnlich gemessen an Deinen neueren Werken. Es erinnert mich in dem Sternenstaub-Ostinato an ein Gebet. So ein bisschen wie diese Wechselreden von Priester und Gemeinde, wenn Ersterer wortreiche Fürbitten äußert und die Gemeinde mit "Herr, erlöse uns!" antwortet. Da hast Du nun also eine Art Anti-Text dazu geschrieben.
Insofern ist es inhaltlich natürlich durchaus ein echter eKy - nur eben in der nicht Gedicht-typischen Aufmachung und dem Verzicht auf klassischen Endreim bietet es formal einen ungewohnten Eindruck. Aber sehr schön ist das! :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Sternenstaub
« Antwort #8 am: August 31, 2023, 13:23:25 »
Hi Suf!

Ob der Reimlosigkeit steht es hier ja auch unter der Rubrik 'Sprüche, Gedanken, Gescheites'.

Danke für den interessanten religiös induzierten Blickwinkel. Du hast Recht, es wirkt tatschlich so. An mir ist wohl ein salbadernder Prediger verloren gegangen, ich hätte bloß, na, sagen wir, so um die fünfzig IQ-Punkte weniger zu haben brauchen ...  ;) ;D >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.