Autor Thema: Zusammenbruch  (Gelesen 1898 mal)

gummibaum

Zusammenbruch
« am: August 26, 2018, 12:20:50 »
Hinweggeschwemmt ist alle Ruhe,
er treibt in dem Gedankenfluss,
ein Kopf in Strudeln, sieht die Schuhe
am Ufer kleiner werden, muss

sich mühen, oben auf zu bleiben.
Zerrissenes Ideengut
beginnt ihn grausam zu zerreiben,
und leeres Wissen trübt die Flut.

Und hinter ihm noch all die Fragen,
die eine Antwort suchten und
ihn wie mit Keulen vorwärts jagen -
Es wächst ein Schrei in seinem Mund

und reißt ihn fort, er fällt Kaskaden
zerspellend abwärts ohne Halt -
Erwacht, und seine Schläfen baden
in Kissen einer Heilanstalt…

Erich Kykal

Re: Zusammenbruch
« Antwort #1 am: August 26, 2018, 12:34:49 »
Hi Gum!

Beklemmend gut verdichtet! Möge es nicht autobiographisch sein ...
Ich habe diesen schnatternden Wahnsinn, diese Tiefe ohne Grund jedoch auch schon am Rande meiner sebst gespürt. Wenn es einem mies geht, denkt man sich zuweilen: Warum nicht einfach loslassen und sich darin treiben lassen? Keine Vernunftsgründe mehr, keine Hemmungen, kein Nachgrübeln oder Planen, kein An-sich-Halten, Rückversichern - sich einfach den Gespenstern ergeben und eins mit ihnen werden ...

Ich würde "obenauf" immer noch zusammen schreiben, scheiß auf die NR!

S4Z3 würde ich klein beginnen. Nach einem Bindestrich beginnt man nicht groß.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Zusammenbruch
« Antwort #2 am: August 26, 2018, 19:07:17 »
Danke, lieber Erich. Das hast du gut interpretiert, vielleicht, weil du schon mal an der Grenze dahin warst.

Alles Liebe
gummibaum

 

cyparis

Re: Zusammenbruch
« Antwort #3 am: September 30, 2018, 13:01:22 »
Lieber gummibaum,

ebenso fein ziseliert wie erschreckend.
Vor allem die beiden letzten Verse jagen mir eine Gänsehaut über den Rücken.
Ich habe oft über die Todesarten (nicht für mich!! :)) nachgedacht - welche mag die schlimmste sein?
Ertrinken? Nicht mehr Luft, sondern Wasser zu atmen?
Danach mögen sich die Verdurstenden in der Atacama verzehren.
Verbrennen bei lebendigen Leib (was uns die Filmindustrie immer wieder präsentiert)?
In Tod stürzen (wie bei Dir angedeutet)?

Spekulationen sind schaurig.
Trotzdem möchte ich einen ruhigen Mittagsschlaf halten, völlig frei von Alpträumen.

Wenn ich mal so weit sein sollte:
Ich habe vorgesorgt. Auch für Schmerzlosigkeit. Auch für meinen Zwilling.

Ein sehr sinistres, hoffnungraubendes Gedicht, von dem ich sicher mit aller Furchtlosigkeit  annehmen kann, daß es  k e i ne n autobiographischen Hintergrund hat.

Lieben Sonntagsgruß
von
Cyparis



Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re: Zusammenbruch
« Antwort #4 am: September 30, 2018, 16:16:41 »
Danke, liebe Cyparis. Vom Tod habe ich nichts geschrieben. Das LI wird vom Gedankenstrom fortgerissen, dreht durch, verliert das Bewusstsein und wird zur Behandlung eingeliefert.

Herzliche Grüße
gummibaum

cyparis

Re: Zusammenbruch
« Antwort #5 am: Oktober 01, 2018, 10:45:31 »
Oh, lieber gummibaum,

dann hatte Erich doch recht.
Ich hatte die Quintessenz Deines guten Gedichts mißverstanden, falsch gedeutet.

Lieben Gruß
von
Cyparis


Der Schönheit treu ergeben
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Agneta

  • Gast
Re: Zusammenbruch
« Antwort #6 am: Oktober 02, 2018, 11:29:33 »
Erich hat es sehr gut kommentiert. Darum halte ich mich , auch mangels eigener Erfahrung da inhaltlich zurück.Erschreckend gut gut geschrieben, lieber Gum. LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Zusammenbruch
« Antwort #7 am: Oktober 02, 2018, 21:51:17 »
Weil ich - nicht wie Gum meinte, weil ich "schon mal dort war" - seit dem Ende meiner Kindheit praktisch mein ganzes Leben direkt an dieser Grenze zugbracht habe. Warum wohl bin ich so ein Kopfmensch geworden, der sich jede Gefühlsregung - außer in Gedichten dann und wann - verbietet!? Weil das meine einzige Chance war und ist, auf "dieser" Seite der Grenze zu bleiben. Weil ich die Welt und mein Leben darin MIT Gefühlen nicht ertragen könnte - und dann freiwillig die Grenze überqueren würde.
Die entwürdigende Entmündigung durch eine Heilanstalt allerdings käme für mich niemals in Frage - die Aufrechterhaltung der absoluten Selbstbeherrschung ist für mich also nachgerade überlebenswichtig ...
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.